Die erste soziale Klasse erblickt das Licht der Welt - Byzanz

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Landmonopolisierung, Staatskrisen und Schuldenerlasse (“Jubeljahre”) in der Antike

Vierter und letzter Teil des Beitrages des US-amerikanischen alternativen Ökonomen Michael Hudson. Heute geht es um die Blütezeit und den Zerfall des Oströmischen Reiches - des im Westen von Anfang an abfällig byzantinisch genannten Imperiums des östlichen Mittelmeers.

Und doch war dessen Hauptstadt Konstantinopel 1000 Jahre lang - vom 4. bis zum 15. Jahrhundert -das zivilisatorische Zentrum des so genannten christlichen Abendlandes und etwa um 1000 n.Chr. auch weltweit drittgrößte Metropole kurz nach Kaifeng in China und dem muslimischen Cordoba auf der iberischen Halbinsel.

Grundlage des Wohlstandes war eine landbesitzende freie Bauernschaft - frei im Sinne von frei von Schulden. Kurz vor Ende des spätrömischen Imperiums waren alle Sklaven befreit und die großen Latifundien unter ihren Knechten aufgeteilt worden. Für kurze Zeit im Westen und für länger im Osten war ein fast egalitärer Zustand seiner Landbewohner hergestellt worden, wie ihn jahrtausendelang Mesopotamien, der Nahe Osten und das Antike Griechenland erlebt hatten.

Davon handeln auch die ersten drei Teile von Hudsons Beitrag, die bereits 2016 in SONAR Grundfunk gesendet wurden. Alle vier Teile können auf www.freie-radios.net nachgehört oder nachgelesen werden.

Mesopotamien I: https://www.freie-radios.net/72913
Mesopotamien II: https://www.freie-radios.net/73229
Klassische Antike: https://www.freie-radios.net/79066

Musik aus dem Konstantinopel des Mittelalters gibt es auch: Als die früheste Komponisten des Abendlandes überhaupt gilt die Abtissin Kassiani aus dem frühen 9. Jahrhundert. Der Legenda nach verscherzte sie sich bei der Brautschau des Kaisers Theophilos durch ihr freches Mundwerk die Kaiserinnenwürde und gründete daraufhin ein Frauenkloster in Konstantinopel - ihre Eltern waren wohl recht einflussreich. Ihre Choräle sind auch für Heidenkinder voller spiritueller Harmonie, besonders in der Interpretation der Gruppe VocaMe, die ihr heute zu hören bekommt.

zu Kassia etwa:
https://www.youtube.com/watch?v=ioWWIiG_sHc

(Der Beitrag ist aufgeteilt, damit Musik eingebaut werden kann - oder nicht)

Aktuelle Ergänzung

http://michael-hudson.com/2017/01/the-la...
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Klassifizierung

Beitragsart: Anderes
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Politik/Info
Serie: grund.funk
Entstehung

AutorInnen: Moni und Jörg
Radio: bermuda, Mannheim im www
Produktionsdatum: 25.01.2017
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Der Zusammenbruch von Byzanz

Währenddem die westliche Hälfte des Römischen Imperiums in tiefe Armut versank, nachdem die Hauptstadt im Jahre 396 nach Konstantinopel verlegt worden war, erlebte die östliche Hälfte ab dem 7. Jahrhundert einen wirtschaftlichen Aufschwung und Wohlstand. Gegründet auf die Bewahrung der Stabilität auf dem Land zielte die kaiserliche Politik darauf ab, einen Rückfall durch die zersetzende Wirkung von Zinswucher zu verhindern. Jahrhundertelang verboten kaiserliche Verordnungen - genannt Novellae die Verpfändung von Landbesitz und dessen drohende Monopolisierung durch Großgrundbesitzer und zwar mit der gleichen Begründung, die die Herrscher der Bronzezeit anführten: einer militärischen. Genau wie Babylons Armee dreitausend Jahre zuvor aus den Reihen der freien Bauernschaft gebildet wurde, tat dies auch die byzantinische Armee mit ihren erfolgreichen Kaisern.

