"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Panama-Papiere

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Jetzt hat also der Kläffer und Wäffeler Arseni Jazenjuk seinen Rücktritt eingereicht, das heißt, mit ihm ist bei einem nächsten Urnengang zu rechnen, in welcher Form auch immer, und es bestätigt in erster Linie, dass die Ukraine weiterhin jener oligarchische und korrupte Sauhaufen ist, welcher sie schon immer war seit der Auflösung des Ostblocks, bloß rechnet sich der angeblich antirussische Block aus, dass der Westen weiterhin mehrere Milliarden jährlich einschießen wird, wenn man nur genug West-Propaganda nachdruckt, mit welchen West-Milliarden die Oligarchen dann die eigenen Geschäfte mit Towarisch Putin befeuern können.
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10:17 min, 24 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 26.04.2016 / 18:49

Dateizugriffe: 1226

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Wirtschaft/Soziales
Entstehung

AutorInnen: Albert Jörimann
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 26.04.2016
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
So ungefähr sieht sie aus, diese Landschaft, welche uns von unserer neutralen und objektiven Journalistenschar seit der Maidan-Revolte immer als nach Freiheit drängendes protoeuropäisches Bollwerk gegen die russische Expansion verkauft wurde. Ein fertiger Bullshit, und damit soll für heute genug sein mit Ausnahme der Erinnerung daran, dass die EU-Gurkentruppe unter dem damaligen Präsidenten Barroso mit ihren Versprechungen ohne jegliche Rücksprache mit den Russen eine zentrale Verantwortung am Krieg in der Ostukraine tragen, wenn nicht sogar die alleinige, wobei ich natürlich auch die Nato aus allen Poren Freudenperlen schwitzen sehe, wenn sie unter dem Vorwand einer Verteidigungsübung gegen einen möglichen Angriff Moskaus ihre Manöver vor der Haustür der russischen Staatsmacht durchführen kann. Kindereien sind das, die in letzter Zeit wenigstens ein bisschen abgeklungen sind, das Jahr 2016 lässt sich diesbezüglich ganz vernünftig an, nachdem die Westmächte offenbar geschnackelt haben, dass man den Kamerad Putin im Nahen Osten trotz allem nicht klein kriegen kann, um nicht zu sagen: Der Westen braucht ihn gerade heraus. Da ist natürlich das ganze wunderbar in Stellung gebrachte Sturmgeschütz des internationalen Journalismus plötzlich nichts mehr wert, wenn sich die syrischen Befreiungskämpfer plötzlich als ein Konglomerat von obskuren Stammesfürsten entpuppen, die je nach Belieben mit dem Islamischen Staat oder mit der Al-Nusra-Front kämpfen oder für einen goldenen Mercedes, Hauptsache, die US-amerikanische Steuerbehörde schickt Geld und Waffen unter dem Vorwand der Stützung eines demokratischen Aufstandes gegen den, und jetzt kann man sich’s aussuchen: Schlächter, Diktator, Unterdrücker, Tyrannen usw. usf. Bashar al Assad. All diese bestens besetzten Kommentatoren-Stellungen erweisen sich plötzlich als komplett unnütz; stattdessen müssen wir leider Hurra rufen nach der Befreiung von Palmyra durch die syrischen Regierungstruppen, wir armen, recht geleiteten Meinungsschweine.

