Focus Europa 77 vom 16.05.2006

ID 12600
 
Nachrichten:
u.a. Mahmoud Abbas im EU-Parlament, EU-Absprache für Kongo-Einsatz, Antrag auf Aufhebung der Immunität des EP-Abgeordneten Tobias PFLÜGER, Frankreich: Massendemonstrationen gegen Verschärfung des Einwanderungsechts, Spanien: Aktionstag für das Recht auf bezahlbaren Wohnraum in 60 Städten

+ Sonderbeitrag: Bericht von der Kundgebung (Mo.15.5.06), gegen die Privatisierung städtischer Wohnungen in Freiburg
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18:45 min, 17 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 16.05.2006 / 12:45

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Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Politik/Info
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: hav, david
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 16.05.2006
keine Linzenz
Skript
Werfen wir zur Einleitung einen kurzen Blick darauf was sich im Europäischen Parlament und in der EU-Kommission heute so tut. Derzeit ist gerade wieder Plenarwoche und so gibt es heute ein volles Programm:
Das Europäische Parlament empfängt heute den Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud ABBAS, der ab 12 Uhr eine Rede vor den Abgeordneten halten wird. Darin wird es auch um die Frage der europäischen Finanzhilfen gehen. Die EU hatte als Reaktion auf den Wahlsieg der radikal-islamischen HAMAS alle Finanzhilfen eingefroren. Geßtern teilte die EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner bei einem Treffen der EU-Außenminister mit, dass ein neuer EU-Finanzplan für die Palästinenser verschoben würde. Neue Geldzahlungen für humanitäre Hilfe, die vorbei an der von der Hamas-Bewegung geführten Regierung direkt an die Bevölkerung geleitet werden sollen, wird es frühestens ab Juni geben. Gleichzeitig forderte die EU-Außenkommissarin Israel auf, die gestoppten Transfers von Zolleinnahmen an die Palästinenser wieder aufzunehmen.


EU-Absprache für Kongo-Einsatz
Brüssel. Das Kontingent für den EU-Einsatz im Kongo ist so gut wie komplett. Die EU-Verteidigungsminister einigten sich am Montag in Brüssel auf letzte Einzelheiten. Nach Angaben des deutschen Ressortchef Franz Josef Jung wollen sich 16 EU-Staaten an dem Einsatz beteiligen, so daß von einer »gemeinsamen Verantwortung« gesprochen werden könne. Die Details der Planungen sollten noch im Lauf dieser Woche abgeschlossen sein. Deutschland wird für den Einsatz genau wie Frankreich 500 Soldaten zur Verfügung stellen. Weitere 500 Soldaten wollen Spanien, Polen, Belgien, Schweden und die Niederlande abkommandieren. Die 1500 EU-Soldaten soll die bereits in dem Land stationierte 17000 Mann starke UN-Truppe der Mission MONUC unterstützen.


Heute um 15.00 Uhr wird die EU-Kommission eine Erklärung über die Fortschritte Rumäniens und Bulgariens auf dem Weg zum EU-Beitritt geben. Die Entscheidung darüber, ob die sog. Schutzklauseln Anwendung finden sollen - etwa eine Verschiebung des Beitritts um ein Jahr auf 2008 - wird voraussichtlich jedoch erst im Oktober von der Kommission getroffen werden.

Heute Morgen hat das Parlament bereits über das Programm "Marco Polo II" debattiert . Das Programm soll umweltfreundliche Verkehrsträger stärken um damit den Verkehr weg von der Straße auf andere Verkehrsträger zu verlagern.

Heftige Kritik an der Finanzpolitik der Mitgliedstaaten übt heute Dariusz ROSATI. Als Berichterstatter des Wirtschaftsausschuss konstatiert er einen (Zitat) "Mangel an politischem Willen zur Eindämmung der Staatsausgaben" – damit soll wohl gemeint sein, dass es in der EU zu noch mehr Kürzungen bei den Sozialausbgaben kommen soll.



Wenig erfeulich ist auch der Antrag auf Aufhebung der Immunität des deutschen PDS-Abgeordneten Tobias PFLÜGER über den just in diesem Moment im EU-Parlament debattiert wird. Der Rechtsausschuss hat bereits die Aufhebung der Immunität empfohlen. Hintergrund des Antrags ist ein Strafverfahren das die Münchner Staatsanwaltschaft eröffnen will. Tobias Pflüger wird vorgeworfen, bei einer Gegenveranstaltung zur 41. Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2005 zwei Polizeibeamten Polizeibeamten tätlich angegriffen und beleidigt zu haben.

Pflüger bestritt die Darstellung der beiden Polizisten. Sein Anwalt erklärte, Pflüger habe lediglich nach einer äußerst brutalen Festnahme eines Gegendemonstrantens sich über den Grund dieses Vorgehens informieren und eine weitere unrechtmäßige Behandlung des Festgenommenen unterbinden wollen. Pflüger habe dazu versucht mit dem hierfür verantwortlichen Polizeiführer in Kontakt zu kommen. Obwohl er sich ordnungsgemäß als Europa-Parlamentarier ausgewiesen habe, sei ihm dies durch die Beamten verweigert worden. Er habe aber weder Beamten beleidigt noch angegriffen

Tobias Pflüger ist als Antilmilitarist ein profilierter Kritiker der Münchner Sicherheitskonferenz. Alles sieht danach aus, das die Staatsanwaltschaft München ihn für seine jahrelange Arbeit gegen Militarisierung und Aufrüstung abstrafen will. In der Vergangenheit war die Münchner Polizei immer wieder durch ihr brutales Vorgehen gegen Gegendemosntranten aufgefallen. Das es dabei immer wieder zu rechtswidrigen Verhaftungen durch die Polizei kam, wurde zuletzt auch durch mehrere Gerichtsprozesse bestätigt, bei denen Demonstranten gegen die Münchner Polizei geklagt hatten.

