Buchtipp: "Gott ist Brasilianer"

ID 9171
 
"Gott ist Brasilianer" ist die Autobographie des Dokumentarfilmers Peter Overbeck. Der unter der und gegen die Militärdiktatur in Brasilien arbeitete und heute im Kibbuz in Israel lebt.
Audio
04:15 min, 2490 kB, mp3
mp3, 80 kbit/s, Stereo (22050 kHz)
Upload vom 13.04.2005 / 21:41

Dateizugriffe:

Klassifizierung

Beitragsart: Rezension
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Internationales
Entstehung

AutorInnen: Markus Kilp
Kontakt: tomschrott(at)yahoo.com
Radio: PalmaresPB, Paderborn im www
Produktionsdatum: 07.04.2005
keine Linzenz
Skript
Anmoderationsvorschlag:

Die Autobiographie ist als Genre nicht zu unterschätzen, vor allem dann nicht wenn, wie in unserem heutigen Buchtipp, neue Perspektiven, Einsichten und echte Menschen lauern: So bei Peter Overbecks „Gott ist Brasilianer“, das kürzlich in der Edition Nautilus erschienen ist. Markus Kilp hat es für uns gelesen:


TEXT:

„Erlebnisse eines Kameramanns“ – der Untertitel des Buches klingt erst einmal etwas abschreckend: Assoziationen an Selbsterkenntnisse eines betagten Medienschafenden, Filmbusiness, gar Hollywood stellen sich ein.... Aber in diesem Fall zum Glück weit gefehlt.
Geboren in Deutschland, politisiert in der Zeit der Militärdiktaturen in Lateinamerika und dort lange Zeit im politischen Widerstand und als Dokumentarfilmer tätig schreibt Peter Overbeck – heute fast achtzigjährig - im israelischen Kibbuz seine Erinnerungen auf...
Dieser kurze Abriss verweist schon auf ein spannendes, ereignisreiches Leben eines frühen Antiglobalisierers und Weltbürgers.

Der Titel des Buches macht deutlich, wo der Filmemacher seinen Schwerpunkt setzt: „Gott ist Brasilianer“, das verweist auf eine Redewendung, mit der sich Brasilianer oft ironisch über das Schicksal ihres Landes lustig machen. Das aber auch ernst gemeint sein kann, und dem Glauben Ausdruck verleit, dass am Ende alle gut werde.

So bildet Overbecks Leben auch nur den Rahmen für seine Sicht auf die brasilianischen Verhältnisse und auf die Menschen, die ihm während seiner Arbeit über mehrere Jahrzehnte begegnen:

Die Zuckerrohrschneiderin Maria zum Beispiel, die sich gewerkschaftlich engagiert und gegen die Ausbeutung durch die Zuckerindustriellen zur Wehr setzt: für einen angemessenen Lohn und gegen maximale Profite auf Kosten der Arbeiter.

Overbeck bewegt sich auf den Spuren von Vorbildern der Bewegung wie den Pater Josimo Taverres, der wegen seines Engagements in der Bewegung der Landlosen Bauern 1986 von den Pistoleiros der Reichen ermordet wurde. Das Land in Brasilien war zu dieser Zeit konzentriert in 1% der Bevölkerung: Den sogenannten Großgrundbesitzern. Die landlosen Bauern der MST, der Movimento dos sem terra : haben aber immerhin schon über 350.000 Bauern angesiedelt.

Overbeck greift also Beispiele auf, die Hoffnung machen, wie auch die Alphabetisierungskampagne der MST auf dem Land oder die kooperative Selbstorganisation der Altpapiersammler in den Städten.

Es sind die widerständigen, gegen allen Druck von oben engagierten, die Overbeck in seinen Filmen interessieren: Geschichten von Menschen, die bei aller Armut und Unterdrückung sich nicht abfinden mit dem Status Quo und mit dem Mut der Verzweiflung, neue Wege gehen.

Es gelingt dem Autor eine Brücke zu schlagen zwischen seiner eigenen Politisierung ab den späten Sechzigern in Brasilien und Chile, den Erzählungen über die Geschichte Brasiliens aus Sicht derer, die sonst keine Stimme haben, von der Sklavenbefreiung Ende des 19. Jahrhunderts bis hin zur Situation Ende des 20. Jahrhunderts und deren bewegenden Portraits, die er in seinen Dokumentarfilmen festgehalten hat.

Zahlreiche seinen Filmarbeiten entnommene schwarzweiß Fotographien tragen zusätzlich dazu bei, dass dieses Brasilien abseits von Karneval, Strand und Fußball dem Leser näher kommt.
Dabei fasziniert dieses Buch auf doppelte Weise: zunächst für den Lebensweg und das Engagement Overbecks, aber vor allem für die Menschen in Brasilien, die die Folgen der Globalisierung am deutlichsten zu spüren bekommen.

„Gott ist Brasilianer“ ist lesenswert, nicht ohne Mut zu machen, auch für soziale Bewegungen in Europa; es ist zugleich als Einführung geeignet in die neuere Geschichte eines anderen, alternativen Brasiliens.

Abmoderationsvorschlag:

„Gott ist Brasilianer“ hat 222 Seiten und ist für 19,90 zu haben. Der Autor, Peter Overbeck, ist im April auf einer Lesereise in Deutschland.
Nähere Informationen dazu gibt es unter www.edition-nautilus.de

Kommentare
22.04.2005 / 14:02 maike, Radio Z, Nürnberg
gesendet
in zip-fm am 21.4.2005