Dass allerdings der Journalismus auch anders kann, zeigen die Panama-Papiere, welche gegen­wärtig die einen Regierungen und Potentaten unsicher machen und die anderen nicht, wie zum Beispiel Petro Poroschenko, welchen die Veröffentlichung der Gründung von Prime Asset Partners auf den British Virgin Islands, der CEE Confectionery Investments auf Zypern und der Roshen B.V. in den Niederlanden während den heißen Phasen des Ostukraine-Krieges durchaus nicht weggeblasen hat. Auch Wladimir Putin wird sich wegen der Publikation von Geschäfts­geheim­nissen seines Adlaten Roldugin nicht in die Hosen machen. Das ist aber nicht der zentrale Aspekt bei dieser Panama-Geschichte, sondern der Hauptpunkt ist jener, dass wir meines Wissens zum ersten Mal ein Konzentrat aller Steuerfluchttechniken und –konstruktionen auf dem Tisch haben. Gewusst davon haben wir alle schon längstens, aber jetzt sehen wir auch, wie es geht, wobei noch anzufügen ist, dass diese Panama-Papers ihrerseits nur einen Bruchteil der tatsächlichen Kapitalwanderungen auf dem Erdball ausmachen, ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass es sich auch nur um ein Promille davon handeln sollte. Man weiß ungefähr, wo sich die Steuerparadiese befinden, in einem davon wohne ich selber, die Schweiz, daneben prangt das Fürstentum Liechtenstein, und Luxemburg soll auch ganz knorke sein; dann haben wir die Kanalinseln, sehr beliebt ist die Karibik und dann Panama mit seinem ausgebauten Bankennetz; wir finden aber auch zahlreiche Stützpunkte im Pazifik auf den zig tausend Inselstaaten, und weiter bieten asiatische Länder und Städte wie Hongkong ihre Dienste an, ganz zu schweigen von jenen dunklen Flecken im Herzen der Supermacht Vereinigte Staaten wie Delaware. Die Panama-Papiere zeigen auf, wie man Steuern hinterzieht und allenfalls aus anderen Gründen Firmenkonstrukte betreibt, aber vom Umfang her sind sie vermutlich ziemlich wenig bedeutend.
Die große Frage ist nun die, ob Steuerhinterziehung illegal oder bloß unmoralisch ist. Im Prinzip ist die Antwort klar: Es handelt sich um Betrug und Diebstahl am jeweiligen Ort, wo die Steuern hinterzogen wurden. Es gibt ein paar Rechtfertigungs-Argumente, wie zum Beispiel im Fall Poroschenko, wo man sagt, dass der ukrainische Staat derart ineffizient und korrupt ist, dass man gut daran tue, sein Vermögen in Offshore-Firmen in Sicherheit zu bringen. Dass dies ausgerechnet der Staatspräsident tut, der versprach, für Gerechtigkeit und Ordnung im Land zu sorgen, ist vor diesem Hintergrund nicht viel mehr als pikant, und dieses Argument stammt übrigens aus dem Leibblatt der Schweizer Steuerhinterzieher-Klasse, nämlich der Neuen Zürcher Zeitung.

Daneben ist es eine Tatsache, dass große Kapitalsummen, die in diesen Offshore-Paradiesen lagern, im Prinzip keinen Bezug mehr zur Realwirtschaft haben; es handelt sich um Wertpapiere, die sich auf andere Wertpapiere beziehen, um Fonds, Zertifikate und so weiter und so fort, es ist ein Tummelplatz jener Kapitalwelt, die sich immer wieder selber generiert und auf welche die internationalen Steuerbehörden sowieso keinen Zugriff haben und, wenn man sich nach der Logik der Besteuerung der Wertschöpfung richtet, auch zu Recht keinen Zugriff haben, denn hier wird selbstverständlich kein Wert geschöpft, sondern bloß Finanzkapital. Hier ist jene Dimension schon längstens realisiert, welche seit ein paar Wochen unter dem Stichwort «Helikoptergeld» auch für die breiten Bevölkerungsschichten diskutiert wird, was wiederum euren rollenden Finanzminister in helle Empörung versetzt hat.