Die Fraktion Vereinte Europäische Linke
Nordische Grüne Linke , der Tobias Pflüger angehört, wird eine Rücküberweisung des Antrags in den Rechtsausschuss beantragen, u.a. weil die Anhörung von Tobias Pflüger enorm verkürzt stattfand und weil bei der Abstimmung im Rechtsausschuss lediglich 8 von 25 Mitgliedern anwesend waren.


KOMMEN WIR ZU DEN weiteren NACHRICHTEN DES TAGES.......


Frankreich: Massendemonstrationen gegen Verschärfung des Einwanderungsechts
Zehntausende Menschen haben am Wochenende in ganz Frankreich gegen die Verschärfung des Einwanderungsrechts demonstriert. Nach Angaben der Organisatoren gingen allein in Paris 35000 Menschen auf die Straße. Ein breites Bündnis von insgesamt 400 Organisationen, darunter Einwanderer- und Menschenrechtsgruppen, linke Parteien und Gewerkschaften, hatte zu dem Protest aufgerufen. Das Gesetz soll die Einwanderung unerwünschter Migranten verhindern: Es beschränkt unter anderem die Familienzusammenführung und schafft die automatische Einbürgerung nach zehnjährigem Aufenthalt in Frankreich ab. Ausländische Ehepartner sollen künftig erst drei Jahre nach der Hochzeit zehn Jahre Bleiberecht beantragen können. Studenten, Forscher und hoch Qualifizierte aus Nicht-EU-Ländern sollen dagegen schnell für zunächst drei Jahre ins Land dürfen. Wie von Sarkozy gefordert, soll auch beschlossen werden, jenen Ausländern die ständige Aufenthaltsgenehmigung zu entziehen, die wegen sogenannter »urbaner Gewaltakte« verurteilt wurden. Sarkozy hatte diese Maßnahme im vergangenen Herbst im Anschluß an die wochenlangen gewalttätigen Ausschreitungen in den benachteiligten Vorstadtzonen angekündigt. Ihre Wohnsitzkarte soll durch eine provisorische Aufenthaltsgenehmigung ersetzt werden.Die linke Opposition wirft Innenminister Nicolas Sarkozy vor, mit der Verschärfung des Ausländerrechts ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl um Stimmen der extremen Rechten zu werben. Auch die Kirchen hatten den Gesetzesentwurf kritisiert. Teile des Gesetzes wurden bereits verabschiedet. Nach den erfolgreichen Massenprotesten gegen den CPE, der die Abschaffung des Kündigungsschutzes für Jugendliche vorsah, hoffen die Protestorganisatoren nun auf einen ähnliche große Mobilisierungswelle mit der die Verschärfung der Einwanderungsgesetze wieder rückgängig gemacht werden kann.


Spanien: In 60 Städten forderten junge Leute am Sonntag das Recht auf bezahlbaren Wohnraum ein
Die spanische Jugend begehrt auf und fordert bezahlbare Wohnungen. In 60 Städten wurde am Sonntag protestiert, um das »Recht auf würdigen Wohnraum«, wie in der Verfassung verankert, einzufordern. Dabei wurden vor allem Internet und Kurzmitteilungen per Handy genutzt, um im gesamten Land spontan zu Aktionen zu mobilisieren. Niemand weiß genau, wer der Urheber war. Klar ist nur, daß die Aufrufe massiv befolgt und weitergeleitet wurden.

Überall kam es zu Sitzstreiks, Demonstrationen und Straßenblockaden. In der baskischen Metropole Bilbao besetzten Jugendliche in der Altstadt ein Haus für ein Gaztetxe (Jugendhaus). In dem Zentrum soll die Jugend einen Treff- und Organisationspunkt erhalten, erklärten Sprecher der Hausbesetzerbewegung.

In der Hauptstadt Madrid ging die Polizei gewaltsam gegen knapp 2000 Protestierende vor. Die Hafenstadt Barcelona verzeichnete mit mehr als 2000 Teilnehmern die größte Beteiligung. Dort sind Wohnungen noch teurer als in der Hauptstadt, wo fast 250000 Euro für eine kleine Wohnung bezahlt werden muß. Wegen dieser Preise ist es normal, mit mehr als 30 Jahren noch bei den Eltern zu leben. Mietwohnungen gibt es kaum. Zudem können sie von jungen Leuten wegen der hohen Mieten oft nicht bezahlt werden. Verschärft wird das Problem durch eine hohe Jugendarbeitslosigkeit.

Für die hohen Preise ist auch die Immobilienblase verantwortlich, die immer weiter aufbläht. Seit 1997 stiegen die Immobilienpreise um 150 Prozent. Viele Immobilienkäufer müssen hohe Hypotheken aufnehmen, die sie fast ein Leben lang abtragen. An Wohnungen fehlt es nicht. In den letzten Jahren wurden in Spanien jährlich mehr gebaut, als in Frankreich, Deutschland und Italien zusammen. Viele Wohnungen stehen leer, sind unbezahlbar oder dienen der Spekulation.

Und nun zu unserem Bericht über die Kundgebung vom 15.5.06. gegen die Privatisierung städtischen Wohnraums in Freiburg....