Basileios I. (867-886), Begründer der Makedonischen Dynastie, war selbst Bauernsohn und lebte den Großteil seines Lebens in bescheidenen Verhältnissen, bis er überraschend schnell aufstieg und - wider Erwarten ohne nennenswerten Widerstand - das Einnahmensystem und die Gesetze von Byzanz reformierte. Er füllte die Reihen seiner Armee wieder auf, indem er die Schuldscheine insolventer Schuldner verbrennen ließ. Sein Gesetzbuch, die Epanagoge, verbot es Kreditoren, Ackerflächen als Sicherheit zu nehmen. Um das Zurückfallen in ländliche Instabilität zu verhindern, verbot Basileios Zinsen auf Agrarkredite, außer in einer Ausnahmeregelung für das Geld von Waisen und anderen Minderjährigen, das gegen Zinsen zum Lebensunterhalt verliehen werden konnten. Seine Gesetze verboten die Enteignung von Land “wenn nicht zuvor von anderen Mitgliedern der Gemeinschaften individuell oder kollektiv dieses Recht wahrgenommen werden konnte.” (Toynbee 1973:147). Doch sein Nachfolger, Leo VI., erlaubte Zinssätze von 5 Prozent auf den verliehenen Betrag und begründete es damit, dass das Verbot von Hypothekenzinsen eine Belastung für die Ökonomie darstellten. Diese und darauf folgende novellae machten den Weg frei für die breit angelegte Wiederaneignung des Landes (Novella 114 zum Beispiel widerrief das Recht des bevorzugten Zugriffs auf Land durch die lokalen Gemeinschaftsmitglieder).

Was zu einer Revision von Leos ‘marktorientierter’ Philosophie’ führte, war eine Welle von Bankrotten und Hungersnöten auf dem Land. Die Notwendigkeit, neue Truppen zur Verteidigung der Reichsgrenze im Osten aufzustellen, schwor im Inneren die Gefahr herauf, dass Großgrundbesitzer und die Armeen unter ihrem Kommando sich zu einer autonomen Macht entwickeln könnten, die der Herrschaft des Palastes gefährlich werden könnte. Nach einem sechsjährigen Aufruhr nach dem Tod Leos ging die Krone abermals an einen Herrscher niederer Herkunft - an Romanus Lecapenus (919-944). Als Sohn eines Soldaten, der wegen Stärke und Mut ausgezeichnet worden war, gelang es Romanus, sich mit kompetenten Ratgebern zu umgeben.

Brehier (1977:111) beschreibt Romanus als “den ersten Herrscher, der legislative Maßnahmen ergriff, um die verstörende Ausbreitung großer Güter auf Kosten kleiner Besitzungen unter Kontrolle zu bekommen und die militärische Schlagkraft zu erhalten, was wesentlich war zur Verwaltung der Themen, also der Verwaltungsbezirke, und zur Aushebung einheimischer Truppen.” Toynbee (1973:153) gibt einer seiner Novellae wieder, möglicherweise aus dem Jahre 924 nach dem Sieg von Byzanz in seinem östlichen Grenzgebiet. Eine Hungersnot hatte das Land während des Winters 927/928 heimgesucht und viele Bauern gezwungen, ihr Land an wohlhabende Kreditoren zu verpfänden, die wiederum deren Grundstücke in ihre eigenen Besitzungen eingliederten und aus ehemals freien Bauern Knechte machten. Noch im Bewusstsein der Bankrottwelle unter Leo VI. schrieb der Kaiser in der Präambel dies berücksichtigend: “Wir haben nichts unversucht gelassen, Landstriche, Dörfer und Städte vom Feind zu befreien (...) Jetzt, wo wir diese überwältigende Erfolge erzielt haben, der Aggression der fremden Feinde ein Ende zu setzen, wie steht es um die heimischen Feinde in unserer Wirtschaft? Wie können wir es unterlassen hart mit ihnen abzurechnen?”

Diese Frage hätte genauso dreitausend Jahre zuvor in Babylon gestellt werden können.

Die Novella von Romanus aus dem Jahre 934 “geißelt den Egoismus der Mächtigen und annulliert - allerdings ohne die Besitzer von durch Schuldnern enteignetes Land mit einzubeziehen - alle Übereignungen, Geschenke und Erbschaften, die nach 922 getätigt worden waren und bestimmte, dass aller Landbesitz, der für weniger als die Hälfte eines vernünftigen Preises erworben worden war. entschädigungslos zurückgegeben werden musste. Wenn es ausnahmsweise beim Erwerb mit rechten Dingen zugegangen sein sollte, konnte das Grundstück innerhalb von drei Jahren zurückerworben werden, wenn der Kaufpreis zurückerstattet wurde. “Ein kleines Grundstück”, so schrieb der Kaiser, “ist besonders nützlich bei der Entrichtung von Steuern und für den Militärdienst. Alles wäre verloren, wenn es verschwinden würde.” Romanus, selbst Sohn eines Besitzers eines vom Militär zugeteilten Grundstücks, verstand die Bedrohung für die freie Bauernschaft, die den besten Schutz des Staates darstellte.” (so der Historiker Brahier, ob.cit.).