Einen steuerlichen Zugriff auf diese Welt zu schaffen, das würde in der Tat sämtliche Finanz­pro­ble­me sämtlicher Staaten der entwickelten Welt auf einen Schlag lösen, auch wenn die erhobenen Steuern in keiner Art und Weise «konfiskatorisch» wären, wie die NZZ so etwas gerne mal nennt. Dass ein solcher Zugriff bisher nicht gelungen ist, hängt sicher zum einen damit zusammen, dass die nationalen Steuergesetze von Parlamenten gemacht werden, in welchen die reichen Säcke sehr gut vertreten sind, indem sie konservative, bürgerliche und Mitte-PolitikerInnen kaufen und manchmal, wie im Fall der Schröder-SPD, auch die Sozialdemokraten. Wie es dem Herrn Hollande mit seinem Reichtumssteuer-Projekt ergangen ist, haben wir alle noch in schmerzlicher Erinnerung. Seither kuscht auch er ganz brav vor der offensichtlichen Omnipotenz des internationalen Kapitals, und insofern erübrigt sich eigentlich jegliche Debatte, sogar über die Panama-Papiere. – Aber es geht um mehr. Es geht darum, dass diese Kapitalsummen in den Offshoreparadiesen und wo auch sonst noch immer eben tatsächlich eine Welt mit eigenen Eigenschaften und Gesetzen darstellen, auf welche man mit irdischen Steuern eben nicht zugreifen kann. Das Finanzkapital bildet einen eigenen Planeten auf unserem Planeten, hier braucht man mit Dingen wie Steuermoral und so weiter nicht zu argumentieren. Für die tatsächlichen Bedürfnisse der modernen Staaten sind diese Riesenkapitalien nicht gedacht. Die kommen de facto auch kaum einmal aus ihrem eigenen Universum heraus. Ihr Beitrag zum globalen Bruttoinlandprodukt besteht in der Hege und Pflege einer Klasse von Treuhänderinnen und Juristinnen, welche ansonsten keinen weiteren Einfluss nehmen auf das Weltgeschehen als mit der Erfindung von neuen Getränkesorten wie Bacardi mit Eiermilch auf Silberminze und so weiter.

Hier liegt ein echtes Problem, und zwar nicht in erster Linie mit den riesigen Geldmengen, die da herumschwappen und global skandalös ungleich verteilt sind, sondern darin, dass die beiden Sphären, jene der Realwirtschaft inklusive des Realkapitals und so weiter sowie jene der Finanzkapitalien miteinander nicht zu verknüpfen sind, mindestens nicht über jene Verknüpfung hinaus, welche sich aus gewissen Anlagekategorien ergeben – Finanzkapital absorbiert typischerweise langfristige Anlagen, wobei auch die selbstverständlich immer kurzfristig handelbar sind. Aber aus solchen langfristigen Anlagen entstehen dann zum Teil Erträge für die Realwirtschaft, zum Beispiel bei den Pensionskassen. Jenseits davon jedoch gibt es ökonomisch gesehen gar nichts zu meckern. Die unglaublichen und riesigen Kapitalsummen, welche die Erde wie eine zweite Atmosphäre umhüllen, haben kaum einen Einfluss auf das reale Geschehen, auch hier wiederum mit der Ausnahme jener periodischen Krisen, welche sich im Finanzkapital ergeben. Und das ist wohl auch der Hauptgrund dafür, dass auf absehbare Zeit keine globale Steuerreform einen Zugriff auf diese Gelder ermöglichen wird, und dies wiederum gehört als Rahmenbedingung zu all den Panama-Papieren dazu.

A propos Steuern beziehungsweise Staatsverschuldung: Habe ich eigentlich an dieser Stelle schon mal erwähnt, dass die schweizerische Eidgenossenschaft, also der Schweizer Zentralstaat, ihre Verschuldung zwischen 2003 und 2015 von 124 Milliarden Franken auf 104 Milliarden Franken abgebaut hat? Und dass die Bruttoverschuldung des Zentralstaates bei 16.2% des Bruttoinlandproduktes lag? Die Gesamt-Schuldenquote unter Einbezug von Kantonen und Gemeinden liegt dann doch bei immerhin bei rund 33%. Für Deutschland liegt der entsprechende Wert bei ziemlich exakt dem Doppelten. Ich erwähne dies eigentlich nur aus dem Grund, weil irgendein Finanzpolitiker einer depperten rechtsnationalistischen Partei jüngst wieder von sich gegeben hat, dass es darum ginge, dass man die Staatsfinanzen endlich einmal ins Lot bringe. Die Jungs wissen echt selber nicht, wovon sie sprechen. Aber darin unterscheiden sie sich natürlich nicht von den Populisten in anderen Ländern.

Kommentare
27.04.2016 / 10:24 Tagesredaktion, free FM, Ulm
Ulmer Freiheit
Wird heute um 15 Uhr gesendet. Danke!