"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Drachen

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Mich erinnern die Vorgänge in Zimbabwe ja eher an einen Exorzismus als an einen politischen Akt. Jemand hat mal gesagt, dass die Alten dort großen Respekt genössen, weshalb man den Mugabe nicht einfach so versenkt, ersäuft, erschossen oder gehängt, sondern ganz sanft über dreißig Jahre hinweg von seinen politischen Ämtern entfernt hat, aber egal, es ist vollbracht, und in diesem Zu­sam­menhang wollen wir uns gemeinsam des Direktors der Weltgesundheitsorganisation er­in­nern, Tedros Adhanom Ghebre Jesus, den Malariaspezialisten aus dem heute zu Eritrea gehörenden Teil Äthiopiens, welcher vor ein paar Wochen Robert Mugabe die Ehrendoktorwürde der Welt­gesund­heitsorganisation verliehen hat.
Audio
11:06 min, 6400 kB, mp3
mp3, 78 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 21.11.2017 / 12:08

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Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung

AutorInnen: Albert Jörimann
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 21.11.2017
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Mich erinnern die Vorgänge in Zimbabwe ja eher an einen Exorzismus als an einen politischen Akt. Jemand hat mal gesagt, dass die Alten dort großen Respekt genössen, weshalb man den Mugabe nicht einfach so versenkt, ersäuft, erschossen oder gehängt, sondern ganz sanft über dreißig Jahre hinweg von seinen politischen Ämtern entfernt hat, aber egal, es ist vollbracht, und in diesem Zu­sam­menhang wollen wir uns gemeinsam des Direktors der Weltgesundheitsorganisation er­in­nern, Tedros Adhanom Ghebre Jesus, den Malariaspezialisten aus dem heute zu Eritrea gehörenden Teil Äthiopiens, welcher vor ein paar Wochen Robert Mugabe die Ehrendoktorwürde der Welt­gesund­heitsorganisation verliehen hat.
Konkret hat er ihn zum Goodwill-Botschafter für die WHO ernannt, und zwar für volle drei Tage, während welcher die Welt staunte und sich fragte, wo Kame­rad Te­dros Adhanom Ghebre Jesus die 500'000 Dollar wohl versteckt hat, welche ihm dieser kleine Freundschaftsdienst verschafft hat.

Das erinnert mich an eine andere Personalie: Was macht eigentlich Hayden Panettiere? Am 14. No­vember gab sie über Twitter bekannt, dass die nächste Staffel der Countrymusik-Serie «Nashville», in welcher sie eine Countrymusicerin gibt, am 4. Januar 2018 beginnen wird. «Nashville» war ur­sprüng­lich ein Produkt des Walt-Disney-Kanals ABC, ging im letzten Jahr aber an den Country­sen­der CMT über. Drei Tage nach Panettieres Ankündigung der neuen Staffel teilte CMT mit, dass die Serie eingestellt wird. Naja, sie läuft halt auch schon seit 5 Jahren. Daneben erreicht mich jetzt die dringende Mitteilung vom 13. März dieses Jahres, dass Haydens Tochter Kaya Evdokia auf einem Inlandflug in der Toilette neben das Töpfchen gepinkelt hat. Hayden hat das Ganze sofort foto­gra­fiert und auf Facebook gestellt. In der gleichen Mitteilung ist zu lesen, dass das Kaya-Kind bereits in der Muttersprache ihres ukrainischen Vaters und doktorierten Boxers Wladimir Klitschko flüssig ist, nämlich – nein, nicht in Ukrainisch, was auch immer das für eine Sprache sein mag, sondern auf Russisch. Ich ahne nichts Gutes! Die Klitschkos arbeiten an der Russifizierung der Ukraine! Kaya Evdokia wird bereits konditioniert für die Rolle der Julia-Timoschenko-Nachfolgerin als Regie­rungs­chefin in zirka achtzehn Jahren, in einer Zeit also, in welcher sämtliche politischen Ämter in der Ukraine im Rahmen von TV-Serien gecastet und und vergeben werden. Berlusconi – Trump – Kaya Evdokia Panettiere Klitschko!

