Was kostet ein Schitzel wirklich?

ID 8840
 
Die wirklichen Kosten eines Schweineschnitzels - unter Berücksichtigung der Kosten durch Umweltbelastung. Warum ist Ökofleisch ungleich teurer und muss das so sein?
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Upload vom 25.02.2005 / 12:32

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Umwelt
Entstehung

AutorInnen: Alexander v. Dercks (Greenpeace München)
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 24.02.2005
keine Linzenz
Skript
foodwatch-Report über die wahren Kosten der Fleischproduktion

In unserem heutigen Beitrag wollen wir uns der Frage zuwenden, warum ökologisch hergestellte Nahrungsmittel im allgemeinen deutlich teurer sind als konventionelle.

Ausgangspunkt unserer Betrachtung ist die Studie des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung vom vergangenen Jahr. Sie hatte nämlich genau diesen Auftrag: Zu untersuchen, woher die hohen Preise kommen und ob das so sein muss.

Zunächst ist fest zu stellen, dass die Nachfrage nach ökologischen Nahrungsmitteln nach wie vor verschwindend gering ist: Sie beträgt gerade mal drei Prozent des gesamten Nahrungsmittelumsatzes. Die neueste Umfrage des Gesellschaft für Konsumforschung ergab, dass zwei Drittel der Deutschen eher auf den Preis als auf die Qualität achten. Ähnlich preisbewusst sind Franzosen und Polen, während Italiener die Qualität der Produkte an die erste Stelle setzen.

Bleiben wir in Deutschland: Neben der Unkenntnis oder der Gleichgültigkeit weiter Bevölkerungskreise ist Hauptursache des Konsumverhaltens also der Preisunterschied zwischen ökologischen und konventionellen Produkten. Für Verbraucher ist schwer nachvollziehbar, warum Ökoware, zumal wenn sie häufig optisch weniger attraktiv erscheint, „besser“ und damit teurer sein soll. Wer kennt nicht die im Vergleich zu konventionellem Obst und Gemüse richtig verschrumpelt aussehenden Äpfel oder Birnen? Beim Schweineschnitzel spielt die Optik keine große Rolle, hier ist es ausschließlich der Preis, der vom Kauf abhält: Für ein Kilo konventionelles Schnitzel bezahlt der Verbraucher etwa sieben Euro, für ein Ökoschnitzel dagegen 13 Euro. Der Preisunterschied beträgt fast 90 Prozent und zu Recht fragt man sich, ob dies gerechtfertigt ist und wie der Preisunterschied zustande kommt.

Dass gerade das Schweineschnitzel als Objekt der Studie ausgewählt wurde liegt auf der Hand: In Deutschland lassen jedes Jahr über 37 Millionen Schweine ihr Leben und jeder Deutsche verzehrt rund 40 kg Schweinefleisch. Und: Bei der Produktion von Fleisch kann über den ganzen Entstehungsprozess hinweg eine Vielzahl ökologischer und ökonomischer Einflussgrößen bewertet werden.

Um das Ergebnis der Studie vorweg zu nehmen: Die extremen Preisunterschiede zwischen Ökofleisch und konventionellem Fleisch kommen dadurch zustande, dass die bei der konventionellen Fleischerzeugung vergleichsweise hohen Kosten für Umweltschäden nicht eingerechnet werden und dass für Ökofleisch deutlich höhere Verarbeitungs- und Vertriebskosten anfallen.

Die Umweltschäden bei der konventionellen Schweinezucht müssen nicht von den Landwirten bezahlt werden und sind dort erheblich höher sind als bei ökologischer Produktion. Es handelt sich um Schäden, die durch die Verschmutzung von Wasser mit Phosphaten, Nitraten und Pflanzenschutzmitteln verursacht werden sowie durch Kohlendioxid-Emissionen, die mitverantwortlich für den Treibhauseffekt sind. Für diese Schäden muss die Allgemeinheit bezahlen. Die Kosten tauchen deshalb im Erzeugerpreis eines Schnitzels nicht auf. Bei der ökologischen Produktion fallen diese Kosten in weit geringerem Umfang an, weil z.B. im Futteranbau auf Spritzmittel und Mineraldünger verzichtet wird.

So werden bei der Erzeugung von einem Kilogramm Ökoschnitzel im Vergleich zur konventionellen Produktion eingespart:
● 1/4 der Energie
● 3/4 der Stickstoffbelastungen
● 3/4 der Treibhausbelastungen
● 100 Gramm Mineraldünger
● 1,5 Gramm Pflanzenschutzmittel.

Müssten die Verbraucher von konventionellem Fleisch die wahren Umweltkosten bezahlen, so würden sich die Gesamtproduktionskosten auf 1,90 Euro pro Kilogramm erhöhen. Beim Ökofleisch lägen sie nahezu unverändert bei 2,30 Euro - eben weil dort die Umweltbeeinträchtigung kaum ins Gewicht fällt.

