Vor der Bundestagswahl Agnoli lesen!

ID 10151
 
Eileitung: Die Linken sprechen vor der Wahl viel von Parlamentarismuskritik. Agnoli verfasste zu diesem Thema ein Standartwerk. Dann kurz was zur Person und "Zusammenfassung" der Transformation der Demokratie. Abschließend die Frage ob Agnoli noch auf die heutige Situation passt.
Audio
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mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 08.09.2005 / 22:30

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Klassifizierung

Beitragsart:
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Julia Hartung
Radio: RUM-90,1, Marburg im www
Produktionsdatum: 08.09.2005
keine Linzenz
Skript
Anmoderation
Die Bundestagswahl steht vor der Tür und so hört man in linken Kreisen Agnolis Namen wieder häufiger, schließlich hat der im der Schrift zur Transformation eine der bekanntesten Parlamentarismuskritiken überhaupt verfasst. Leider wird von den Kritikern der hiesigen sogenannten Demokratie meistens mit Halbwissen jongliert. Auch ich selbst stelle da wohl keine rühmliche Ausnahme dar. Deshalb wird der folgende Beitrag diesem Bedauerlichen Zustand zwar keine abhilfe schaffen, aber vielleicht bekommt ja der eine oder die andere von Euch nach diesem kleinen Einblick Lust sich selbst noch mal eingehender der den Theorien Johanns Agnolis zu beschäftigen.

Kommunismus ist gut, aber Kalbshaxe ist auch nicht ohne
Dieser Satz ist von Johannis Agnoli, dem aus Italien stammenden und an der FU in Berlin lehrenden Anarcho-Kommunisten.
Viele Anekdoten ranken sich um den 2003 verstorben Johannis Agnoli, so zum Beispiel folgende Geschichte, die Agnolis Umgang mit der marxistischen Orthodoxie veranschaulichen soll:
In einem Gespräch mit Ernest Mandel referierte Agnoli die Kritik eines "begabten Genossen": Die These, der Klassenkampf reduziere sich zum Verteilungskonflikt in Agnolis berühmter Schrift "Die Transformation der Demokratie", sei gerade "kein Ergebnis bewusster Strategie, sondern Ergebnis der Verkehrung des Klassenverhältnisses in der Produktion von Wert und Mehrwert durch die Entwickelte Oberfläche der Konkurrenz". Als Agnoli darauf von dem entgeisterten Ernst Mandel gefragt wurde, was das denn heiße, antwortete dieser gut gelaunt: "Das weiß ich auch nicht, aber ungeheuer theoretisch und durchdacht klingt es allemal."

Einen provozierenden Intellekt und antiautoritären Witz habe er besessen, ein meister der Ironie sei er gewesen, kann man den Nachrufen entnehmen. Hört sich ziemlich interessant an. Nur leider betrat unsereins ja erst im Jahre 2003 die universitäre Bühne und muss sich deshalb damit abfinden, dass man Agnoli ebenso wie so einige andere Größen der linken Theoriegeschichte GANZ KNAPP verpasst hat. Naja aber uns bleiben ja die Texte… In Agnolis fall ist es vor allem die 1967 erschienene Transformation der Demokratie, die –so sagt man- zur Biebel der außerparlamentarischen Opposition wurde.

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Ab hier nornoch so etwa...
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Zusammenfassung Transformation der Demokratie
- In seiner auf die BRD bezogene Analyse konzentriert er sich auf das Parlament als wichtigsten Teil demokratischer Strukturen.
- Der Staat hat, laut Agnoli die Aufgabe die Funktionsfähigkeit des Kapitalismus zu gewährleisten.
- Unversöhnliche Interessengegensätze => Konflikt der Herrschaftsverhältnisse antastet und Frage nach der politischen und gesellschaftliche Macht neu stellt
- Wichtigster Mechanismus: Durch Integration und Befriedung verhindert werden. Konflikte entschärft und Institutionalisiert werden.
- Demnach ist die parlamentarische Demokratie keine Organisationsform einer Gruppe von selbstbestimmten Individuen, sondern dient in erster Linie der Aufrechterhaltung und Absicherung der asymetirischen Machstrukturen.
- „Es dient keinem Herrschaftssystem, wenn die Techniken des Herrschens den Beherrschten zu Bewusstsein gebraucht werden.“ (S.12)
Im laufe der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft hat sich erwiesen, dass die strukturelle Benachteilung und Exklusion „der Massen“ aus den Entschiedungsprozessen so am besten zu bewerkstelligen.
- Besondere Rolle spielen die Parteien und Organisationen, die ursprünglich Intressenverterungen darstellten.
- Vereinnahmung (Bsp. Grüne)
- Oligarchisierung, nur scheinbare Pluralität, tatsächlich Angleichung, tatsächlich Konkurrenzzirkulation pol. Führungsgruppen
- „In der Gesellschaft vorhandene, teils sich hart widersprechende Kräfte sollen parlamentarisch und durch das Parteiensystem nicht reproduziert und damit politisch potenziert, sondern repräsentiert, und in ihrer Widersprüchlichkeit entschärft werden.“
- Oder anderes formuliert: Der Konflikt wird mit der Verlagerung ins Parlament von der Produktionsebene auf die Distributionsebene Verteilt werden

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Am Schluss kommt noch ein frei eingesprochener Teil: Passt Agnolis Theorie noch auf die heutigen Umstände?
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