Sodann bin ich euch noch die Fortsetzung meiner Buchkritik von Daniel Kehlmanns neuem Roman Tyll schuldig. Nach den ersten bedeutungslosen 40 Seiten nimmt die Erzählung unglücklicherweise immer noch keine Fahrt auf, sondern kocht weitere 100 Seiten lang die altbekannten Stereotypen von Inquisition, Folter und Hexenverbrennerei auf, wobei das zentrale Verdachtsmoment, nämlich der Besitz von Büchern, historisch gesehen doch eher ins 14. Jahrhundert zu verorten wäre als ins 17., wo die Buchdruckerkunst ihren Schaden doch schon längst in der Breite der Bevölkerung angerichtet hat. Aber sei's drum, so ab Seite 170 beginnt der Roman tatsächlich ein Roman zu werden beziehungsweise beginnt der famose Erzähler Kehlmann tatsächlich famos zu erzählen von einer sehr dunklen Welt, in welcher zum Teil sehr seltsame Vorstellungen herrschen, zum Beispiel jene, dass in Norddeutschland zwingend Drachen leben müssen, weil man da noch nie einen gesehen hat, denn genau das zeichnet den richtigen Drachen aus, dass man ihn nämlich nicht sieht. Diese halbe Allegorie kann man übrigens durchaus nicht den Verschwörungstheorien gleichsetzen, denn diese beruhen sozusagen auf der Sichtbarkeit des Drachens, auch wenn die Beweise für seine Sichtbarkeit gefälscht sind.

Aber wie auch immer: So schön und gut die erwähnte Erzählkunst dann auf ein paar Geschichten angewandt wird, so wenig ergibt sich ein Zweck oder Sinn daraus, geschweige denn eine größere Einheit; vielmehr verhält es sich so, dass die namensgebende Figur Till Eulenspiegel emblematisch steht für diesen Mangel. Sie kommt aus dem Nichts, sie ist gar nicht da und löst sich per Ende Buch auch wieder auf. Da es sich bei dieser Figur bequemerweise um einen Narren handelt, kann sich Kehlmann zur Not noch dahingehend heraus reden, er hätte sich bloß einen großen Spaß machen wollen mit der geneigten Leser- und vor allem Kritikerinnenschaft, aber das stimmt natürlich nicht. Und so lautet das Urteil: Dieses Buch ist missglückt, und zwar nicht einmal großartig missglückt, sondern bloß einfach.

Was hatten wir sonst noch? Ach ja, das Scheitern der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU, den Grünen und der FDP. Der Lindner benimmt sich aus dem Stand heraus wieder so, als wären die Liberalen nie weggewesen von den Schalthebeln der Macht, als wäre er wieder der Kanzlermacher wie seinerzeit die Lambsdorffs und Genschers und Scheels. Früher hätte man gesagt, dass so etwas von den Wählerinnen und Wählern nicht goutiert wird, aber in den Zeiten von Trump und Poroschenko und Heinz-Christian Strache kann man sich da gar nicht mehr sicher sein. Abgesehen davon muss es offenbar nicht zwingend zu Neuwahlen kommen, wie ich mich belehren habe lassen, und damit gibt es in Deutschland für einmal doch Raum für gewisse Spekulationen. Das belebt das politische Klima mindestens ebenso wie die AfD, von welcher ich unsere Schweizer Vertreterin Frau Weidel habe sagen hören, dass die Koalitionsverhandlungen dem deutschen Steuerzahlenden gewaltige und unnötige Kosten verursacht hätten. Ich hoffe, dass Moody's euer Land deswegen nicht grad um zwei Grad zurückstuft oder gar auf Junk stellt.

In der Türkei laufen gegenwärtig unzählige Prozesse auf Hochtouren als Folge des Putschversuchs vor einem Jahr. Es ist mir absolut unmöglich, mir einen Überblick über den Verlauf und die Urteile zu verschaffen. Ich gehe davon aus, dass der Staat zwischen dreißig und fünfzig Prozent der Ange­klagten in erster Instanz verurteilen wird, um sein Gesicht nicht zu verlieren, ganz unabhängig von den konkreten Vorwürfen, welche zum Teil an die vorher erwähnten Beweise der Existenz von Dra­chen erinnern: Wenn einem Angeklagten keine Tat rechtskräftig nachgewiesen werden kann, dann muss es sich um einen besonders gefährlichen Täter handeln, der seine Taten sogar vor dem Auge der Justiz zu verschleiern weiß. Dagegen höre ich, dass die eh schon in ihren Beständen zur Ader gelassene beziehungsweise zur Hälfte inhaftierte Redaktion der Zeitung Cumhurriyet von Pre­mier-minister Yildirim angeklagt worden ist, weil sie im Rahmen der Veröffentlichung der Paradies Papers die Steueroptimierungsmanöver seiner Söhne aufgezeigt hat. Eins steht fest: Für Menschen mit einem Bedürfnis nach Schwarz-Weiß-Mustern ist die Türkei ein stabiler Garant für ein solches Weltbild. Soviel Blödsinn, soviel Arschlöcher auf einem Haufen, das ist weltweit nur selten anzutreffen. Premierminister Yildirim belegt immerhin, ähnlich wie zuvor schon der Erdogan-Präsidententrottel, dass die Türkei unter der AKP keineswegs etwa islamisch oder islamistisch wird, sondern sie ist in der Zwischenzeit wieder ganz schlicht und einfach genauso türkisch wie vor dem Antritt von Erdogan als AKP-Regierungschef.

