ALLES ZAPATERO, ODER WAS? - Radio Chapapote

ID 8118
 
Homosexuelle werden gleichberechtigt, Bischöfe proben den Aufstand und für MigrantInnen, die nach Spanien kommen wollen, ändert sich eigentlich nichts - wohl aber für die, die schon da sind. Seit einem halben Jahr ist die Regierung Rodríguez Zapatero nun im Amt. Ein Zwischenbericht. Kritik, Kommentare und Vorschläge bitte an: RadioChapapote@yahoo.es
Audio
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mp3, 0 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 06.11.2004 / 01:21

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Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Schwul, Religion, Internationales
Serie: Zwischen Ceuta und La Jonquera
Entstehung

AutorInnen: Johannes Mahn
Radio: WW-TÜ, Tübingen im www
Produktionsdatum: 06.11.2004
keine Linzenz
Skript
"Gibt man zu einem Apfel einen Apfel hinzu, so hat man zwei Äpfel. Aber ein Apfel und eine Birne können niemals zwei Äpfel sein. Sie sind zwei verschiedene Bestandteile. Zwei Männer oder zwei Frauen sind keine Ehe."
Diese alles andere als schlüssige Argumentation stammt von Ana Botella. Sie ist die Ehefrau des spanischen Ex-Premiers José María Aznar und zudem hauptamtliche Stadträtin in Madrid. Ihr eben erwähntes Obstsalat-Zitat gegen das Adoptionsrecht von homosexuellen Paaren ist nur eine der vielen Stilblüten, die die spanische Konservative in letzter Zeit von sich gegeben hat.


Denn Spaniens Rechte wähnt sich angesichts der sozialdemokratischen Regierung unter José Luís Rodríguez Zapatero in einem Kulturkampf. Oder wie es Jesús García Burrillo, der Bischof von Ávila in einem Hirtenbrief formuliert: "Was die Bräuche des spanischen Volks betrifft, so haben wir eine Art heftiges kulturelles Erdbeben erlebt." Und weiter heißt es: "Es ist nicht leicht, in der Geschichte in einem so kurzen Zeitraum so viele Veränderungen zu finden, die die Jahrhunderte alte Sittlichkeit eines Volkes betreffen, es sei denn in Zeiten von Staatsstreichen."
Freilich, ein solches Zitat beweist gleich dreierlei: erstens, wie dreist sich hier die katholische Elite die Geschichte zurecht biegt und sich selbst die Opferrolle zuschiebt - denn der letzte erfolgreiche Staatsstreich in Spanien war der von Franco im Jahre 1936. Und kaum jemand profitierte mehr von Francos Putsch als die katholische Kirche. Nur der Vatikan kann noch zynischer und tatsachenverdrehender formulieren. Dort wähnt man sich in letzter Zeit einer neuen Inquisition ausgesetzt, die sich gegen die katholische Kirche richte.
Zweitens belegt das Zitat, dass die Regierung unter Rodríguez Zapatero offenbar tatsächlich dabei ist, Reformen durchzuführen, die einen solchen Namen auch verdienen. Warum sonst wäre der Klerus derart am Rotieren?
Und drittens zeigt das Zitat, dass ein Vorgehen gegen die Privilegien der Kirche längst überfällig ist, da die katholische Kirche - in Spanien genauso wie in anderen Ländern - ein reaktionärer, homophober Haufen ist.


Ein weiterer Beweis für diese These gefällig? Jesús Catalá, seines Zeichens Bischof von Alcalá de Henares, äußerte jüngst in einem Zeitungsinterview seine Meinung zu Homosexuellen: "Nennen wir die Dinge beim Namen: sie sind verkehrt herum. Vor zwanzig Jahren sagten Jugendliche, wenn sie Homosexuelle beleidigen wollten: ‚Schwuchtel, du bist verkehrt herum'. Sojemand hat die Tendenz seines Geschlechts umgekehrt. Das ist eine psychologische Anomalie." Homosexualität sei also erlernt und könne daher genauso gut wieder abgelegt werden. "Ich kenne Jugendliche, die homosexuell sind. Und wissen sie warum? Weil sein Vater ein Säufer war und der Sohn gesagt hat, ‚Ich will niemals so wie Papa sein'". "Ein von einem homosexuellen Paar adoptiertes Kind wird mit einer 80-prozentigen Wahrscheinlichkeit selbst zum Schwuchtel." Das Resümee des Bischofs ist demgemäß ein regelrechtes Schreckensszenario für fundamentalistische Katholiken: "Die vorgeschlagenen Maßnahmen werden negative Auswirkungen haben, die die gesamte Gesellschaft betreffen. Wahrscheinlich wird es mehr Homosexuelle geben."


