BUND: Nano in Lebensmitteln nicht gekennzeichnet

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Beim Thema Nano-Technologie ist
der Wissensstand der deutschen
Bevölkerung erschreckend gering.
In diesem Fall ist das Nicht-Wissen
mitverschuldet von der deutschen
Regierung, die seit über einem
Jahrzehnt eine längst überfällige
Kennzeichnungspflicht teils verschleppt,
teils so viele Schlupflöcher einbaut hat,
daß die Dunkelziffer kaum zu schätzen
ist - besonders bei Lebensmitteln.
Wer weiß schon von Nano-Partikeln im
Cappuccino von Jacobs oder in Kaugummis
von Wrigleys?
Audio
07:13 min, 6774 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 10.10.2018 / 20:39

Dateizugriffe: 110

Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Umwelt, Wirtschaft/Soziales
Serie: Burning Beds
Entstehung

AutorInnen: Klaus Schramm
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 10.10.2018
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
BUND: Nano in Lebensmitteln nicht gekennzeichnet

Nach wie vor versucht die Industrie die Anwendung der Nano-Technologie auf dem kalten Wege durchzusetzen. Immer häufiger werden sogenannte Hygiene-Produkte mit Nano-Silber auf den Markt geworfen. Und selbst Lebensmittel bleiben von dem gefährlichen Einsatz von Nano-Partikeln nicht verschont. Häufig werden Lebensmittel, in die Nano-Partikel gemischt sind, von Produzenten in den Markt gedrückt, ohne die gesetzliche Pflicht der Kennzeichnung einzuhalten.

Der Einsatz von Nano-Materialien in Lebensmitteln, Lebensmittel­verpackungen, Küchenutensilien und in der Landwirtschaft hat innerhalb des zurückliegenden Jahrzehnts deutlich zugenommen, informiert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Die Umweltschutz-Organisation veröffentlicht eine überarbeitete Auflage ihres Berichts "Aus dem Labor auf den Teller - Die Nutzung der Nano-Technologie im Lebensmittelsektor". Demnach sind aktuell mindestens 47 Produkte auf dem Markt, die Nano-Partikel enthalten.

Bei der Erstveröffentlichung des BUND-Nano-Berichts im Jahr 2008 waren es noch 26 offiziell gekennzeichnete Produkte. Bei den derzeit 47 Produkten, die erkennbar mit Nano-Technologie hochgerüstet sind, handelt es sich neben Lebensmitteln vor allem um Nahrungsergänzungsmittel, Küchenartikel, sogenannte Hygiene-Artikel, spezielle Produkte für SportlerInnen, Verpackungen und Agro-Chemikalien.

Ein besonderer Flop war im September 2017 ein über die TV-Marketing-Plattform 'Die Höhle der Löwen' promotetes Produkt, das angeblich mit einer flüssigen Nano-Schicht das Display von Mobil-Telefonen bruchsicher machen sollte. Der auch über die Discounter-Kette Aldi vermarktete "flüssige Displayschutz" sollte - so lautete das Versprechen - nach dem Aushärten sogar dem Schlag eines Hammers widerstehen. Immerhin war in diesem Fall auf der Verpackung zu erkennen, daß es sich um für Gesundheit und Umwelt riskante Nano-Technologie handelte.

Rolf Buschmann, BUND-Chemikalien-Experte, weist darauf hin, daß die Dunkelziffer schwer zu schätzen ist, da die meisten Produkte mit synthetischen Nano-Materialien nicht gekennzeichnet oder gemeldet werden müssen. Und selbst bei kennzeichnungspflichtigen Produkten wie bei Lebensmitteln, Kosmetik und Bioziden handeln manche Hersteller nach Erkenntnissen des BUND ungesetzlich, indem sie Nano-Materialien nicht auf der Verpackung aufführen. So hat der BUND bei Stichproben-Analysen in Cappuccino-Pulver der Firma Jacobs und in Kaugummi von Wrigleys Nano-Primärpartikel identifiziert, die jedoch nicht auf der Verpackung genannt sind. Das Cappuccino-Pulver enthielt zu 100 Prozent Siliziumdioxid-Nano-Partikel, im Kaugummi fanden sich immerhin noch zu acht Prozent Titandioxid Nano-Partikel.

