1945: Verpasste Chancen für Frieden und Frauen

ID 76669
 
AnhörenDownload
Ein Gespräch mit Janik von der Gruppe Schweiz ohne Armee die am 8. Mai 2015 ein Diskussions-veranstaltung mit Andreas Zu-mach und Leena Schmitter durch-führten.
Am 8. Mai 1945 unterzeichneten die Nazis im französischen Reims die bedingungslose Kapitulation. Dieser und der folgende Tag sind als Befreiung vom Faschismus und als Ausbruch des Friedens in die europäische Geschichte ein-gegangen. Bereits zwei Wochen zuvor hatten sich VertreterInnen aus 50 Nationen zur Gründung der UNO versammelt. Diese ver-abschiedete am 26. Juni 1945 ihre Charta, deren wichtigste Errun-genschaft das Kriegsverbot war und ist. Der Zweite Weltkrieg endete allerdings erst am 15. Au-gust mit der Kapitulation Japans. Zuvor waren Hiroshima am 6. August und Nagasaki drei Tage später mit Atombomben zerstört worden. Der Hauptgrund für die-sen barbarischen Akt der USA war es, Japan zu besiegen, bevor die Sowjets dabei mithelfen konn-ten.
Wenn die Welt heute alles andere als friedlich ist, hat das nicht zu-letzt mit dem anderen 8. Mai 1945 zu tun. Am gleichen Tag wurde auch im nordafrikanischen Sétif die Befreiung vom Faschis-mus gefeiert und die Beendigung der Kolonialherrschaft gefordert. Wegen dieser Forderung brachten französische Truppen und Zivilis-ten zwischen 15'000 und 45'000 Berberinnen und Berber, Arabe-rinnen und Araber um. Sétif war das Fanal für die kommenden Kolonialkriege. In Algerien fol-gerte die junge Generation daraus, dass nur der bewaffnete Kampf zur Unabhängigkeit führt. Bei dieser Entscheidung spielte auch mit, dass die offizielle französi-sche Linke, die SP und die KP, den französischen Kolonialismus verteidigte. Als der Faschist Le Pen 1957 in Algerien folterte, war der Sozialist Mitterrand als Jus-tizminister sein Chef. Die Ent-fremdung zwischen arabischer und westlicher Welt hat eine ihrer Ursachen in Sétif. Wer den Frie-den will, gedenkt heute beider 8. Mai..
Die Schweiz hat den Krieg unver-sehrt überstanden, weil sie im unbesetzten Zustand der Nazi-Kriegsmaschine dienlicher war. In der Schweiz, die faktisch dem deutschen Wirtschaftsraum ein-gegliedert war, konnten die Fab-riken störungsfrei Waffen für die Wehrmacht produzieren, die Ei-senbahnen deutsche Kohle nach Italien transportieren, die Kraft-werke Strom nach Süddeutsch-land liefern, die Nationalbank unbehelligt Nazi-Gold in Devisen umwandeln. Etwa 30‘000 jüdi-sche Flüchtlinge wurden in den sicheren Tod zurückgeschickt. Die nationale Lebenslüge, dass die Schweiz ihre Rettung der ei-genen Armee verdanke, hatte zur Folge, dass diese eine starke Aufwertung erfuhr. Der damit ebenfalls gestärkte mentale Mili-tarismus verunmöglichte es da-mals, dass in unserem Lande - im Unterschied zu allen anderen eu-ropäischen Demokratien - das Frauenstimmrecht eingeführt wurde. Das Bürgerrecht war nach 1945 enger denn je mit der Wehr-pflicht verbunden. Es brauchte die 68er Bewegung, die Erosion der Geistigen Landesverteidigung und vor allem den Druck der Eu-ropäischen Menschenrechtskon-vention, um 1971 die politische Gleichberechtigung durchzuset-zen.
Die GSoA widmet ihr Gedenken an den 8. Mai 1945 den beiden verpassten Chancen für den Frie-den und für die Frauen. Warum das Kriegsverbot sich nicht durchsetzen konnte, darüber refe-riert der Genfer Andreas Zu-mach, UNO-Kenner, Journalist und Buchautor (Globales Chaos - machtlose UNO, Rotpunkt, 2015). Warum das schweizerische Män-nervolk den Frauen auch 1945 und 1959 das Stimmrecht verwei-gerte, erklärt die Historikerin, Geschlechterforscherin, Buchau-torin und Berner Stadträtin Leena Schmitter (Frauenbewegung - Die Schweiz seit 1968. Analysen, Dokumente, Archive, Hier und Jetzt, 2014).
Audio
12:07 min, 11 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 26.04.2016 / 05:56

Dateizugriffe: 220

Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Internationales
Serie: Focus Europa Einzelbeitrag
Entstehung

AutorInnen:
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 13.05.2015
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Disclaimer:
Das Projekt wird co-finanziert von der Europäischen Union im Rahmen des vom Europäischen Parlament subventionierten Ausbildungsörderungsprogramms im Bereich Kommunikation. Das Europäische Parlament ist nicht involviert in die Vorbereitung und ist in keinem Fall verantwortlich für oder gebunden durch die Information oder Meinungen, die im Kontext des Projekts geäußert werden. In Übereinstimmung mit den anwendbaren Gesetzen sind einzig die Autor_innen, Interviewpartner_innen, Publizist_innen oder Rundfunkveranstalter_innen verantwortlich. Das Europäische Parlament kann nicht haftbar gemacht werden für direkten oder indirekten Schaden, der aus der Umsetzung des Projekts resultieren könnte.