Nachfolgende Kaiser waren nicht mehr so mächtig. In dem Maße wie Kreditoren den Landbesitz monopolisierten, schwächten sie gleichzeitig die Steuerbasis und damit die Möglichkeit eine byzantinische Armee auszustatten. Und als die Spannungen zwischen den verschiedenen Kaisern und den großen Landbesitzern wuchsen, handelte Byzanz geghen seine eigenen Interessen: Um zu verhindern, dass aus den Reihen der großen Landeigentümer Warlords als lokale Kommandeure stark wurden und ihre Truppen gegen Konstantinopel selbst führten, unterließen es die Kaiser ihrerseits die Armee mit den notwendigen Mitteln auszustatten. Auf jeden Fall wurde die EIntreibung von Steuern angesichts der Stärkung der lokalen Autonomie fast unmöglich. Die Landbesitzer begrüßten diese Warlord-Streitigkeiten, weil durch die Schwächung der kaiserlichen Macht die Möglichkeiten der Kaiser, Steuern einzutreiben, geschmälert worden waren. (Wenigstens gab es noch keine öffentlichen Schulden. Diese Errungenschaft zur Erlangung von zusätzlichen EInnahmequellen war eine spätere westliche Innovation).

Konstantin Porohyrogenitus - Konstantin VII. (944 bis 959) erneuerte viele Gesetze von Romanus und versuchte, das Rechtssystem weniger bemittelten Klägern zugänglich zu machen. Nach seinem Tod 959 (möglicherweise vergiftet) ging die Krone an den wenig befähigten Romanus II. (959 bis 963), doch die Dinge wurden stabiler durch die fast 50-jährige Herrschaft von Basil II. (976 bis 1059), der längsten in der byzantinischen Geschichte.

Zu Beginn seiner Herrschaft hatten Militär- und Landaristokratie die Kontrolle über die wichtigsten Beraterposten erlangt und versuchten vor allem - wie das Aristokraten gewöhnlich tun - einen mächtigen Herrscher zu verhindern. Als schließlich zwei Warlords, Bardas Sclerus und Bardas Phocas, das Kaiserreich an sich reißen wollten, kam der junge Kaiser zu der Erkenntnis, dass er, um die Dinge kontrollieren zu können, einen Kampf auf Leben und Tod mit den Grundbesitzern führen musste, Das gelang ihm, indem er das noch freie Bauerntum vor dem Gang in die Knechtschaft und damit in die Gefolgschaft der Landaristokratie bewahrte. Am Neujahrstag 996 schaffte er die Rechtsvorschrift ab, dass ein Besitztitel an Land erst nach 40 Jahren Besitz geltend gemacht werden konnte. Statt dessen bestimmte er, dass alles Land, das nach den Gesetzen von Romanus Lecapenus 922 erworben worden war, entschädigungslos an seine ursprünglichen Besitzer zurückgegeben werden musste, selbst das Land, das die Kirche erworben hatte. Die Präambel zu dieser Novella, die als Bemerkung von Basil selbst gedeutet wird, protestiert entrüstet gegen die Skandale, die von mächtigen Familien wie die der Phocae und der Maleini verursacht wurden, die ungerechtfertigt Landbesitz für mehr als hundert Jahre unter ihre Kontrolle gebracht hatten.

Dieses Gesetz wurde mit äußerster Strenge umgesetzt. Ein gewisser Philokales, der sich große Ländereien zusammengeraubt und sich damit hohe Regierungsposten gekauft hatte, wurde in den Status eines einfachen Bauern zurechtgestutzt und die Autoritäten gingen so weit, die Gebäude die er hatte errichten lassen, wieder abzureißen (Brehier 1977:150).

