Demo "Not welcome, Mr. Bush" - Rede, 23.2.05, Dr. Michael Wilk (AKU-Wiesbaden)

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Die Situation gleicht einer Notstandslage. Eigene Balkone dürfen nicht betreten werden, verschweißte Kanaldeckel, durchleuchtete Mülleimer, abgeschraubte Briefkästen. Selbst die heilige Kuh deutscher Befindlichkeit, der werktägliche Gang zur Arbeit wurde geschlachtet, musste zurückstehen gegenüber den staatlichen Sicherheitsbedürfnissen...
Audio
11:31 min, 5399 kB, mp3
mp3, 64 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 28.02.2005 / 00:00

Dateizugriffe: 569

Klassifizierung

Beitragsart: Rohmaterial
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Ede
Radio: RadioQuer, Wiesbaden im www
Produktionsdatum: 28.02.2005
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Die Situation gleicht einer Notstandslage. Eigene Balkone dürfen nicht betreten werden, verschweißte Kanaldeckel, durchleuchtete Mülleimer, abgeschraubte Briefkästen. Selbst die heilige Kuh deutscher Befindlichkeit, der werktägliche Gang zur Arbeit wurde geschlachtet, musste zurückstehen gegenüber den staatlichen Sicherheitsbedürfnissen.

Dr. Michael Wilk, AKU Wiesbaden
In beispielloser Form wurde die Region für Präsident Bush gesichert. Christlich fundamentalistisch verbrämt, verkündet dieser "Freiheit und Demokratie", - gemeint ist jedoch ein Regierungsprogramm, das die Unterwerfung und Neuordnung der Welt unter die Maximen eines US-amerikanischen Herrschaftsanspruchs zum Ziel hat.

Die simple Sicht teilt die Welt in Schurkenstaaten und die "Koalition der Willigen". Wer nicht für die USA ist, ist gegen sie. Der "Krieg gegen den Terror" legitimiert den Terror. Die Ergebnisse sind sichtbar: Eroberung Afghanistans, neue US-Militärstützpunkten in den GUS-Nachfolgestaaten bis an die chinesischen Grenzen in Zentralasien, Krieg und nachfolgend Bürgerkrieg im Irak; das sind die Meilensteine dieser Politik. Es wird gefoltert, es herrschen Mord und Todschlag, die Opfer vor allem unter der Zivilbevölkerung zählen zu Tausenden. Zur Legitimation wird gelogen und betrogen, dass sich die Balken biegen: Staaten mit autoritärsten Strukturen, in denen Frauen der Urnengang verwehrt bleibt (sofern es Wahlen überhaupt gibt) wie in diversen arabischen Staaten, sind selbstverständlich befreundete Bündnispartner - solange Öl fließt und die Militärbasen der USA dort beheimatet sind. Waffenlieferungen und logistische Unterstützung der nun "teuflischen" Taliban waren völlig legitim - solange sie im Kampf mit Moskau standen. Die Unterstützung des Potentaten Saddam Hussein war völlig in Ordnung - solange er gegen den Iran Krieg führte.

Vietnam, Chile, Argentinien, Paraguay, Guatemala, Nicaragua (die Liste ließe sich noch lange fortsetzen): Die Etablierung und Unterstützung von Mord und Folterregimen gehört seit langem zum Standardprogramm US-amerikanischen Machanspruchs.

Die Neuordnung der Welt findet ihre programmatische Entsprechung im Innern der USA: Massive Kürzungen der Sozialprogramme zu Gunsten des Rüstungsetats, Ausbau des Repressionsapparates, verschärfte Jagd auf Migranten im Innern und entlang der Grenzen. Genau aus diesen Gründen ist diese Demonstration keine anti-amerikanische Veranstaltung, sondern eine gegen die menschenverachtende Politik der US Regierung. Im Gegenteil: Wir wissen, dass Millionen Menschen in den USA unsere Position teilen und genau wie wir protestieren. Deshalb noch mal ausdrücklich an dieser Stelle: Solidarität mit den um Gerechtigkeit und Würde kämpfenden Menschen " auch in den USA - die gegen unmenschliche Lebensbedingungen und gegen Folter, Mord und Totschlag aufstehen.