In letzter Zeit wurde ich öfters gefragt, wie sie denn nun wirklich sei, die Regierung Rodríguez Zapatero. Ob die taz und die Frankfurter Rundschau sie zurecht in den Himmel loben?
Nun, es kommt ganz darauf an, welcher Politikbereich gerade betrachtet wird. Im Kampf gegen die Diskriminierung von Frauen sowie von Homosexuellen hat die neue Regierung in der Tat schon einiges bewegt. Nicht nur symbolische Schritte, etwa das zu gleichen Teilen aus Männern und Frauen bestehende Kabinett Rodríguez Zapatero, sondern eben auch handfeste Gesetze wie das Recht Homosexueller auf Ehe inklusive Adoption.
Hier trägt die Regierung ihren guten Ruf also zurecht und stellt damit unter Beweis, was im rotgrünen Deutschland schon beinahe undenkbar scheint: dass Reformen, ganz so wie es der Duden definiert, eine Verbesserung des Bestehenden sein sollen.



Wer nach den Ursachen für die im europäischen Vergleich fortschrittliche Politik der Regierung Rodríguez Zapatero forscht, muss seine Suche bei den Madrider Attentaten vom 11. März beginnen. Denn auch wenn es die spanische sozialdemokratische Partei PSOE nicht gerne hört: ohne die blutigen Attentate und das katastrophale Krisenmanagement der Regierung Aznar, wäre Zapatero heute allenfalls Oppositionschef, wenn überhaupt. Ein Wahlsieg der Sozialdemokraten schien noch am 10 März, also vier Tage vor der Wahl, völlig ausgeschlossen. Zapateros Siegeszuversicht wurde bestenfalls müde belächelt.
Denn, um es einmal ganz platt zu sagen: José Luís Rodríguez Zapatero war eigentlich nicht dafür bestimmt, zum spanischen Regierungschef aufzusteigen. Zum Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten der Sozialdemokraten war er nur als Kompromisskandidat gewählt worden.
Und genau darin liegt nun Zapateros Stärke. Anders als etwa Schröder ist Zapatero kein skrupelloser Machtpolitiker, der sich von unten nach oben durchgekämpft und dabei ein Ideal nach dem anderen aufgegeben hat. Zapatero gelangte unerwartet an die Parteispitze und ebenso unerwartet ins Regierungsamt. Dementsprechend hat er also noch tatsächlich Visionen und Ideale, für die er sich einzusetzen bereit ist.


Freilich bedeutet all dies aber noch längst nicht, dass es an der derzeitigen spanischen Regierung, die übrigens eine Minderheitsregierung ist, nichts zu kritisieren gäbe. Wie schon zuvor erwähnt, es kommt ganz darauf an, welcher Politikbereich näher unter die Lupe genommen wird. So wurden zwar die spanischen Truppen aus dem Irak abgezogen, allerdings nur, um verstärkt spanische Soldaten nach Afghanistan zu schicken.
Ein anderes Beispiel ist die europäische Verfassung. Der Entwurf, der eine Aufrüstung ebenso verbindlich vorschreibt wie den kapitalistischen Charakter der EU, lag - bedingt durch die Regierung Aznar - lange Zeit auf Eis. Zapatero dagegen ist begeisterter EU-Verfechter und lässt sich gerne zusammen mit Schröder und Chirac fotografieren, die er für das gute, alte Europa hält. Folglich beendete er die spanische Blockadepolitik gegenüber der Verfassung und setzt sich mit großer Leidenschaft für den reaktionären Entwurf ein, der letztens in Rom unterzeichnet wurde.


Ebenso europäisch ist auch die Abschottungspolitk an der spanischen EU-Grenze: 130 Millionen Euro hat die Regierung Zapatero für die Hochrüstung der Grenze zur Verfügung gestellt. Vor allem die andalusischen Küstenabschnitte Costa del Sol und Costa de la Luz sowie die Kanarischen Inseln Lanzarote und Fuerteventura sollen lückenlos mit einem Netz von High-Tech-Überwachungsstationen überzogen werden. Die so genannten mobilen Überwachungseinheiten der paramilitärischen Guardia Civil sollen von derzeit zwei auf demnächst 13 aufgestockt werden. Ebenso sollen die Küsten-Patroullienboote von fünf auf elf und die hochseetauglichen Patrouillenschiffe von drei auf sechzehn erweitert werden. Die Schnellbootflotte soll gar von heute neun auf demnächst 44 anwachsen. Hinzu kommen Hubschrauber, Nachtsichtgeräte, Flugzeuge und so weiter.

