Kommentar - Söder und Apple, Steuervermeidung ist bayrische Leitkultur

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In Bayern musste ein Kleinstbetrieb 2012 noch durchschnittlich 250 Jahre auf eine Steuerprüfung warten. Daher passt es, dass Markus Söder sich in die aktuelle Steuerrückzahlungsforderung der EU an Apple lautstark einmischt. Ein Kommentar.
Audio
05:10 min, 4842 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 01.09.2016 / 18:23

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Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Fabian Ekstedt
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 01.09.2016
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Apple soll endlich normal Steuern zahlen. Das ist eine Forderung hinter die sich alle stellen können. Nunja, fast alle. Es mag den meisten einleuchten, dass es nicht sein kann, dass das wertvollste Unternehmen der Welt, natürlich gemessen am Börsenwert und nicht an objektiven Fakten oder allgemeinen Nutzen, auf seinen Gewinn in Europa nur 0,005% Steuern in Irland zahlt. Sprich 5 Promille. Die Linke weißt in diesem Zusammenhang zu recht auf den irrsinnigen Abstand dieser Besteuerung zur normalen Einkommenssteuer hin. Selbst wer nur den geringsten Einkommenssteuersatz von 14 % zahlt und vor allem auch zahlen muss, gibt noch immer 2800 mal mehr von seinem Gewinn für Lohnarbeit ab, als Apple das auf seine Gewinne aus globalen Handel und globaler Herstellung der Hard- und Softwareartikel zahlt.
Was habe ich vorhin nochmal gesagt, nur fast alle können sich über diese Ungerechtigkeit echauffieren? Ja, aus Bayern meldet sich mal wieder ein Schrei der unpopulären Meinung. Mit viel Mut springt der eingebildete Kronprinz Bayerns zur Verteidigung des Kalifornischen Lifestyle-Smartphone-Herstellers herbei. Markus Söder, Finanz- und Heimatminister des Bundeslandes, indem Laptop, oder besser Macbook und Lederhosen, zum Motto der eigenen Fortschrittlichkeit erhoben wurde. Eben dieser Markus Söder, der direkt in München selber eine der vielen Tochtergesellschaften des angebissenen Apfels unter seine Steuerzahler rechnen darf, will nichts von den 13 Milliarden Euro Steuernachzahlung wissen. Die forderte vorgestern EU-Kommissarin Margrethe Vestager von Apple ein, für die ungerechte steuerliche Subventionierung eines einzelnen Unternehmens durch das EU-Mitgliedsland Irland. Und weil Irland gleich gesagt hat, dass es das Geld gar nicht möchte, sondern auch lieber weiterhin die Steueroase mit den vielen Arbeitsplätzen bleiben möchte, schob Vestager gleich hinterher, dass auch andere EU-Staaten die Bücher darauf überprüfen sollen, ob sie auch Gelder eintreiben können. Die würden dann von der Steuerschuld Apples gegenüber Irlands abgeschrieben. Dann müssten die Iren nicht ganz allein soviel Geld in ihrem Haushaltsentwurf verplanen. Aber für Deutschland ist das wohl keine Option, so Söder nach einer ersten Prüfung. Er sagte in der Süddeutschen Zeitung, dass es unwahrscheinlich wäre, dass Deutschland aufgrund der Entscheidung der EU-Kommission höhere Steuereinnahmen erhalten würde. Außerdem scheint ihm die Forderung von 13 Milliarden Euro absolut überzogen und wenn er schon dabei ist, zeigt er auch gleich noch seine Enttäuschung, dass es mit TTIP wohl doch nichts wird. Das alles meint er würde die Handelsbeziehungen massiv belasten. Natürlich ist er nicht gegen Steuern, aber gegen Steuereintreibung zu sein, ist so etwas wie ein verbindendes bayrisches Element. Nur so lässt sich erklären, dass es in Bayern so wenige Steuerfahnder gibt, dass ein Kleinstbetrieb noch 2012 durchschnittlich 250 Jahre auf eine Steuerprüfung warten musste. Das ist nicht nur nett für fleißige Steuersparer, sondern auch ein klassischer Standortvorteil im Wettbewerb mit den anderen Bundesländern. Nur eben geschickter gemacht, als die Iren das gerade eben machen. Und weil unser Heimatminister ein waschechter Bayer oder besser Franke ist, aber sein Geschrei bundesweit gehört wird, verpackt er seine Ablehnung der Steuereintreibung auch noch geschickt. So meint er, dass wir faire Steuerregeln brauchen, aber keinen Handelskrieg. Für jeden der in Populismus 1O1 nicht aufgepasst hat, hier die Zusammenfassung. „Fair“ als positives Wort in Abgrenzung zu den bestehenden aber eben nicht so bezeichneten „unfairen“ Steuerregelungen des Bumanns EU. Schon gut, so fängt man einen Satz an. Aber es wird noch besser, denn was braucht man immer, wenn man Aufmerksamkeit will? Na? Natürlich! Angst! Angst, Angst, Angst. Der Treibstoff des Populismus. Und was macht uns Angst? Ganz genau, Krieg. Und ohne das wir es wissen befinden wir uns am Rande eines Wirtschaftskriegs mit den USA. Da zahlt Apple zwar ähnlich wenige Steuern wie in Europa, aber egal. Irgendjemand wird sich schon bedrohlich zu Wort melden. Dumm nur, dass Apple und Trump schon lange zerstritten sind, sonst hätte Markus Söder wohl auch etwas im internationalen Rampenlicht des Donald Trump stehen können. Sie hätten zusammen über die unsägliche Gefahr von Wirtschaftskriegen fabulieren können und ein wenig darüber gestritten, wer von ihnen der Größte und Beste ist. Und dann hätten sie gelacht über all jene, die Steuern zahlen müssen und auf die Rückzahlung von 2000 € warten wie auf das Christkind. Diejenigen die Kassenbons in Schuhkartons sammeln und versuchen noch mit irgendwelchen Abschreibungen, die sie ja schon gezahlt haben, ein paar Euro zurückzubekommen. Und währenddessen werden Milliarden über digitale Konten von einer Insel zur anderen verschoben und in Bayern haben sie wieder einen Steuerfahnder gefunden, der vor 6 Jahren hinter den Aktentürmen auf seinem Schreibtisch verstorben ist.