In der Sendung am achten Mai 2016 sprechen wir über den achten Mai 1945 und die vielfältigen Ausgestaltungen, Wandlungen und Aktualisierungen des Gedenkens. Wie gedenken die Verfolgten, wie die Sieger und welche Wandlungen hat der bundesrepublikanische Gedenkdiskurs erlebt? Wie gedenkt und erinnert die deutsche Linke und wie reflektiert sie das Spannungsverhältnis zwischen Sieg, Befreiung und der vorhergegangenen historischen Niederlage? Und wie ist ein Umgang mit der Tatsache zu finden, dass das eigene revolutionäre Subjekt zum großen Teil nicht befreit sondern notwendigerweise niedergerungen wurde?

Im ersten Teil sprechen wir mit einem Vertreter der Jüdischen Gemeinde Pinneberg über deren Feierlichkeiten zum achten Mai und warum der Tag für ihn einen Tag der Befreiung und des Feierns darstellt und darüber, wie sich der Tag speziell für aus Osteuropa immigrierte Mitglieder auch als Tag des Sieges darstellt. Außerdem diskutieren wir mit ihm kurz die Wandlungen des bundesdeutschen Gedenkens und sein Erleben derselben.

Im zweiten Teil hört ihr Originalausschnitte aus der Rede Richard von Weizsäckers zum 8. Mai, die dann kritisch kommentiert werden. Weizsäckers Rede war bahnbrechend für eine Aktualisierung des deutschen Gedenkdiskurses, sie hat ihn in eine gute Richtung vorangebracht. Sie ist gleichzeitig historisch nicht zu trennen vom fast zeitgleichen Besuch von Bundeskanzler Kohl und US-Präsident Reagan auf dem Wehrmachts- und SS-Friedhof in Bitburg.
Dabei bedient auch Weizsäckers Rede sich vieler der Sprachregelungen und in letzter Instanz Verharmlosungen, die notwendig waren, für die rot-grüne Transformation des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, dessen Aufarbeitung Deutschland erst auf Augenhöhe wieder handlungsfähig machen soll. Diese Aufarbeitung ist vom Modell Kohl inhaltlich abgegrenzt und doch nicht zu trennen. Wohin "Gedenken auf Augenhöhe" letztlich führt ist die Diskussion darüber, wie ein gemeinsames Gedenken mit dem russischen Präsidenten möglich ist.