Verkauft wird diese beeindruckende Aufrüstung der Grenze unter dem Label der Humanität. Angeblich lassen sich so weitere Todesfälle vermeiden, indem die zerbrechlichen Kähne, mit denen die Migranten Richtung Spanien in See stechen, rechtzeitig vor dem Kentern erfasst und ihre Insassen gerettet werden können. Doch unter dem menschlichen Deckmäntelchen verbirgt sich nur Kalkül. Werden die Flüchtlingsboote noch auf See aufgebracht, können die MigrantInnen umgehend zurück nach Marokko abgeschoben werden.

Dass die Mär von den humanitären Motiven der Grenzaufrüstung nicht stimmt, belegt auch die Entwicklung der letzten Jahre: Mit der zunehmenden Überwachung der Meeresenge von Gibraltar verlagerten sich die Routen der Migrantenboote immer weiter in Bereiche, in denen die zurückzulegende Überfahrt ungleich länger ist. So befinden sich die Kanarischen Inseln rund hundert Kilometer vor der afrikanischen Küste. Die Küste von Almería, die immer häufiger das Ziel von Migrantenbooten ist, liegt bereits rund 150 km Luftlinie von Marokko entfernt. Es ist also zu vermuten, dass die Überfahrten nach Europa nur immer noch länger und dementsprechend gefährlicher werden. Galt bisher speziell die Straße von Gibraltar als Massengrab, wird demnächst wohl das gesamte westliche Mittelmeer zu einem Friedhof werden.


Immerhin bietet die Regierung Rodríguez Zapatero wengistens den MigrantInnen, die es bereits nach Spanien geschafft haben, eine kleine Perspektive. Anfang 2005 startet eine Legalisierungskampagne. Dann können diejenigen, die derzeit keinen legalen Aufenthaltsstatus haben, Papiere beantragen, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen. So müssen sie etwa seit mindestens einem halben Jahr in ihrer jeweiligen Gemeinde gemeldet sein und einen Arbeitsvertrag vorlegen, der mindestens noch ein halbes Jahr gültig ist. Auch dann bekommen sie lediglich Papiere für ein Jahr. Viel ist das also nicht. Dennoch wird damit gerechnet, dass rund 800.000 derzeit illegalisierte MigrantInnen von dieser Regelung profitieren werden.
Natürlich wird auch diese Kampagne nicht aus humanitären Gründen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen durchgeführt. Das macht schon der erforderliche Arbeitsplatznachweis ersichtlich. Trotzdem ist die Kampagne ein Schritt in die richtige Richtung. Ein ähnlicher Schritt ist in Deutschland schon längst überfällig und könnte die Situation vieler illegalisierter MigrantInnen erheblich verbessern.



Originalzitate:

Si se suman una manzana y una manzana, son dos manzanas, pero una manzana y una pera nunca pueden ser dos manzanas. Son componentes distintos. Dos hombres o dos mujeres no es un matrimonio.

Hemos vivido una especie de violento terremoto cultural, en lo que afecta a las costumbres del pueblo español.

No es fácil encontrar en la historia, en tan corto espacio de tiempo, tantos cambios que afectan a la moralidad que un pueblo ha mantenido como inapreciable valor durante siglos, a no ser en momentos de golpe de Estado.

Digamos las palabras: son unos invertidos. Hace 20 años los jóvenes, para insultar al homosexual, le decían maricón. "Eres un invertido". Ha invertido la tendencia de su sexo. Eso es una anormalidad psicológica.

Conozco a jóvenes que son homosexuales, y ¿sabes por qué? Porque su padre era un borracho, y el crío ha dicho "yo jamás quiero ser como papá."

Ese niño que le adopta una pareja homosexual, muy probablemente, hasta el 80 por ciento de probabilidades, saldrá maricón.

Las medidas propuestas tendrán consecuencias negativas que afectarán a toda la sociedad. Habrá más homosexuales, probablemente.