Basils “Hauptwaffe gegen die großen Ländereien waren die sogenannten Allelengyon - eine Art Reichensteuer für Grundbesitzer. Das Steuersystem, in dem lokale Gemeinschaften gemeinsam verantwortlich eine jährliche Summe für den kaiserlichen Fiskus aufbringen mussten, wurde jetzt dahin gehend geändert, das die finanzielle Verantwortung jetzt ausschließlich den Besitzern der großen Güter aufgebürdet wurde, die Armen dagegen entlastet wurden.” Die führenden Landbesitzer versuchten den Patriarchen Sergius zur Intervention zu ihren Gunsten zu bewegen, blieben aber erfolglos.

Doch Basil II. ähnelte Hammurapi nicht nur mit seiner außergewöhnlich langen Herrscherzeit, sondern auch mit der Tatsache, dass er gezwungen war, ein feudalartiges System als Preis für die Konsolidierung der kaiserlichen Macht zu etablieren, indem er loyalen Unterstützern Steuerbefreiung gewährte. Dies führte letztendlich zur Unterhöhlung der fiskalischen Einnahmen von Byzanz und leitete einen Übergangsprozess hin zur Feudalisierung in dem Sinne ein, dass persönliche Loyalität zum Herrscher mit Abgabenvorteilen belohnt wurden und persönliche Ungnade zu schweren Steuerbürden führen konnte.

Steuerbefreiung für religiöse und andere institutionelle Landeigentümer

Das Problem war keineswegs beschränkt auf die privaten EIgentümer großer Ländereien, sondern erstreckte sich auch auf die Klöster und andere religiöse Institutionen, die eine gewichtige Rolle im oströmischen Imperium spielten (so wie sie das im Westen natürlich auch taten). Wenn beispielsweise byzantinische Beamte aus der bulgarischen Provinz des Imperiums stammten, die schließlich 1018 unter Kontrolle gebracht worden war, sah sich Basil gezwungen, “den Frieden zu gewinnen”, indem er excousseia - Ausnahmeregelungen - erließ. Deren Ursprung kann auf die mittelbabylonischen kudurra zurückgeführt werden, die lokale Städte und Tempelbezirke von der königlichen Besteuerung ausnahmen.. Solche Privilegien, schreibt Oikonomides (1988:321f) sollten die Revolten lokaler Potentaten ersticken, indem die belohnt wurden, die Treue gegenüber dem Herrscher durch Gefolgschaft bewiesen.”

Das war die Wurzel feudaler Privilegien: Lokale Anführer - den Klerus in diesem Fall - abhängig zu machen vom kaiserlichen Willen und nicht allein die Tatsache, dass sie einer Klasse aus steuerbefreiten Grundbesitzern angehörten.

“Was normalerweise ein allgemeines Privileg aller Priester war, verwandelt sich jetzt in ein besondere Gunst für den Erzbischof und betrifft nur eine begrenzte Auswahl von Personen innerhalb seines Einflussbereichs. Die Privilegien von Bari (im griechischen Italien) und Ohrin (in Bulgarien) sind unter dieser Betrachtungsweise identisch.”

Das ganze 10. Jahrhundert hindurch trachteten Kaiser danach, “die Ausdehnung der großen Landgüter - auch der Kirchengüter - besonders unter Nikephoros, Phokas und Basil II. in den frühen Jahren seiner Herrschaft einzudämmen,”, indem sie für Kirchen traditionelle Ausnahmeregelungen von der Fronarbeit abschafften. Dies erstarkte die Position von Byzanz bei der Einnahme von Steuern auf Kosten des Klerus und dessen überlieferten Privilegien. Dennoch, so fügt Oikonomides hinzu (op. cit.: 323-5), “statt die Privilegien komplett abzuschaffen, versuchte der Staat sie durch die Einrichtung einer begrenzten Anzahl von Ausnahmen in jeder Diözese zu kontrollieren. Er behielt sich dadurch das Recht vor, diese Zahl zu erhöhen, wann immer er der Erlangung der Gunst eines Prälates oder irgendeines Bewohners der Region bedurfte,” Bischöfen war es beispielsweise erlaubt, eine genau bezeichnete Anzahl von Ausnahmeregelungen für Individuen ihrer Gemeinde zu gewähren. “Am Ende erzeugte diese neue Regelung automatisch ein Klientelverhältnis zwischen den Prälaten und ihren Untergebenen.” Im Endeffekt, so führt Oikonomides weiter aus, “ war das, was uns wie ein großes Geschenk erscheint, eine Begrenzung der vorher bereits vorhandenen Privilegien “, denn es gab bereits einen Wandel in der spätrömischen Epoche.