"Die Lebensmittel-, Futtermittel- und Pestizid-Industrie macht nach wie vor ein großes Geheimnis um den Einsatz von Nano-Materialien. Die im Dezember 2014 in Kraft getretene Kennzeichnungspflicht für Nano-Lebensmittel enthält zu viele Schlupflöcher, so daß Lebensmittel mit Nano-Materialien weiterhin ungekennzeichnet bleiben," kritisierte Buschmann. Auch gebe es in Deutschland derzeit keine einzige auf Nano-Materialien spezialisierte Prüfeinrichtung bei der Lebensmittelüberwachung. Entsprechende Tests im Ausland seien sehr teuer. "Gesetzlich vorgeschrieben sind Tests auf Nano-Materialien nicht, obwohl dies aus Umwelt- und Verbrauchersicht unbedingt erforderlich wäre," so der BUND-Chemikalien-Experte.

Nano-Partikel messen nur wenige hundert Nanometer und sind damit etwa 50.000 Mal kleiner als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Sie wirken chemisch und physikalisch zumeist stärker als größere Teilchen des gleichen Stoffes und können leichter in Zellen, Gewebe und Organe eindringen. Ihre stärkere biologische Reaktionsfähigkeit kann auch zur höheren Toxizität führen. Inzwischen gebe es zahlreiche wissenschaftliche Belege für mögliche Gesundheits- und Umweltgefahren von Nano-Partikeln, so Buschmann. Mit der Nahrung aufgenommene Titandioxid- oder Siliziumdioxid-Nano-Partikel werden beispielsweise mit Entzündungsreaktionen im Magen-Darm-Bereich in Verbindung gebracht und sind zumindest für entsprechend vorbelastete Personen problematisch.

"Die Lebensmittelindustrie bagatellisiert die Risiken von Nano-Materialien in ihren Produkten. Ohne Kennzeichnung haben Verbraucher so gut wie keine Chance, Nano-Partikel über die Lebensmittel zu vermeiden," sagte Buschmann. Weil die Industrie bisher keine Transparenz bei Nano-Materialen geschaffen habe, sei das Einschreiten des Gesetzgebers nun umso dringender. "Für alle Technologien muß das Vorsorgeprinzip gelten. Das gilt besonders für Anwendungen, bei welchen die Gefahren nicht abgeschätzt werden können wie bei der Nano-Technologie. Bevor solche Nano-Produkte in den Handel kommen, müssen Risiken gründlich untersucht und ausgeschlossen werden", sagte Buschmann. Für die Kosten von verpflichtenden Tests müssten die Hersteller aufkommen.

Aktuell ist Nano-Silber das am meisten eingesetzte Nano-Material. Silber-Nano-Partikel werden häufig in alltäglichen Gebrauchsgegenständen eingesetzt, um die anti-bakterielle Wirkung von Nano-Silber als toxischem Bakterizid zu nutzen. Bekannt sind beispielsweise geruchsneutralisierende Nano-Silber-Deodorants und Sportkleidung, in deren Stoff Nano-Partikel eingewebt sind. Mittlerweile liegen etliche wissenschaftliche Untersuchungen vor, mit denen Resistenzbildungen bei Bakterien infolge des Einsatzes von Nano-Silber nachgewiesen wurden. Zu Denken geben sollte in Europa - und gerade vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen um TTIP - , daß in den ansonsten so liberalen und wirtschafts-affinen USA schon im Jahr 2008 Nano-Silber als Pestizid eingestuft wurde.

Vom Gesetzgeber fordert der BUND, das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verpackungen, Küchenartikeln oder Agro-Chemikalien zu untersagen, die freisetzbare Nano-Materialien enthalten, sowie eine flächendeckende Kennzeichnungspflicht für alle Produktgruppen einzuführen.

Die BUND-Studie "Aus dem Labor auf den Teller. Die Nutzung der Nano-Technologie im Lebensmittelsektor" ist im Internet abrufbar unter:
www.bund.net/nano-broschuere

Kommentare
11.10.2018 / 10:06 Konrad, Radio Dreyeckland, Freiburg
gesendet im mora
8:45 danke
 
11.10.2018 / 14:07 Kai J., Radio T
Gesendet am 11.10.18 um 19 Uhr im Radio T Chemnitz UKW 102,70 MHz
Vielen Dank!