Der Hai - das wenig bekannte Wesen

ID 7705
 
Ein Bericht über die Gefährdung der Haie weltweit. Die Bedeutung dieser Species in der Nahrungskette. Gefahr der Ausrottung wegen großer Nachfrage nach Flossen, Gebissen etc.
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mp3, 32 kbit/s, Mono (22050 kHz)
Upload vom 04.10.2004 / 09:11

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Umwelt
Entstehung

AutorInnen: Alexander v. Dercks (Greenpeace München)
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 30.09.2004
keine Linzenz
Skript
Seit dem Film „Der Weiße Hai“ ist dieses Tier Sinnbild für Gefahr, für Schrecken, für Blut geworden. Wo der Weiße Hai auftaucht verbreitet er Angst, ob im Film oder in der Wirklichkeit. Sicher nicht ganz unberechtigt, aber längst ist aus dem Jäger der Meere der Gejagte der Meere geworden. Anlässlich des Welttages des Meeres machte die Umweltschutzorganisation WWF in der vergangenen Woche in Wien auf die Bedrohung des Weißen Hais aufmerksam. Nicht der Mensch müsse Angst haben, sondern umgekehrt: Nach Schätzungen werden jährlich etwa 100 Millionen Haie getötet, das sind mehr als 11.000 in jeder Stunde.

Weiße Haie sind die größten raubfischartigen Lebewesen, sogenannte Super-Räuber oder Apex-Predatoren. Sie stehen am Ende der Nahrungskette und kontrollieren ihrerseits andere Räuber. Die Verbreitung ist global. Sie bevorzugen jedoch gemäßigte und subtropische Gewässer in küstennahen Regionen. Am häufigsten tritt der Weiße Hai in Südaustralien, Südafrika und Kalifornien auf, aber auch im Mittelmeer. Und um einen weit verbreiteten Irrtum auszuräumen: Erzählungen von 20 Meter langen Monstern gehören ins Reich der Fabel; mehr als 7-8 Meter wird der Hai nicht. Das Durchschnittsgewicht liegt zwischen 10 und 20kg, die Durchschnittslänge bei 1,30 Meter.

Der Weiße Hai gehört laut WWF zu den zehn im internationalen Handel am stärksten nachgefragten Tier- und Pflanzenarten. Er ist besonders durch Übernutzung gefährdet, da er erst mit ca. 12 Jahren (manche Haie auch erst mit 25 Jahren) fortpflanzungsfähig wird und nur alle zwei bis drei Jahre wenige Junge zur Welt bringt. Eine der Hauptursachen für den Rückgang des Bestandes der Weißen Haie ist der internationale Handel mit Souvenirs, wie z.B. der Handel mit Haizähnen, -kiefern, -flossen. Kürzlich wurde in Südafrika ein Gebiss eines Weißen Hais sichergestellt: Marktwert: 50.000 Euro.

Der Weiße Hai ist übrigens nur einer von fast 500 verschiedenen Haiarten. Wohl die wenigsten Menschen haben schon mal vom der Segelflossen-Meersau, dem Großaugenfuchshai, dem Geisterkatzenhai oder dem Engelshai gehört. Und das sind vier Haiarten, die im Europäischen Atlantik vorkommen, also vor unserer Haustüre.

Großabnehmer für Haiprodukte ist auch die Pharma- und Kosmetikindustrie. Die mögliche Immunität von Haien gegen Krebs wird dazu benutzt, um getrocknete Haiknorpel u.a. als "Anti-Krebsmittel" zu verkaufen. Aber Haiknorpel gegen Krebs zu essen ist so ähnlich, als wenn ein Kurzsichtiger durch das Essen von Adlerfleisch seine Sehkraft stärken könnte.

Die großen Flossen der Tiere sind vor allem in Asien als Nahrung begehrt. Um die Nachfrage befriedigen zu können werden alljährlich Millionen von Haien die Flossen abgeschnitten; die Haie werden dann - meist noch lebend - ins Meer zurück geworfen, wo sie elendiglich verenden. Die spezielle Knorpelsubstanz der Flossen ist nur wegen ihrer Konsistenz gefragt, denn sie ist geschmacksneutral. Ähnlich wie bei der Schildkrötensuppe wird der Geschmack einzig durch Gewürze und Zutaten erzeugt. Allein in Hongkong, dem Haupthandelsplatz für Haifischflossen, werden jedes Jahr Tausende von Tonnen getrockneter Haiflossen gehandelt. Bei der Jagd auf die immer selteneren Thunfische mit bis über 100 Kilometer langen hakenbestückten Leinen machen Haie häufig den größten Teil der Fänge aus.

