Multiplizierte Ikonen

ID 78717
 
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Am vergangenen Wochenende haben Aktivisten der rechtsextremen "Identitären Bewegung" das Brandenburger Tor besetzt. Auf riesigen Lettern war auf einem Transparent zu lesen: "Sichere Grenzen - Sichere Zukunft". Die Bilder dieser Aktion fanden enorm schnell weite Verbreitung. Wir haben darüber mit David Begrich vom Miteinander e.V. in Magdeburg gesprochen und ihn zunächst noch einmal gefragt, wer die Identitären eigentlich sind.
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10:41 min, 24 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 01.09.2016 / 10:03

Dateizugriffe: 2194

Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Serie: CX - Corax - AntifaAntira
Entstehung

AutorInnen: Tagesaktuelle Redaktion
Radio: corax, Halle im www
Produktionsdatum: 01.09.2016
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Multiplizierte Ikonen - Die "Identitäre" besetzen das Brandenburger Tor


Der BERLINER ZEITUNG war es eine Eilmeldung wert, als Aktivisten der völkisch-nationalistischen "IB" am Samstag bei schönstem Sonnenschein das Brandenburger Tor erklommen um dort den Slogan "Sichere Grenzen" auszurollen. Je weiter die Hitze und die Zeit am Samstag voranschritten, umso stärker bedienten die Medien das Bild vom Skandal. Charlotte Knobloch sprach gar von einem Anschlag auf die Demokratie.

All die Bilder, Eilmeldungen und Empörungen waren ganz im Sinne der IB, die bei ihren Aktionen die Reaktion von Medien und Web 2.0. schon eingepreist haben: der Medienhype, die bloße wiedergebende Abbildung der Selbstinszenierung der "Identitären" betreibt deren Geschäft: die vielfache Multiplikation ihrer Propaganda.

Es dauerte Stunden bis an die Stelle von Sensation die Analyse trat. Doch an einer Dekonstruktion der ikonographischen Selbstinszenierung versuchte sich am Sonntag niemand. Welch ein Erfolg für die "Identitären"! Diese haben seit Jahren die Gesetze der medialen Aufmerksamkeit genau studiert, und wenden sie nun an.

Martin Sellner, Lautsprecher der selbsternannten patriotischen Bewegung platzte in seinem Videoblog vor Selbstbewusstsein und Stolz beinahe.

Die richtige mediale Antwort auf die "IB" Aktion wäre es gewesen, sofort zu einer Kritik ihrer Inszenierungsformen und ihrer Ikonographie überzugehen, statt ihre Bilder wiederzugeben. Das
Brandenburger Tor ist für alle möglichen Protestinhalte ein beliebter, symbolischer Ort, vor dessen Kulisse sich Aufmerksamkeit erheischen lässt. Für die extreme Rechte jedoch ist das Brandenburger Tor mehr als nur Kulisse. Es ist ein historischer Kraftort deutscher Geschichte, in gleichem Range wie das Hermannsdenkmal oder die Wartburg. Es symbolisiert für die Rechte die Essenz deutscher Geschichte. Und diese interpretiert sie bekanntermaßen als einen ewigen Kampf von David (Deutschland) gegen Goliath (Fremde, östliche und westliche Mächte). Ob Lützowsche Reiter beim Auszug zu den Befreiungskriegen, Einzug der geschlagenen Reichswehr im November 1918, der Fackelmarsch am Abend des 30. Januar 1933, Mauerbau und Mauerfall - das Brandenburger Tor ist für die extreme Rechte ein mythischer Ort. Wer sich dieses
Symbols bemächtigt, ringt um Deutungshoheit.

Die "IB" in Deutschland sind eine völkische Popkultur, die erfolgreich die Klaviatur der Medien bespielt, weil sie auf klassische rechtsextreme Symboliken
zu Gunsten anschlussfähiger Inszenierungen verzichtet.

Die "IB" kann nur entzaubern, wer nicht ihre Bilder multipliziert


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IMPULSE FÜR EINE LEBENDIGE DEMOKRATIE

Miteinander - Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt e.V.

David Begrich
Arbeitsstelle Rechtsextremismus

Kommentare
01.09.2016 / 12:53 Pia, Radio Dreyeckland, Freiburg
gespielt im Mittagsmagazin
Vielen Dank, war spannend!
 
01.09.2016 / 18:46 Fabian, LORA München
Gesendet bei LORA 92,4 im Magazin 18-19h
Danke