Basisbewegung im Irak (für zip-fm)

ID 11091
 
Nachrichten aus dem Irak befassen sich mit einer kleinen Themenauswahl. An erster Stelle stehen Gewalttaten, häufig wird von bewaffneten Angriffen auf die US-Militärs berichtet, 450 Besatzungs-Soldaten sind im vergangenen Jahr getötet worden. Am zweithäufigsten hören und lesen wir von den schwierigen Schritten hin zu einer irakischen Regierung. Derzeit etwa berät das sunnitische Parteienbündnis „Irakische Eintracht“ gemeinsam mit kurdischen und schiitischen Gruppen über eine gemeinsame Regierungsbildung. Damit hat die wichtigste politische Gruppierung der Sunniten offenbar ihren Protest gegen die Parlamentswahl vom 15. Dezember aufgegeben. Insbesondere weltliche Schiiten hatten gegen die bislang bekannten Ergebnisse der Wahl vom 15. Dezember protestiert und von Wahlbetrug zugunsten der religiösen Schiiten gesprochen.
Jenseits dieser großen, schlagzeilenträchtigen Themen aber erfahren wir kaum etwas über Basisgruppen. Darüber, ob und in welcher Form es Bewegung gibt jenseits von Besatzung, Protest und Angriffen dagegen sowie offizieller Regierungspolitik. Andreas Klug von Radio Dreyeckland aus Freiburg hat in diese Richtung seine Fühler ausgestreckt.
Audio
06:43 min, 4720 kB, mp3
mp3, 96 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 03.01.2006 / 14:45

Dateizugriffe:

Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Internationales, Wirtschaft/Soziales
Serie: zip-fm - Einzelbeitrag
Entstehung

AutorInnen: ak/rdl
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 03.01.2006
keine Linzenz
Skript

Wer heute durch Bagdad fährt spricht arabisch, ist orientalisch gekleidet und augenscheinlich hier aufgewachsen – oder lebensmüde. 120 zivile nicht-Iraker soll es in der Irakischen Hauptstadt noch geben, in der weltoffenen, multikulturellen Metropole von einst. Und für die ist das Leben so gefährlich geworden, dass sie den Weg etwa von ihrem Journalisten-Hotel zu einem Gesprächstermin im gepanzerten Wagen zurücklegen. Oder so unauffällig wie möglich, im klapprigen Taxi und dem Wissen darum, dass er oder sie dennoch auffällt, am Gang, den Schuhen, oft auch einfach wegen der Größe.

In Bagdad herrscht wenn nicht Bürgerkrieg, so doch Ausnahmezustand, die modern bewaffneten Exponenten sind die US-geführten Besatzungstruppen einerseits und terroristisch agierende oft kriminelle Gruppen auf der anderen. Dass es hier so etwas wie fortschrittliche Kräfte, eine progressive Art Basisbewegung geben könnte jenseits ethnischer, krimineller oder religiöser Konflikte ist kaum denkbar. Und dennoch, es gibt sie – und nicht zuletzt im Interesse der USA liegt es, genau solche Kräfte wohl dosiert zu stabilisieren.

Eine interessante Rolle spielt hier die irakische kommunistische Partei, säkular, ohne ethnische Ressentiments und: von den USA durchaus geduldet. Eine kommunistische irakische Partei allerdings unter Mitwirkung ehemaliger Mitglieder der Baath-Partei Saddam Husseins. So die Einschätzung von Mary Kreutzer von der entwicklungspolitischen Gruppe wadi aus Österreich:

Wadi-O-Ton bis „staat wird“

Neben dieser Arbeit auf Parteienebene gibt’s im Irak respektable Gewerkschaftsarbeit. Viele der Gewerkschaften stehen in engem Verbund mit weiteren gesellschaftlichen Gruppen. Zahlenmäßig recht stark ist die „Allgemeine Föderation der Irakischen Gewerkschaften“, eng angebunden an den obersten Rat der islamischen Revolution – und damit an die aktuelle Übergangsregierung. Der Irakische Gewerkschaftsbund IFTU dagegen ist eine Art Nachfolgeorganisation des allgemeinen Gewerkschaftsbundes aus der Zeit des Baath-Regimes, er sicherte sich die alten Mitgliederlisten, ist von der Besatzungsmacht offiziell anerkannt, hat allerdings eher den Charme einer von oben gegründeten Organisation.

Auf Gewerkschaftsebene am kämpferischsten ist einen Reihe starker, unabhängiger Gewerkschaften im Ölsektor, die bedeutendste ist die GUOE, die Allgemeine Gewerkschaft der Beschäftigten im Ölsektor mit Sitz in Basra. Die GUOE hat ihre Wurzeln in der Gewerkschaft der Südlichen Ölgesellschaften, die bereits im April 2003 – zwei Wochen nach Einmarsch der Besatzungstruppen – gegründet wurde. Sie ist nun ein Zusammenschluß mehrerer Gewerkschaften aus der Energiebranche, in denen über 23 000 Beschäftigte aus den neun irakischen Konzernen organisiert sind.
Auch wenn die AktivistInnen verschiedenen Parteien angehören können, so ist die GUOE parteipolitisch und weltanschaulich neutral. Zum Grundkonsens der Gewerkschaft gehört die prinzipielle Ablehnung der militärischen und wirtschaftlichen Besatzung des Landes sowie der Privatisierung allgemein. Die Ressourcen und die Industrie werden als Eigentum der irakischen Bevölkerung betrachtet. Der Reichtum des Iraks soll allen Irakern zugutekommen, Ziel sind die Beseitigung der Armut und der Wiederaufbau des Landes. Joachim Guilliard vom Heidelberger Friedensforum hierzu:

O-Ton Guilliard zu Gewerkschaften

Und schließlich – was zunächst vielleicht nicht zum hiesigen Bild des Irak passt – gibt’s im Irak durchaus Intellektuelle, die sich engagieren für den Aufbau eines Irak nach Saddam Hussein aber auch nach einem Ende der US-Besatzung. Und: Unter den fortschrittlichen Gruppen im Irak gibt es eine Frauenbewegung. Nochmal Mary Kreutzer von der entwicklungspolitischen Gruppe wadi aus Österreich:

O-Ton Wadi 10:32 Frauenbewegung bis 11:50

Kommentare
10.01.2006 / 23:40 wolli, Radio Unerhört Marburg (RUM)
gesendet
im zip-fm 10.01.06