Festival de Cannes 2019 -- ein Ausblick

ID 95126
1. Teil (Hauptteil)
Am 14. Mai starten im südfranzösischen Cannes die wichtigsten Filmfestspiele der Welt. Der Beitrag gibt einen Ausblick auf das, was die Festivalbesucher erwartet.
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Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Kultur
Serie: 35 Millimeter
Entstehung

AutorInnen:
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 01.05.2019
Folgender Teil steht als Podcast nicht zur Verfügung
 
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Skript
Wie jedes Jahr im Mai wird sich auch in diesem Jahr wieder in zwei Wochen im südfranzösischen Cannes die Crème de la Crème der Filmbranche versammeln um die neuesten Film namhafter und weniger namhafter Regisseure zu sichten und zu diskutieren.
Eröffnet wird das Festival am 14. Mai mit Jim Jarmuschs Zombi-Horrorkomödie „THE DEAD DON’T DIE“.
Ein Film, der nach langer Zeit mal wieder verspricht, ein sehenswerter Eröffnungsfilm zu werden. Jarmush wartet so gleich am Anfang des Festivals mit der halben Starriege Hollywoods auf: Tilda Swinton, Adam Driver, Bill Murray, Steve Buscemi, Selena Gomez und viele mehr treten neben Punkrocker Iggy Pop und Bluesmusiker Tom Waits in der prominent besetzten Komödie auf.
Wie gewohnt wird der Wettbewerb ein Stelldichein altbekannter Regisseure. Es sind nur wenige Festivalneulinge dabei. Die meisten der Wettbewerbsteilnehmer haben zum Teil langjährige Festivalerfahrung in Cannes aber auch in Berlin.
Mit Pedro Almodóvar und Terrence Malick sind sogar zwei Oscargewinner in der Auswahl. Der Anteil der RegisseurINNEN läßt wie immer zu wünschen übrig. Gerade einmal 4 Frauen stellen ihre aktuellen Filme im Wettbewerb vor. Das ist zwar immerhin eine mehr als in den letzten Jahren aber hier ist definitiv noch Luft nach oben.
Mati Diop, Jessica Hausner, Céline Sciamma und Justine Triet sind alle erstmalig im Wettbewerb von Cannes vertreten. Während Hausner und Sciamma immerhin schon in anderen Sektionen in Cannes Filme vorgestellt haben, ist es für Diop und Triet die erste Teilnahme überhaupt in Cannes.
Immerhin dürfen wir uns auf großartige Schauspielerinnen freuen. Justine Triet drehte unter anderem mit Adèle Exarchopoulos, die sich bereits mit ihrem ersten Spielfilm „Blau ist eine warme Farbe“ fest ins Gedächtnis des Kinopublikums brannte, und der deutschen Schauspielerin Sandra Hüller, die vor 3 Jahren an der Croisette in Maren Ades „Toni Erdmann“ zu sehen war. In Céline Sciammas Film dürfen wir uns auf Adèle Haenel freuen, die bereits 2007 mit Sciamma zusammenarbeitete und ebenfalls 2016 in Cannes zu sehen war im Film „La fille inconnue“ der Dardenne-Brüder. Die im übrigen auch dieses Jahr wieder dabei sind.
Almódovar griff wie üblich auf seine Muse Penelope Cruz zurück aber auch der von ihm entdeckte Antonio Banderas darf im Cast nicht fehlen.
Das Publicum an der Croisett darf sich außerdem auf Léa Seydoux, Exarchopoulos’ Gegenpart in „Blau ist eine warme Farbe“, auf Isabelle Huppert, die für ihre Darstellung in Verhoevens „Elle“ für den Oscar nominiert war sowie auf Xavier Dolans Stammschauspielerin Anne Dorval freuen.