Im spätrömischen Kaiserreich bevorzugten die traditionellen Privilegien eine ganze Klasse von Individuen, derweil die ‘Geschenke” von Basil II. alle Wesenszüge mittelalterlicher Privilegien aufwiesen, z.B. Ausnahmeregelungen, die vom Souverän in Vorwegnahme, wenn nicht gar im Tausch für Gefälligkeiten des Empfängers gewährt wurden. Dieser Unterschied ist wesentlich. Mehr noch: Was wie im Falle Byzanz als Begrenzung des Ausmaßes der Privilegien begann, verstärkte am Ende die Lockerung der straffen Strukturen des monarchischen Staates zugunsten der Fliehkräfte der privilegierten Aristokraten, von denen die Kirche ein Teil war. Denn tatsächlich bildete sich die priesterliche Hierarchie überwiegend aus den Abkömmlingen der führenden landbesitzenden Familien. Die spätrömischen Ausnahmeregelungen von Steuerzahlungen wurde dem Klerus und anderen öffentlichen Körperschaften für ihre öffentlichen Aufgaben gewährt “contemplatione dignitatis, atque militiae, laborum contemplatione” - unter Berücksichtigung ihrer Würde, ihrer Hilfe bei der Verteidigung, unter Berücksichtigung ihrer Arbeit. Da diese Privilegien automatisch eine große Anzahl von Menschen betraf, musste ihre Gewährung sparsam erfolgen, ihre Begrenzung klar definiert und genau angewendet werden. Die mittelalterlichen Privilegien dagegen, die aus einer persönlichen und außergewöhnlichen Gunsterweisung erwuchsen, konnten großzügig in jedem einzelnen Fall gewährt werden, ohne ein klares Bewusstsein über die mögliche Anhäufung dieser Privilegien und deren Auswirkungen auf die Staatsfinanzen. Diese Privilegien konnten leicht als erblich verstanden werden, besonders wenn sie an Mitglieder der großen und mächtigen Familien verteilt wurden. Sie wurden leichtfertig und in gro0er Zahl in Zeiten politischer Instabilität gewährt, wenn lokale Magnaten - oder Kirchenvertreter, wie die, die Basils Ausnahmeregelungen empfingen - Einfluss oder selbst Druck auf die zentrale Autorität aufbauen konnten. Ein Verfahren, das eingeführt wurde, um die besonderen Privilegien der Kirche zu begrenzen, endete mit deren Stärkung auf Kosten des Staates.

Die Vorteile solcher Ausnahmeregelungen wurden an die Pächter (paroikoi) weiter gegeben, allerding auf Kosten anderer Grundbesitzer und selbst des Palastes. Wer Kirchenbesitz pachtete, vermied die königliche Grundsteuer (klerikotopion).

“Deren Verschonung von diversen steuerlichen Lasten diente vor allem dem Bischof, der zumindest Teile dieser Steuererleichterung erhielt und dadurch in der vorteilhafteren Position war, für sein Land die zur Kultivierung notwendigen Arbeitskräfte anzuziehen, weil sie ihren künftigen Pächtern vorteilhaftere Bedingungen anbieten konnten als die nicht-steuerbegünstigten Landbesitzer.”

Tatsächlich genossen große religiöse Einrichtungen in fast allen bekannten Gesellschaften steuerliche Begünstigungen, was ihren autonomen Status auf Augenhöhe mit dem Palast - dem Staat - widerspiegeln. Das stellte überhaupt kein Problem in Mesopotamien dar, denn zu Beginn der Bronzezeit statteten die Sumerer ihre Tempel als Mehrprodukt erzeugende Zentren aus, noch Jahrhunderte vor den Ansätzen einer generellen Besteuerung des Gemeinwesens (einfach weil noch kein nennenswerter, Mehrprodukt generiendender privater Sektor entstanden war, der besteuert werden konnte.)

Die Dinge lagen anders in Ägypten, wo man sich um die Seele jedes einzelnen Pharaos mit einem feststehenden Totenkult kümmerte - mit eigenem Begräbnisterritorium und -personal, das Menschen und deren ökonomische Energie aus allen kommerziellen Handlungen der Gesellschaft herauslöste, um diesen öffentlichen Überbau am Leben zu halten, der in ökonomischen Kategorien unproduktiv bezüglich jeglichen Mehrprodukts war. Nach der klassischen Antike, deren Tempel eher rein religiöse denn kommerziell produktive Einrichtungen waren, sah der Übergang in feudale Verhältnisse im späten Mittelalter diese Institutionen produktiv nur im Sinne ihrer spirituellen, nicht in der kommerziellen Welt.

