Aufregung über Saudi Arabien kommt wirklich spät - ein Kommentar

ID 91801
 
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Nach dem Mord am Journalisten und Regimekritiker Jamal Kashoggi wird endlich über ein Rüstungsexportstop nach Saudi Arabien gesprochen. Die Toten im Jemen-Krieg waren anscheinend nicht so wichtig.
Audio
04:10 min, 9782 kB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 01.11.2018 / 19:13

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Internationales, Wirtschaft/Soziales
Entstehung

AutorInnen: Fabian Ekstedt
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 01.11.2018
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Saudi-Arabien und der junge Prinz Muhammad Bin Salman, kurz MBS, zeigen wie schnell sich Bilder in der Öffentlichkeit wandeln können. Die Aufregung war groß, als der erst 33 jährige Prinz die Macht übernahm. Kinos wurden eröffnet und Frauen das Autofahren erlaubt. Scheinbar strebte MBS eine Liberalisierung der absoluten Monarchie an, in der jegliche Opposition vom König verboten ist. Diese Nachrichten wurden weltweit gefeiert. Die nicht ganz so liberal klingende Nachricht darüber, dass seiner Machtübernahme massive Verhaftungen und Hausarreste von Nebenbuhlern folgten, wurde als Korruptionsbekämpfung angesehen. Weniger Aufmerksamkeit bekam die Meldung, dass Frauen jetzt zwar Autofahren dürfen, aber die Frauen die jahrelang für dieses Recht gekämpft haben davor in Haft genommen wurden. Kaum jemand hat darüber berichtet, dass der erste Film in Saudischen Kinos das Emoji-Movie war. Ziemlich seltsam mutet es allerdings an, dass über die Außenpolitik des Landes sehr wenig berichtet wird. Dabei gibt es da viel zu berichten. Zum Beispiel, dass MBS nicht davor zurückschreckt Nachbarländer komplett zu blockieren, Staatschefs anderer Nationen gefangen zu halten und im Jemen einen katastrophalen geostrategischen Krieg auf dem Rücken der Bevölkerung zu führen. All diese negativen Nachrichten und Ergänzungen konnten dem fein orchestrierten und gezielt ausgestrahlten Bild von Saudi-Arabien als westlicher Verbündeter im Aufbruch wenig anhaben. Das änderte sich aber ziemlich schnell, als ein Kontrahent im geopolitischen Geschacher um die Vormachtstellung in der arabischen Welt, Recep Tahib Erdogan, seine Erkenntnisse über einen kaltblütigen Mord an einem Journalisten und Regimekritiker im saudi-arabischen Konsulat in Istanbul scheibchenweise und perfekt orchestriert an die Öffentlichkeit gab. So berechtigt die Aufregung darüber auch sein mag, dass ein Killerkommando mit einer Knochensäge einen Dissidenten in einem Konsulat offenbar zum Schweigen und Verschwinden gebracht hat, so komisch mag es anmuten, dass dies der Grund sein soll, Saudi-Arabien jetzt nicht mehr mit Waffen zu versorgen. Als wären die mehr als 56 000 Toten, die seit 2015 im Jemen-Krieg ihr Leben lassen mussten, die tatsächlich Opfer der gelieferten Rüstungsgüter wurden und nicht direkt von Leibwächtern und anderen Schergen des Prinzen erwürgt und mit einer Knochensäge zerteilt worden sind, kein Grund über Sanktionen nachzudenken. Der Jemen-Krieg ist ein Thema das politisch beschämt und menschlich entsetzt. Jedem deutschen Politiker muss bewusst sein, dass deutsche Waffen und deutsche Technik dort mitmorden. Dass deutsche Marinetechnik eingesetzt wird um Häfen zu blockieren und somit tausende Menschen von Nahrungsmitteln, sauberem Trinkwasser und vor allem lebenswichtigen Medikamenten abzuschneiden. Das Pulverfass Naher Osten brennt schon längst und Europa und USA haben viel zu lange Schießpulver auf die Flamme Saudi-Arabien geschmissen. Ob die Flamme in einem großen Knall erlöschen wird oder alles um sich herum verzehrt, wird sich dabei noch zeigen. Für uns als Medienmacher und Medienkonsumenten bleibt es allerdings dabei, dass wir so masochistisch sein müssen das katastrophale Leid im Jemen nicht zu verdrängen. Das sind wir den Opfern schuldig. Allen 56 000 und auch Kashoggi. Nur so können wir verhindern, dass wirtschaftliche Wunschträume unseren Blick auf den strategischen Partner eintrüben. Es ist klar, dass bei den schieren Summen, die Saudi-Arabien international investieren oder ausgeben will, viele Menschen große Augen bekommen und ihre Bedenken vergessen. Ein zweiter Blick darauf, wen und was man dabei unterstützt, sollte einen aber sehr schnell dazu bringen sie vor Entsetzen schließen.