Ich persönlich bin – neben dem Eröffnungsfilm natürlich – besonders gespannt auf den südkoreanischen Beitrag „Parasite“ von Bong Joon Ho, der mit „Snowpiercer“ beeindruckte und dann die unsägliche Netflix-Produktion „Okja“ vorlegte, auf den Film des Chinesen DIAO Yinan, der 2014 in Berlin den Goldenen Bären für „Feuerwerk am hellichten Tag“ gewann, und auf Altmeister Ken Loach, der eigentlich immer ein Garant für großartige Filme ist. Auch wenn es seine 14. Wettbewerbsteilnahme in Cannes ist und ich mir eigentlich etwas mehr Abwechslung wünschen würde. Auch den Beitrag des rumänischen Regisseurs Corneliu Porumboiu, „The whistlers“, werde ich mir sicher ansehen. Schon 2006 konnte er mit „12:08 – Jenseits von Bukarest“ überzeugen, für den er in Cannes die Goldene Kamera gewann, also den quer durch alle Sektionen gehenden Preis für das beste Erstlingswerk.
Wie üblich ist auch die Festivaljury hochkarätig besetzt. Den Vorsitz übernimmt in diesem Jahr der Mexikaner Alejandro Gonzalez Iñárritu, der 2000 die Semaine de la Critique gewann mit „Amores Perros“ und 2006 für „Babel“ die Palme für die beste Regie erhielt und sowohl für „Birdman“ als auch für „The Revenant“ mit dem Oscar ausgezeichnet wurde.
Unterstützt wird Iñárritu unter anderem durch die amerikanische Schauspielerin Elle Fanning, die im Alter von 8 Jahren in Iñárritus „Babel“ mitspielte, durch die italienische Regisseurin Alice Rohrwacher, die im letzten Jahr mit „Lazzaro Felice“ in Cannes die Palme für das beste Drehbuch gewann, durch den griechischen Shootingstar Yorgos Lanthimos, der mit seinen letzten beiden Filmen „The Lobster“ und „Killing of a Sacred Deer“ auch international großes Aufsehen erregte und durch den polnischen Filmemacher Pawel Pawlikowski, dessen Film „Ida“ 2013 den Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film gewann.
Daß bisher erst 19 Wettbewerbsfilme nominiert wurden, während bisher immer 20 üblich waren, läßt Raum für Spekulationen. Wird Tarantinos neuester Film doch noch ins Wettbewerbsprogramm aufgenommen? Wir dürfen gespannt sein! Verfolgt unsere Berichterstattung auf www.rdl.de und natürlich in der nächsten Sendung im Juni.
Doch nicht nur der Wettbewerb bietet spannende Filme. Auch und gerade in den Nebenreihen ist viel Potential für Entdeckungen. In den letzten Jahren hat sich gerade die unabhängige Nebenreihe „Semaine de la Critique“ zum echten Geheimtip gemausert. In der Kritikerwoche stellen Nachwuchsregisseure ihren ersten oder maximal zweiten Spielfilm vor. In eher familiärer Atmosphäre in einem nicht einmal 400 Personen fassenden Kinosaal präsentieren diese Filmemacher persönlich ihre Werke und erleben erstmals, wie ein Kinopublikum darauf reagiert. Das ist immer für alle eine recht spannende Angelegenheit.
In den letzten Jahren durfte ich hier so großartige Filme sehen wie „Grave“, der in Deutschland leider nur auf dem Fantasy Filmfest zu sehen war, „Chris the Swiss“, die grandiose Doku über einen im Jugoslavienkrieg ermordeten Schweizer Journalisten, das indische Drama „Sir“, die französische Coming-of-Age-Geschichte „Ava“ oder die japanisch-amerikanische Produktion „Oh Lucy“. Auch der vielfach ausgezeichnete Horrorfilm „It follows“ von David Robert Mitchell feierte in der Semaine de la Critique seine Premiere ebenso wie Jeff Nichols’ „Take Shelter“.
Neben dieser Auswahl an aktuellen Filmen, kann man sich in Cannes natürlich auch immer filmhistorisch weiterbilden. Die Cannes Classics bieten ein breites Spektrum an restaurierten Klassikern. So darf sich das Publikum unter anderem auf Dennis Hoppers Kultfilm „Easy Rider“, ausgewählte Werke von Bunuel und Milos Forman und den ersten japanischen Animefilm in Farbe freuen.
Ihr seht, es wird sicher nicht langweilig in den 10 Tagen an der Croisette!