Kommentar: Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Attac

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Anmod: Wenn man einen politischen Verein nicht auf juristischem Wege verbieten kann, muss man andere Wege einschlagen. Effizient ist der Weg über das Steuerrecht. Das hat das Antiglobalisierungsnetzwerk Attac Deutschland jetzt zu spüren bekommen. Das Oberste Finanzgericht urteilte am Dienstag, dass Attac keinen Anspruch auf den Status der Gemeinnützigkeit habe, da Attac politische Willensbildung betreibe.
Jenz Steiner von coloRadio aus Dresden hat das kommentiert.

(Achtung: leichtes Klippen und Ploppen, sorry, unterwegs kein Poppschutz zur Hand)
Audio
02:50 min, 6651 kB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 26.02.2019 / 22:23

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Jenz Steiner
Radio: coloradio, Dresden im www
Produktionsdatum: 26.02.2019
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Stell‘ Dir mal folgendes Szenario vor. Im Staat X gibt es einen Verein, der politische Bildungsarbeit betreibt, mit Kampagnen für neoliberale Entwicklungen sensibilisiert und über die Folgen der Globalisierung informiert.
Dem Staat X ist dieser Laden aber ein Dorn im Auge.
Doch einfach verbieten kann der Staat ihn nicht.
Naja, vielleicht kann ja das Finanzamt was regeln, zum Beispiel den Zufluss von Spenden kappen. Da findet sich doch bestimmt eine Lücke oder Grauzone im Steuergesetz.
Dann erledigt sich das Thema über kurz oder lang von ganz alleine.
Klingt irgendwie nach Russland, Belarus oder Nordkorea.
Passiert ist aber genau das gerade in der Bundesrepublik Deutschland. Also hier.

Attac ist allen alteingesessenen Globalisierungsgegnerinnen und Gegnern noch ein Begriff.
Als gemeinnützige Organisation gibt es Attac Deutschland nun schon seit 19 Jahren.
Bundesweit gibt es 170 Regionalgruppen und
29.000 Mitglieder. Auch Organisationen wie die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und der B.U.N.D. gehören zum Attac-Netzwerk.

Jetzt muss Attac damit rechnen, dass ihm die Gemeinnützigkeit aberkannt wird.
Grund dafür ist ein Urteil des höchsten deutschen Finanzgerichts.

Der Vorwurf: Attac ist zu politisch, um gemeinnützig zu sein. Soll das heißen? Wer Kampagnen macht, tagesaktuelle Themen aufgreift und Menschen Einblick in die Welt der Politik gibt, handelt nicht mit gemeinem Nutzen?
Im Umkehrschluss heißt das also: Kegeln ist okay, öffentliche Debatten anstoßen zu Themen wie Armut, Flucht, Ausgrenzung, Datenschutz oder digitale Gesellschaft ist nicht okay?

Die Konsequenz: Wer bislang an Attac Geld gespendet hat, kann die Spenden zukünftig nicht mehr in seiner Steuererklärung absetzen. Geldhahn nachhaltig abgedreht.

Wenn dieses Urteil Bestand hat, öffnet das Haus und Hof für Maßnahmen gegen alle möglichen Vereine, die sich gesellschaftlich engagieren und in irgendeiner Form dem Staat unliebsam sind.
Ich soll mir mit meinem Verein also zukünftig zweimal überlegen, ob und wie ich mit meinen Zielen in die Öffentlichkeit trete.

Das Paradoxe daran: Für rechtskonservative Denkfabriken gibt es kein vergleichbares Urteil. Dabei ist deren Agenda doch auch das Beeinflussen öffentlicher Diskurse, nur halt mit menschenverachtenden Inhalten.

Meine Frage: Was macht das mit der Zivilgesellschaft? Was macht das mit einer Demokratie? Wo bleiben langfristig die mündigen Bürgerinnen und Bürger, die selber denken, handeln, urteilen und entscheiden? Gerichte und auch das Steuerrecht sollten zivilgesellschaftliches und politisches Engagement fördern, nicht beschneiden. In Rechtsruckzeiten ist das wichtiger denn je.

Kommentare
27.02.2019 / 22:10 Uwe, Radio Blau, Leipzig
27.02.2019
gesendet in Aktuell