Am Klimagipfel in Bonn haben die Fidjianer zu Beginn und zum Abschluss getanzt und an den Un­ter­gang des Abendlandes erinnert, also ihres Morgen-, Mittags- und Abendlandes, nämlich ihrer Inseln, und zwar haben sie dies ganz konkret geschildert anhand der Ereignisse rund um den Wirbel­sturm Winston, welcher übrigens auch sonst in den westlichen Medien seinen Niederschlag beziehungsweise seine Sturmböen und Überschwemmungen in Sachen Untergang von Abend- und Eiländern veranstaltet hat. Es ist nun aber so, dass so ein Wirbelsturm, ob er nun tropisch sei oder subtropisch oder was auch immer, nicht als Beleg für das Ansteigen des Meeresspiegels herbei­gezogen werden kann, sonst wären die Vereinigten Staaten von Amerika mit ihrer Südküste gerade­zu eine kontinentale Insel, welche vom Untergang bedroht ist. Leider nein. Dagegen haben die Fidschianer mit feinen Nasen wahrgenommen, wie da ein riesiger Klima-Finanztopf angerichtet wird, und um an den heranzukommen, ist einem halt jeder Wirbelsturm recht.

Aber dies nur nebenbei beziehungsweise als Korrektur in jener Klimadebatte, die grundsätzlich schon sinnvoll ist, wobei ich nicht der einzige bin, der darauf hinweist, dass die Klimaerwärmung in erster Linie mit dem Verbrennen von fossilen Brennstoffen zu tun hat, in Deutschland zum Beispiel von Braunkohle für die Elektrizitätsgewinnung, weltweit aber vor allem mit Ölheizungen und in der Erdöl-Mobilität, also beim Verbrennungsmotor, egal ob Diesel oder Benziner, sowie mit Flug­reisen. Letzteres hat unterdessen zwanghafte Züge angenommen. Ich komme mir oft vor wie ein Depp, wenn ich im Zug Unterhaltungen von Mit-Zugfahrenden anhöre. Zu fuffzig Prozent geht das heute darum, was die Jungs und Mädels am Wochenende machen in New York, in Helsinki, in London, in Glasgow und Edinburgh, in Barcelona, auf Griechien und dann bei etwas längeren Trips in Ägypten, auf den Seychellen, in Australien und Neuseeland, Thailand, Vietnam, Laos, China... Ich will sowieso niemandem den Spaß verderben, auch wenn ich meine Zweifel daran habe, dass auch eine einwöchige geführte Reise nach Angkor Vat das Verständnis fremder Kulturen oder antiker Zivilisationen auch nur um ein My verbessert; meine Zweifel gehen so weit, dass ich sage, gerade die verdammte Vielreiserei ist das Symptom davon, dass man weder mit fremden Kulturen noch mit ihrer Geschichte auch nur das Geringste zu tun haben will. Vielmehr geht diese Fliegerei an alle Ecken und Enden des Planeten einher damit, dass die Leute in ihren Ausgangsländern eine politische und ideologische Unbedarftheit an den Tag legen, welche den Ultranationalismus daselbst mindestens nicht stört.

Aber ich weiß, dass dies nicht die volle Wahrheit ist. Vielmehr hat die anhaltende Fliegerei und das Bewusstsein der jederzeitigen Erreichbarkeit auch noch des letzten Pampa-Winkels dieser Pampa-Welt dazu geführt, dass die Hälfte der jüngeren Generationen sich auf einer gewissen Ebene vollständig als Weltbürgerinnen und Weltbürger fühlt. Und wenn dies bei Gelegenheit auch mal in eine ideologisch-politische Form umgegossen wird, dann hat dieser sinnlose Verschleiß von Erdöl und Kerosin wenigstens diesen einen positiven Effekt.

Ansonsten aber sage ichs noch einmal: Hört auf, sinnlos und auch sinnvoll in der Gegend herum zu fliegen. Man kommt innerhalb von nützlicher Frist auch mit dem Zug in wärmere Weltgegenden. Vom Autofahren will ich gar nicht reden mitten in eurer, rein automobilistisch getriebenen Hochkonjunktur. Dabei habt ihr doch eigentlich schon recht gute Erfahrungen gemacht mit Alternativenergien, inklusive den entsprechenden Arbeitsplätzen, oder?