Focus Europa 53 vom Mi, 12.4.2006

ID 12284
 
- 60 Jahre internationaler Gerichtshof
- Ausschreitungen in Nepal
Audio
15:31 min, 14 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 12.04.2006 / 12:30

Dateizugriffe:

Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Politik/Info
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: Nico Storz, Manu Wipperfürth
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 12.04.2006
keine Linzenz
Skript
Kathmandu – In Nepal eskalieren die seit Tagen andauernden Aufstände gegen König Guyandera. Trotz Ausgangssperre und Demonstrationsverbot ziehen in Nepal täglich tausende menschen auf die Straße. Ein von den sieben größten Parteien unterstützter Generalstreik der Rebellen legt das Land seit Tagen lahm. Die Polizei schoss gestern auf Demonstranten und verletzte hunderte Personen, auch am wochenende starben drei Menschen bei Ausschreitungen. Hunderte Menschen, darunter auch dutzende Journalisten und Ausländer, wurden festgenommen. Nun rief auch die europäische Union die Konfliktparteien zur Zurückhaltung auf.

Auch wenn es derzeit scheint, als wären die Aufstände auf einem Höhepunkt angelangt, eine neue Entwicklung sind sie nicht. Schon seit Jahren halten maoistische Rebellen das Land in Atem und rufen regelmäßig zu Generalstreiks auf. Studenten, Rebellen und Demokraten gehen regelmäßig gegen den König auf die Straße, zu Toten und Verletzten kommt es immer wieder. Woher kommt diese Entwicklung? Welche Forderungen habe die Menschen, die in Nepal seit Jahren auf die Straße gehen?

Im Jahre 1990 wurde in Nepal eine neue Verfassung eingeführt. Diese setzte teilweise die lange geforderten Reformen um, die in Nepal die Demokratie einführen sollten. Korruption und Vetternwirtschaft dominierten die Zeit vor und nach der Reform, die Regierung konnte in der Bevölkerung kaum Vertrauen schaffen.

Trotz seiner umstrittenen Handlungen war König Birendra der entscheidende stabilisierende Faktor in Nepal. Die neue Verfassung erlaubte ihm umfassende Eingriffe in die Politik, Notstandsgesetze etwa müssen erst nach drei Monaten vom Repräsentantenhaus bestätigt werden.


Im Jahre 1995 kam es zu einer Spaltung der regierenden Kommunistischen Partei. Dabei entstand eine maoistische Gruppierung, die seit 1996 gegen das Königshaus ankämpft. Sie fordert unter anderem eine verfassungsgebende Nationalversammlung. Daneben kämpfen die Maoisten gegen das hinduistische Kastensystem, das Großteile der Bevölkerung entmündigt und insbesondere Frauen unterdrückt. Ihr Ziel ist ein sozialistischer Staat, in ihrem Kampf gegen den König finden sie jedoch viel Rückhalt auch im demokratischen Lager.

Am 1. Juni 2001 kam es zu einem blutigen Massaker im Königshaus. Nahezu die gesamte königliche Familie wurde dabei getötet. Die Hintergründe des Massakers liegen im dunkeln, laut offizieller Stellungnahme soll der Kronprinz dass Massaker verübt und anschließend sich selbst erschossen haben. Kaum jemand im Land glauben jeodch dieser Meldung. Viele sehen die Verantwortung bei Gyanendra, einem Bruder des verstorbenen Königs, der nach dem Massaker die Macht an sich nahm.

Gyanendra gilt als Korrupt und Machtbessessen. Rückhalt in der Bevölkerung findet er keinen. Viele begehren gegen ihn auf. Die alten Königsbilder wurden selbst in amtlichen Gebäuden kaum gegen neue ausgetauscht. Nur noch die Polizei und das Militär sichern seine Präsenz. er selbst kann den Königspalast praktisch nicht mehr verlassen.

Die maoistischen Rebellen finden derweil in der Bevölkerung starken Rückhalt. In ihren Reihen kämpfen Frauen gleichberechtigt neben Männern. Obwohl viele Menschenrechtsverletzungen auch auf das Konto der Rebellen gehen, scheinen ihre Forderungen in der ländlichen Bevölkerung Anklang zu finden. Ende 2002 kontrollierten die Rebllen 55 der 75 Distrikte des Landes.

Am 22. Mai 2002 rief der neue König Gyanendra den Notstand aus. Er entließ den Premierminister und ernannte eine Übergangsregierung. Die großen Parteien lehnten jedoch eine Mitarbeit ab, um für demokratische Wahlen zu demonstrieren.


Der Guerrilla-Krieg, der seit 2001 in Nepal herrscht, hat bisher knapp 10.000 Menschen das Leben gekostet. Der Großteil der Toten geht auf das Konto der Regierungsmilizen, rund ein Viertel wurden von den Rebellen getötet. Die Situation scheint verfahren. Friedensverhandlungen in der Vergangenheit scheiterten regelmäßig. König Gyanendra scheint keinen Schritt zurückzuweichen, nur mit Gewalt kann er sich an der Macht halten.

Die andauernden Proteste der letzten Tage sind keine neue Entwicklung in Nepal. Doch sie weiten sich aus und steuern auf einen Höhepunkt zu. Die Unterstützung der Rebellen durch die 7 größten Parteien spricht eine klare Sprache. Durch den seit 7 Tagen andauernden Generalstreik ist das Land gelähmt und die Regierung gelähmt. Es scheint daruaf hinauszulaufen, dass kein Weg mehr an einem Neuanfang vorbeiführt, wenn das Lnad bald ganz zugrunde gerichtet ist. Den König zu Unterstützen wäre dabei das Schlimmste, was die EU machen könnte.