AfD Thüringen mit Sonderplenum im Landtag (Kommentar, spielbar 17.08.2017)

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"Terror von links verhindern und verfolgen" und "Politischer Gewalt entschieden entgegen treten" - so die Anträge der AfD-Fraktion für das von ihr einberaumte Sonderplenum im Thüringer Landtag. Sie will damit auf der Welle des Feindbilds nach G20 mitschwimmen: Die Linksextremisten. Das Plenum wurde von der AfD direkt nach dem G20-Gipfel beantragt. Doch auch in der Vergangenheit äußerte sie sich immer wieder beleidigend gegenüber dem politischen Gegner. So wird sie auch in diesem Plenum den anderen Fraktionen vorwerfen, "das demokratiegefährdende Potential linker Ideologie" zu verkennen.
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07:22 min, 13 MB, mp3
mp3, 249 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 15.08.2017 / 20:29

Dateizugriffe: 1963

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Raphael
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 15.08.2017
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Der G20 Gipfel in Hamburg war gerade vorbei, da gab die AfD-Fraktion in Thüringen bekannt: Sie will ein Sonderplenum des Parlaments zum Thema „politische Gewalt“. Das gab die Fraktion um Björn Höcke am Montag nach dem Gipfel bekannt. An spätestens eben diesem Montag begann eine große Gewaltdiskussion. Das ganze Gipfelwochenende über bestimmten Bilder von brennenden Autos und Barrikaden die Schlagzeilen. In den meisten deutschen Medien wurde zuerst von den Ausschreitungen, dann vom eigentlichen G20-Gipfel berichtet. Die friedlichen Demonstrationen wurden eher am Rande erwähnt.
Das Sonderplenum der AfD passt gut zur Stimmung kurz nach dem Gipfel.
Zur Erinnerung: Die BILD-Zeitung veröffentlichte am Montag nach dem Gipfel unverpixelte Bilder von vermeintlichen Straftäter*innen. Eine ganze Reihe von Politiker*innen distanzierten sich öffentlich von „der Gewalt“. Hamburgs Oberbürgermeister Olaf Scholz bezeichnete die Aussagen von Sprechern der Roten Flora als einer „Demokratie nicht würdig“. Zwei Tage später bestritt Olaf Scholz, dass es in Hamburg auch unverhältnismäßige Gewalt durch die Polizei gegeben habe.

„Polizeigewalt hat es nicht gegeben, das ist eine Denunziation, die ich entschieden zurückweise.“

Die offizielle Darstellung durch Polizei, Medien und Politik: Hamburg erlebte einen bisher beispiellosen Ausbruch linksextremer Gewalt. Die Polizei konnte sich nur mit Mühe und mit martialischen Mitteln dagegen wehren.

Für das heutige Sonderplenum stellte die AfD zwei Anträge: „Politischer Gewalt entschieden entgegen treten“ sowie „Terror von links verhindern und verfolgen“. Für die AfD sind die Hamburger Ereignisse Ergebnis einer Weigerung „sich mit der Gefahr durch den Linksextremismus auseinanderzusetzen.“ Auch in Thüringen sei die linksextreme Szene unter Rot-Rot-Grün weiter erstarkt. Die Landesregierung sei nicht willens, das „demokratiegefährdende Potential linker Ideologie“ zu erkennen.

Mit diesem Antrag schwimmt die AfD sicherlich auf einer Welle mit. Denn vor allem unmittelbar nach G20 schien sich die Bundesrepublik auf ein neues Feindbild geeinigt zu haben: Von den Identitären über die CDU, SPD und Grüne, bis zur Linkspartei und der Interventionistischen Linken, schimpften alle auf linksextreme Steineschmeißer.
Interessant hierzu die Einschätzung von Außenminister Sigmar Gabriel am Sonntag nach dem Gipfel:
„Alle angeblichen politischen Motive für diese Orgie an Brutalität sind verlogen und sollen nur das Deckmäntelchen dafür sein, worum es den Tätern aus allen Teilen Europas ging: um Gewalt an sich. Die Täter unterscheiden sich überhaupt nicht von Neonazis und deren Brandanschlägen. Mit angeblich ‚linken Motiven‘ hat das alles nichts zu tun“
So Vizekanzler Sigmar Gabriel in der Bild am Sonntag.