Die um 60 Prozent höheren Erzeugerpreise des Ökoschnitzels resultieren auch aus höheren Kosten für Ferkel und Futter, längerer Mastdauer, tiergerechter Haltung und höheren Personalkosten.

Weiterer Grund für den Preisunterschied ist die Tatsache, dass für Ökofleisch nur die Edelteile der Schweine verwendet werden. Das sind Schinken, Schnitzel und Filet. Das sogenannte „Verarbeitungsfleisch“, das ist z.B. Bauchfleisch für die Herstellung von Wurst, muss größtenteils zum konventionellen Preis für die Wurstfabrikation abgesetzt werden.

Die enorme Differenz von fast 90 Prozent beim Endverkaufspreis kommt außerdem durch die hohen Vermarktungskosten für Ökofleisch zustande. Die Mengen des gehandelten Öko-Fleisches sind klein (der Marktanteil beträgt nur 0,5 Prozent). 61.000 Öko-Schweinen stehen 10,5 Millionen Mastschweine gegenüber. Ökofleisch ist ein Nischenprodukt innerhalb des hochgradig rationalisierten Systems heutiger Schweinefleischproduktion. Deshalb sind die Vertriebskosten und die damit verbundenen Investitionen für gesonderten Transport, Schlachtung, Zerlegung und anschließende Verteilung von Ökofleisch in die Läden relativ hoch. Das senkt gleichzeitig die Nachfrage. Ergebnis: Werden Umweltkosten bei der Erzeugung eingerechnet und die Vertriebsstrukturen von Supermärkten auch für Ökoware genutzt, verringert sich der Mehrpreis für das Ökoschnitzel von 86 auf 14 Prozent. Der Preisunterschied an der Ladentheke beliefe sich unter Einbeziehung der Umweltkosten auf ganze 1,20 Euro.

Was ist nun die Schlussfolgerung aus diesen Tatsachen?
Eigentlich ganz einfach: Die Marktchancen von Ökofleisch werden dann größer, wenn produktionsbedingte Umweltkosten vom Verbraucher getragen werden müssen. Darüber hinaus gibt es weitere, einfach umzusetzende Maßnahmen, die den Absatz erhöhen würden:

Wenn mehr Ökofleisch im Handel angeboten würde, so würde das zu konkurrenzfähigen Preisen und damit zu höherem Absatz führen. Auch die Werbung könnte ihren Beitrag leisten: Derzeit ist die Werbung für Ökofleisch unspezifisch, unattraktiv oder gar nicht vorhanden. Wichtige Qualitätsunterschiede werden sogar bei der Bio-Siegel-Werbung des Verbraucherministeriums bewusst verschwiegen - so z.B. die Herkunft. die Rasse, die Tierhaltung, die Fütterung oder die Transportbedingungen und Transportwege.

Betrachtet man die politischen Forderungen, die sich aus diesem Szenario ergeben müssen, so liegt der Schwerpunkt ganz klar dort: Wer die Umwelt schädigt, muss zahlen. Dieses Verursacherprinzip ist eigentlich ein Grundsatz unserer Rechtsordnung, wird jedoch nur dort angewandt, wo er kein allzu großes Ungemach für unseren Gesetzgeber bedeutet - sprich: Keinen zu starken Gegenwind der Agrarlobby.

Weitere Folgerung ist, dass die Agrar-Fleischwende nur mit den Supermärkten, nicht gegen sie, gelingen kann. Die Einzelhandelskonzerne müssen bestehende Vertriebsnetze und Logistik für den Vertrieb von qualitativ hochwertigem, konventionellen Fleisch und von Ökofleisch einsetzen. Dann sinken die Vertriebskosten und die Nachfrage nach solchen Fleischqualitäten steigt. Ein weiterer Weg ist, die Nachfrage nach Qualitätsfleisch bei Großabnehmern wie Kantinen, Kliniken und Mensen anzukurbeln.

Fleisch ist ein Lebensmittel, dem auch durch die Werbung sein wirklicher Wert zurückgegeben werden muss. Fleisch ist nicht gleich Fleisch, und daher müssen die Qualitätsunterschiede differenziert erklärt werden. Nur ein aufgeklärter Verbraucher hat überhaupt die Wahlmöglichkeit, welche Nahrung er zu sich nimmt. Und damit ist man beim letztlich entscheidenden Glied in der Kette: Dem Verbraucher. Jedem von uns sollte gesunde, hochwertige Nahrung ein ganz wichtiges Anliegen sein, zumal, wenn damit für den Umweltschutz zusätzlich ein ganz erheblicher Beitrag geleistet wird. Daher auch unsere Anregung: Lieber etwas weniger, dafür aber ökologisch produziertes Fleisch.