Obwohl sich viele Geschichten um den Hai ranken steht die Nahrung "Mensch" selten auf seinem Speisezettel. Betrachtet man die Art der Haie zu jagen, versteht man die Unfälle mit Schwimmern und Surfern. In Gewässern, um die 20m tief, attackieren die Haie von unten. Sie verfolgen die Schatten vom Grund aus und jagen hoch zum Opfer um es zu töten. In 90% der Fälle bremst der Hai kurz vor einem unbewegten "Objekt" ab oder beißt nur kurz zu, vielleicht um dieses "Objekt" zu testen. Solche Missverständnisse mit Surfern tragen zum Ruf des Haies bei. In den meisten Fällen ist ein Haiangriff jedoch nicht tödlich. Lediglich 5 - 10 Menschen werden jedes Jahr Opfer von Haien, welche Schwimmer für ihre Lieblingsnahrung, nämlich Seehunde, halten. Die Wahrscheinlichkeit, durch einen Blitzschlag oder einen Bienenstich zu sterben ist 100 mal größer.

Überhaupt sind Haie faszinierende Geschöpfe der Evolution. Um ihren besonderen Lebensbedingungen gewachsen zu sein, fand im Laufe der Jahrmillionen bei den Haien eine Feinabstimmung der Sinne statt. So verfügen beispielsweise Haie der Dämmerzone meist über große Augen, um auch noch das schwächste Licht in der Tiefe nutzen zu können. Ammenhaie besitzen nur kleine Augen und orientieren sich stärker mit ihrem Geruchssinn. Hammerhaie verfügen über die größte Anzahl an Lorenzinischen Ampullen in der Kopfregion, die sie einsetzen, um die im Sand verborgene Rochen aufspüren zu können. Mit diesen Lorenzinischen Ampullen Rezeptoren können Haie selbst schwächste elektrische Felder wahrnehmen: Haie können extrem geringe Stromspannungen wahrnehmen. Stellen Sie sich vor: Sie nehmen den Pluspol einer handelsüblichen und in jedem Batteriewecker verwendete 1,5V Batterie und den Minuspol einer zweiten solchen Batterie und tauchen diese beiden Pole ins Meereswasser. Aber nicht direkt nebeneinander, sondern so, dass 1,5 Kilometer dazwischen liegen. Diese extrem schwache Spannung kann ein Hai spüren und ortet damit selbst auf große Entfernung den Herzschlag eines Organismus.

Die Macht und der Einfluss, den die Fischerei-Lobby hat, wird erneut bei jeder CITES-Konferenz deutlich. Doch als ein erstes kleines Anzeichen für ein Umdenken konnten die Entscheidungen auf der 12. Artenschutzkonferenz (CITES) in Chile im November 2002 gesehen werden: Für den Walhai und den Riesenhai wurde der Handel zumindest stark eingeschränkt. Das ist mehr als nötig: Sind doch nach der Roten Liste bereits ca. 70 Haiarten gefährdet. Bei der 13. Artenschutzkonferenz, die am 2. Oktober in Bangkok beginnt, wird Deutschland den Antrag Australiens und Madagaskars unterstützen, den weißen Hai besser zu schützen, der ja auch im Mittelmeer lebt.


Noch mal zu Verdeutlichung:
100 Millionen Haie verenden jährlich, oft unter grausamen Qualen:
sie sterben als Beifang in Netzen der schwimmenden Fischfabriken
sie sterben für medizinisch absolut unwirksame Krebs- oder Potenzmittel
sie sterben für ihre Flossen, die ihnen oft bei lebendigem Leib einfach abgeschnitten werden
sie sterben für den Egotrip von Hochseefischern oder werden bei der oft verharmlosten "Fangen und Wieder-Frei-Lassen" Fischerei schwer verletzt

In vielen Ländern gibt es bereits das Verbot des Flossenabschneidens, des sog. „Finnings“ und der Weiße Hai ist weltweit geschützt. Doch für manche Haiarten dürften Schutzmaßnahmen selbst jetzt zu spät kommen, weil ihr Bestand zu klein ist, als dass die Population überlebensfähig ist. Wie so häufig muss es leider erst lichterloh brennen, bis die Feuerwehr kommt.