Bezeichnend ist ebenso, dass die ersten Lockerungen im kommunalen Erbrecht der Mittelalters von den christlichen Kirchen veranlasst wurden. Im Gegensatz zur gängigen Praxis von Babylonien bis Byzanz, wo arme Pächter ihr Land ihren Gläubigern vermachten, gaben wohlhabende Aristrokraten jetzt ihr Land der Kirche - um die eigene Seele zu retten. Diese Besitzungen schieden aus der königlichen Steuerdomäne aus - bis dass Heinrich VIII. den Trend in einer Art vorweggenommener Thatcher-Privatisierung von Englands Klöstern umkehrte.

Landmonopol führt zur militärischen Niederlage

Im 11. Jahrhundert war die Einnahmesituation des byzantinischen Kaiserreiches derart geschwächt, dass es sich nicht selbst verteidigen konnte. Die letzte Bastion gegen den Landadel - und natürlich gegen Feinde an den Außengrenzen - wurde von der Comneni-Dynastie, begründet durch Alexius (1081 bis 1118) errichtet. Dennoch waren deren Position von Anfang an geschwächt. “Selbst Teil des Adels, sahen sie ab von der herkömmlichen Offensive der Zentralregierung gegen die großen Landbesitzer und, um ihre dynastische Macht zu konsolidieren, förderten sie die Alimentierung des nicht-regierenden Adels und die unbegrenzte Vermehrung des klösterlichen Landbesitzes, schwächten aber dadurch die Autorität des Staates (so der Historiker Brehier (1977:202).

Um das Jahr seiner Thronbesteigung abzusichern, enteignete Alexius eine Reihe von Adligen, die der Verschwörung überführt waren, er machte Schenkungen oder charisticia zugunsten von Individuen zu Lasten von klösterlichen Besitzungen im Austausch von Militärdienst von deren Pächtern (den paroikoi), er verschärfte die Besteuerung und verminderte den Wert der Münzen”. Das allerdings machte ihn so unpopulär, dass die “Bewohner der Provinzen die Herrschaft der Barbaren der von Byzanz vorzogen und so etwa die Städte Thrakiens den feindlichen Comanen ihre Tore öffneten” (so Bashier:207).

Unfähig Steuern zur Aufstellung eines königlichen Heeres zu erheben und gleichzeitig voller Angst, die Truppen in die Hände von Kommandeuren fallen zu lassen, die erblich aus den Reihen der oberen Aristokratie gestellt wurden, besaßen die byzantinischen Kaiser wenig Ressourcen, um dem Druck sowohl der Türken, die die Kontrolle über die östlichen arabischen Staaten erlangt hatten als auch dem der Normannen, die im Bündnis mit Venedig und Genua mit ihren Schiffen und den deutschen Kaisern in losem Bündnis mit den Päpsten von Italien aus drängten, etwas entgegensetzen zu können. Gleichzeitig setzten die Kreuzzüge mächtige Truppen für ihren Zug von Westeuropa über Byzanz ins Heilige Land in Bewegung.

Im Jahre 1204 fiel Byzanz gegenüber einer kleinen Armee von Kreuzzüglern, die Konstantinopel plünderten im Auftrag ihrer venezianischen Gläubiger, mit denen sie die Aufteilung der Beute zur Finanzierung der Seestreitkräfte gegen Byzanz vereinbart hatten. Und in der Tat war die Plünderung von Konstantinopel die zu erwartende Konsequenz der ökonomischen Erosion im 11. Jahrhundert, als die Kaiser die katastrophale Politik verfolgten, die Armee zu verkleinern aus Angst, die lokalen Landeigentümer, die gleichzeitig Armee-Kommandeure waren, könnten die Truppen gegen sie selbst führen. Sie schafften es nicht Wohlstand für alle ohne ökonomische Polarisierung zu generieren - eine Polarisierung, die schließlich verhinderte, dass die Nobilität von ihrem Versuch der Schwächung der Zentralmacht, der Reichtums- und Landvermehrung und letztlich vom Königsmord abgehalten werden konnte.


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