Teil 4/5: Die Flick-Collection wird geschlossen.

ID 8653
 
"Heil dich doch selbst" Die Flick-Collection wird geschlossen." Moderierter Mitschnitt der Veranstaltung im Hebbeltheater Berlin am 16.12.2004. Teil 4/5: Wechselrahmen.
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Audio
36:03 min, 17 MB, mp3
mp3, 64 kbit/s, Mono (48000 kHz)
Upload vom 30.01.2005 / 00:00

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Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich:
Serie: Die Flick-Collection wird geschlossen.
Entstehung

AutorInnen: Studio F
Radio: FSK, Hamburg im www
Produktionsdatum: 30.01.2005
keine Linzenz
Skript
Der Aufruftext der VeranstalterInnen (bbooks, Antifaschistische Linke Berlin, Texte zur Kunst):

HEIL DICH DOCH SELBST. DIE «FLICK COLLECTION» WIRD GESCHLOSSEN

Berlin hat jetzt eine staatlich sanktionierte «erste Adresse» für zeitgenössische Kunst, die in verschiedener Hinsicht monumental zu nennen ist: Die «Friedrich Christian Flick Collection» ist ein temporäres Denkmal für den Flickreichtum, ein ausgestellter Konsumakt, der sich aus dem Geld speist, das mit der Kriegs- und Vernichtungsmaschine der Nazis erworben wurde. 1944 arbeiteten im NS-Industrie-Imperium Flick rund 50.000 Zwangsarbeiter/innen, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge. Der Enkel handelt im Sinne seines Großvaters, wenn er sich weigert, die Überlebenden zu entschädigen. Dabei stellt der Entschädigungsfonds nur einen minimalen Bruchteil dessen zur Verfügung, was an Zwangsarbeit verdient und über viele Kanäle in die Nachkriegsökonomie eingespeist wurde, die den magischen Namen «Wirtschaftswunder» erhielt.

Flick spricht davon, seinen Familiennamen «auf eine neue und dauerhaft positive Ebene zu stellen». Toll, findet Staatsministerin Weiss, die Ausstellung schließe «einen Teil der Wunde, die in Berlin durch die Nazi-Zeit gerissen wurde». So versöhnen sich die Deutschen mit sich selbst. Die Nazis nahmen ihnen die moderne Kunst, einer der Enkel aber gibt etwas davon zurück. Er kauft mit dem geerbten Geld post-avantgardistische Werke und redet in Sehnsuchtsmetaphern, in gebrochen existenziellen Codes, die den Sammler und sein Leiden an der Geschichte verkörpern. Da kann auch der Generaldirektor der Staatlichen Museen, Schuster, einsteigen und «vom Drama der Deutschen mit der Kunst» zu sprechen beginnen. Der Themenwechsel ist abgeschlossen, von der Vernichtung durch Arbeit im Nationalsozialismus zu zeitgenössischer Kunst im Hamburger Bahnhof. Postavantgarde und ein staatlich unterstützter Normalisierungsanspruch gehen eine unheimliche Synthese ein.

Keine Kunst ist an sich gut oder schlecht. Jede Arbeit ist die Summe ihrer Elemente. Dazu zählen die Entstehungsbedingungen, Durchsetzungsstrategien und auch ihr Gebrauch. Der Rahmen ist ein Teil des Bildes, wer ihn ändert, ändert das Bild. Und hier ist zu sehen, wie das Projekt «Deutschland, alles ist wieder okay!» in der Berliner Republik funktioniert. Ausgerüstet mit einem Willen zur Debatte, der an den letzten Erfahrungsresten von 1968 geschult ist, und einer gewissen Distanz zum Wertekonservatismus wird jede Auseinandersetzung begrüßt, auch über den Nationalsozialismus, solange sie konsequenzlos bleibt. Die Erinnerung der Shoah wird noch in ihrer Benennung stillgestellt. Die Blockade politischer Macht, die durch die deutsche Geschichte gegeben ist, soll damit aufgehoben werden. Vielleicht ist der politische Unternehmer Friedrich Christian Flick auch deshalb zum Nach-MoMA-Joker der Berliner Kulturpolitik und der Bundesregierung geworden, weil sie in der Dreistigkeit des Coups ihre eigene Macht erkennen. Es geht darum, diese Stillstellung der Erinnerung zu unterbrechen.