SPANIEN VOR DEM REFERENDUM - Radio Chapapote

ID 8750
 
In Spanien wird am 20. Februar über die Europäische Verfassung abgestimmt. Der militaristisch-neoliberale Entwurf wird mit allergrößter Wahrscheinlichkeit eine Mehrheit bekommen. Mit O-Tönen. Kritik, Kommentare und Vorschläge bitte an: RadioChapapote@yahoo.es
Audio
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Upload vom 14.02.2005 / 01:25

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Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Internationales
Serie: Zwischen Ceuta und La Jonquera
Entstehung

AutorInnen: Johannes Mahn
Radio: WW-TÜ, Tübingen im www
Produktionsdatum: 14.02.2005
keine Linzenz
Skript
José María Aznar, der ehemalige Regierungschef Spaniens, hatte in seiner Außenpolitik die Nähe zu den USA gesucht und war dabei so weit gegangen, dass er sich fast lächerlich machte. Es schien, als glaubte er sich und das Land, das er repräsentierte, mit den USA ebenbürtig.
Sein Nachfolger José Luis Rodríguez Zapatero wollte alles anders machen als Aznar. Und doch scheint er denselben Fehler - unter umgekehrtem Vorzeichen - zu wiederholen. Zapatero biedert sich dem so genannten alten Europa an, also vor allem Frankreich und Deutschland. Er liebt es, zusammen mit Chirac und Schröder fotografiert zu werden - und scheint dabei nicht zu merken, dass er der französischen und der deutschen Regierung lediglich einen Gefallen tut, während diese sich seiner Hilfe gerne bedienen, um ihre Großmachtspläne durchzusetzen. Beim letzten deutsch-spanischen Gipfel etwa, der im November in Zapateros Heimatstadt León stattfand, genoss es Zapatero, Schröder einen Schinken zu schenken und sich von ihm - ausgerechnet von Schröder!! - für seine Dialogfähigkeit loben zu lassen.
Einziges handfestes Ergebnis des Treffens: Spanien least 108 Kampfpanzer vom Typ Leopard. Ein fettes Geschäft also für Deutschland. Und ein vielsagendes Geschäft noch dazu, vor allem wenn man bedenkt, wer hier Waffengeschäfte abwickelte: der angebliche Friedenskanzler Schröder mit Zapatero, dem Mann, der die spanischen Truppen aus dem Irak zurückholte. So ist es also, das alte Europa: friedliebend und bis an die Zähne bewaffnet.

Und ebenso friedliebend gibt sich auch die neue Europäische Verfassung. Vieles, was in ihr steht, insbesondere der Teil II klingt ganz ausgezeichnet. Von der Würde des Menschen ist da die Rede und - besonders interessant für die deutsche Debatte um die Ein-Euro-Jobs - vom Verbot der Zwangsarbeit. Doch schon am Ende des Teils II, in Artikel 112 nämlich, wird die Einschränkung dieser Rechte thematisiert.
Man braucht nicht einmal allzu genau hinzusehen, um auf den wahren Charakter der Verfassung zu stoßen. In Artikel 3 werden die Ziele der Union definiert: Frieden, Freiheit und... Binnenmarkt mit unverfälschtem Wettbewerb. Jawohl, richtig gehört! Gleich anschließend wird auch noch die Preisstabilität zum Verfassungsziel erhoben. Es ist also nicht schwer, hinter dem wohlklingenden Blendwerk die Hauptabsichten des Verfassungsentwurfs zu entdecken: Europa soll als neoliberale Wirtschaftsmacht konsolidiert und zugleich zur Militärmacht ausgebaut werden. Krassestes Beispiel für Letzteres ist Artikel 41, der nicht nur - nach dem Vorbild der USA - Präventivkriege zulässt, sondern alle EU-Staaten explizit zur Aufrüstung verpflichtet.

Dieser Verfassungsentwurf war von der Regierung Aznar blockiert worden - natürlich nicht, weil er ein kapitalistisches und militarisiertes Europa vorsah, sondern aus machtpolitischen Gründen. Aber immerhin, er lag auf Eis.
Mit Aznar als Ministerpräsidenten verschwand auch die spanische Opposition gegen den Entwurf.
Spanien wird nun als erstes Land über die neue Verfassung abstimmen. Am 20. Februar sind alle Spanierinnen und Spanier zur Stimmabgabe aufgerufen.
Allerdings wissen 90% von ihnen bislang nicht, was in der Verfassung steht. Und dies wird sich bis zum Wahltag wohl auch nicht mehr ändern. In einer von der Regierung durchgeführten Werbekampagne werden nämlich lediglich einzelne Artikel aus dem Teil II präsentiert - aus jenem Teil also, der als Feigenblatt dient.
Eine Mehrheit für die Verfassung gilt jedoch als sicher. Denn in einer riesigen Koalition empfehlen fast alle Parteien, mit Ja zu stimmen. Dabei tun sie so, als käme ein Abstimmungsergebnis Nein einem Ausschluss Spaniens aus der EU gleich. Ein Ja dagegen bringt laut Rodríguez Zapatero nur Vorteile: "Una Europa fuerte y unida hará una España más fuerte y más unida. Una Europa pacífica y solidaria hará un mundo más solidario y en paz. (Ein starkes, vereintes Europa macht Spanien stärker und vereinter. Ein friedliches, solidarisches Europa macht die Welt solidarischer und friedlich.)"

Die Vereinigte Linke Izquierda Unida ist die einzige landesweite Partei, die dazu aufruft, mit Nein zu stimmen. Dabei verfolgt sie jedoch eine Argumentation, die auf der Phantasie vom besseren Europa basiert - besser bedeutet hier besser als die USA. Letztendlich bedient Izquierda Unida damit also nur den in der spanischen Bevölkerung und vor allem in der spanischen Linken stark verwurzelten Antiamerikanismus. Gaspar Llamazares, der Koordinator der Izquierda Unida: "Un reto fundamental que sería el papel de Europa en el mundo según Balibar, en el sentido de antipotencia dialogante, antipotencia del derecho internacional y demás ese papel en esta constitución europea no está.(Eine fundamentale Herausforderung, das wäre die Rolle Europas in der Welt gemäß Balibar, im Sinne einer dialogfähigen Gegenmacht, einer Gegenmacht des internationalen Rechts und soweiter - diese Rolle ist in der europäischen Verfassung nicht vorgesehen.)"
Damit hat er zwar Recht, aber muss es ausgerechnet die Linke sein, die auf den Ausbau der Rolle Europas in der Welt pocht?


Kommentare
15.02.2005 / 17:45 wera,
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am 15.2.05