Musikalischer Herbst: Der Fall Mark E. Smith (1957–2018)

ID 87247
 
EIN NACHRUF


Mit einer bemerkenswerten, sympathisch neurotischen Beharrlichkeit hat er sein Projekt, die Band The Fall, durchgezogen, 40 Jahre lang. Ob das einer obskuren Programmatik, einem kultursubversiven Masterplan folgte oder doch nur Ratlosigkeit geschuldet war (sicher wollte er nie wieder in den Docks von Manchester malochen müssen), werden wir nie erfahren.

Ohne Zweifel gehören The Fall, das kryptische Kind von Mark E. Smith, zu den besten und einflußreichsten Bands der Geschichte der Popmusik, obwohl ihre Distanz zu jeglicher Art von Pathos, Inszenierung und Verbindlichkeit wohl legendär genannt zu werden verdient. Kunst war das eher nicht, höchstens unfreiwillig.
Stoisch vor sich hin rumpelnde Songs im wenig spektakulären Midtempo-Vierviertel, jederzeit dazu angetan, die korrupte Religion des positive thinking, Begleitideologie des Neoliberalismus, zu dementieren.

Es dürfte kaum eine derart anti-intellektuelle Band geben, die von Intellektuellen so geliebt wird wie The Fall. Daß der Musikgruppe ihre vielen Fans unter Intellektuellen scheißegal waren, war diesen Fans wiederum herzlich gleichgültig. Bezeichnenderweise gibt es in Deutschland kein vergleichbar radikales Pop-Phänomen. The Fall sind ästhetisch nicht barrierefrei wie die Bots, Wizo oder Egotronic.

Stilistisch sind The Fall wohl die typischsten, sicher aber hartnäckigsten Vertreter jener Richtung, die treffend als Post-Punk bezeichnet wird. Ihre Musik kündet von jener Langeweile und Zählebigkeit der spätkapitalistischen Gesellschaft, zumal im post-industriellen England der Thatcher-Ära. Daß diese Musik allerdings hier und heute noch so gut paßt, sagt auch schon alles über den Zustand der gegenwärtigen Welt aus, und das auf absehbare Zeit.

Mark Edward Smith ist vergangene Woche, am 24. Januar 2018, gestorben.


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Audio
10:49 min, 10 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 31.01.2018 / 15:50

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Kultur, Jugend, Musik, Andere
Entstehung

AutorInnen: Hörsturz-Sekretariat
Radio: Querfunk, Karlsruhe im www
Produktionsdatum: 31.01.2018
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Es war schwierig, aus den hunderten Songs von The Fall ein paar wenige auszuwählen, um den Nachruf zu untermalen. Letztendlich fiel die Wahl (aus pragmatischen Gründen) auf:
"Cab it up!"
"Lost in music"
"Overture from 'I am curios, orange'"
"It's a curse"
Sie wurden kurzerhand verwurstet.