Er ebnet mit solchen Aussagen auch der AfD den Weg für ihr Sonderplenum. Sie will, dass der Landtag sich geschlossen „gegen alle Arten der politisch motivierten Gewalt ausspricht“
Für Gabriel ist das Problem weniger, dass in Hamburg Gewalt als Mittel für einen bestimmten Zweck eingesetzt wurde – er erhebt den Vorwurf, dass es sich um „Gewalt an sich“ gehandelt habe. Gerade die inhaltslose, nicht durch einen Zweck bestimmte Gewalt sei ein Merkmal, das autonome Krawallmacher mit gewalttätigen Neonazis gleichstellt. Das verrät eine interessante Sicht, die der Vizekanzler offensichtlich auf Neonazis hat: Die greifen also nicht deswegen Menschen an und werfen Brandsätze, weil sie ein Problem mit Migranten haben, weil sie eine rassisch homogene Gesellschaft durchsetzen wollen – sondern weil sie der Gewalt an sich fröhnen.
Apropos Neonazis: Eine Woche nach dem G20-Gipfel fand in Thüringen das größte Neonazi-Konzert des Jahres statt. Über 6.000 Rechte kamen in Themar auf der Wiese des ehemaligen AfD-Mitglieds Bodo Dressel zusammen. Gedeckt durch das Versammlungsrecht konnten sie sich treffen um Hitlergrüße zu zeigen, Rudolf-Hess-Sprechchöre zu rufen und Sieg Heil zu grölen.
Diese rechte politische Gewalt wird die AfD im Sonderplenum wohl nicht fokussieren wollen. Dabei war erst kurz vor dem G20-Gipfel die Landesvize Steffi Brönner von ihrem Posten zurückgetreten. Grund sei die rechtsnationale Dominanz im thüringischen Landesverband. Auch die Rolle Bodo Dressels bei der Grundstücksvermietung in Themar kritisierte sie. Brönner sieht Björn Höcke als einen „verwirrten Geschichtsromantiker“.

Heute also das Sonderplenum im Thüringer Landtag zum Thema „politische Gewalt“ und „Terror von links verhindern“. Die AfD-Fraktion äußerte sich in der Vergangenheit immer wieder zu Linksextremismus, nach Zuwanderung und Islam eines ihrer Lieblingsthemen. Stephan Brandner sprach schon Anfang letzten Jahres auf einer Demonstration abfällig und beleidigend über die politischen Gegner*innen:

"Besoffene, krakeelende Horden der linksfaschistischen Schlägertrupps. Berufsdemonstranten und Straßenschläger, die aus den Steuergeldern der Ramelow-Regierung ihren Judaslohn erhalten und damit ihr Billig-Bier und ihren Fusel einkaufen."

Doch nicht nur auf Demonstrationen, auch im Parlament ist der Spitzenkandidat für die Bundestagswahl für seine Ausfälle bekannt. Das Feindbild in Thüringen ist, genau wie bei Thüringer Neonazis, die LINKEN-Abgeordnete Katharina König-Preuss. Sie ist Tochter des Jenaer Jugendpfarrers Lothar König. Stephan Brandner im Februar diesen Jahres im Thüringer Landtag:

"Selbst Jena, gelegen bekanntlich im Tal der Könige und Wohnsitz einer bekannten linken Spinne im entsprechenden Netzwerk ist noch nicht Leipzig. Obwohl es die dortigen linken Verführerinnen gern hätten. Jena ist auf dem besten bzw. schlechtesten Wege, zum Thüringer Vorzeigegehege für die Gesellschaft verlorene Rotfaschisten zu werden."

Fraktionschef Höcke sieht eine ganze Reihe der Abgeordneten der LINKEN als Mitglieder linksextremer Vereinigungen. Er nannte dabei in einer Landtagsrede die Abgeordneten Christian Schaft, Susanne Hennig-Wellsow, Katharina König-Preuss, Johanna Scheringer-Wright, Steffen Dittes und auch Minister Immanuel Hoff.

Ähnliches ist auch im heutigen Sonderplenum zu erwarten. Die AfD wird den anderen Fraktionen vorwerfen, nicht entschieden gegen Extremismus einzutreten. Sie wird bestreiten, selbst der extremen Rechten nahe zu stehen. Sie wird betonen, als einzige Partei wirklich hinter der Polizei zu stehen und sich für Recht und Ordnung einzusetzen.
Sie schwimmt dabei auf einer Welle der pauschalen Kritik an linkem Aktivismus. Dass Höcke, Brandner und die anderen an keinem vernünftigen Austausch mit dem politischen Gegner interessiert sind, haben sie häufig genug gezeigt.
Allerdings hat sich der Diskurs, seitdem die AfD den Antrag für das Sonderplenum gestellt hat, auch ein wenig geändert. Dass es in Hamburg keine Gewalt seitens der Polizei gegeben habe, sagen und schreiben immer weniger. Von der AfD ist aber mit Sicherheit keine Kritik am Vorgehen der Polizei zu erwarten.