Wir wissen, dass viele hier die Haltung der deutschen Regierung Schröder zum Irak-Krieg begrüßt haben. Die scheinbar lautere Position von Schröder-Fischer entspringt jedoch weniger einer humanitär begründeten Abstinenz gegenüber kriegerischen Lösungsstrategien, als vielmehr einer differenzierten, eigenen Interessenslage:

Die BRD und andere europäische Regierungen sind mit den USA in einem Geflecht von Zusammenarbeit und Konkurrenz verstrickt. Die Militärmacht der USA wird genutzt, um eigene "wirtschaftliche und strategische" Interessen zu realisieren, und das weltweit. Eine eigene militärische Präsenz und auf die Umrüstung der Bundeswehr zu einer global kriegsbereiten Armee wird jedoch gleichzeitig forciert.

Die "Europäer" verfolgen durchaus ihre eigenen Interessen, auch gegen die US-Dominanz. In besonderem Maße gilt dies für den Nahen Osten - für die BRD-Wirtschaft ist gerade der Iran als "Wirtschaftspartner" von größter Relevanz. Trotz aller verbalen Verurteilungen des Ayatollah-Regimes investieren deutsche Automobilfirmen (VW, BMW) massiv. Kein Wunder, dass bei den EU-Staaten die offenen militärischen Drohungen der USA gegen den Iran derzeit auf wenig Gegenliebe stoßen.

Die Schaffung eigener, von der USA unabhängiger europäischer "Kriseninterventionskräfte" dient dazu, im Zweifel auch ohne, (vielleicht auch einmal gegen) die Interessen der USA militärisch agieren zu können.

Die Globalisierung schreitet fort. (Die Claims werden immer wieder neu gesteckt) Der Mensch wird zum Objekt der Ökonomie degradiert. Das Gesetz der Kapitalakkumulation steht über dem Menschenrecht. Es geht nicht um Demokratie, es geht um Kapitalflow, Ressourcen wie Öl und Gas und es geht um eine möglichst hohe Vernutzung von Mensch und Natur. Dagegen stellen wir uns...

Schröder und die rot/grüne Politik hat auf hohem Niveau Sozialabbau und Entgarantierung umgesetzt. Es ist diese Regierung, die deutsche Soldaten zum ersten Mal seit 1945 in den Krieg geschickt hat. Deutsches Machtstreben hat mit Rot/Grün eine erneute militärische Qualität und praktische Umsetzung erfahren. Wir lehnen das ab und stellen klar: Befehl und Gehorsam und staatlicher Militarismus dienen in der Regel dazu Einflusszonen abzusichern und die Macht der ökonomischen Eliten zu verfestigen. Soziale und gerechte Verhältnisse erwachsen aus emanzipativen Bewegungen - und nicht aus dem Bombenhagel der US-Armee oder auch der europ. Kriseninterventionskräfte.

Wenn die Medien von der freundschaftlichen Atmosphäre des Treffens Bush/Schröder berichten, wissen wir was davon zu halten ist: Das Treffen von Schröder und Bush dient dazu, die Strategien ökonomischer Verwertung von menschlicher Arbeitskraft, neoliberaler kapitalistischer Umgestaltung der Gesellschaft und der militärischen Option auszuloten und gegebenenfalls anzupassen.

Es ist gut, dazu NEIN zu sagen, aber das reicht nicht aus. Wenn der Protest nicht zur Eintagsangelegenheit verkommen soll, sind wir gezwungen aus Protest Widerstand werden zu lassen. Ein Widerstand, der auch im Alltag spürbar ist, und der zumindest (und damit wäre schon viel gewonnen) die Gefolgschaft verweigert, - und der die Mitarbeit in den Machtstrukturen in Frage stellt. Menschenfeindlichen Strukturen, die von Akzeptanz und freiwilligem Gehorsam genauso wie von Nationalstolz und Chauvinismus genährt werden. Es gibt in diesem Sinne verdammt viel zu tun.....