focus-europa nr. 147 vom 22.8.2006

ID 13636
 
Nachrichten:
- Kinshasas Flughafen besetzt
- Spionageabwehr gegen Flüchtlinge
- Die grosse Überwachungskoalition
- EU richtet verpackungschaos an

Interview: mit Achim Neumann von Verdi zum Schwarzbuch Lidl Europa
Audio
15:25 min, 14 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 22.08.2006 / 12:32

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Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Umwelt, Arbeitswelt, Internationales, Wirtschaft/Soziales
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: hav/david
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 22.08.2006
keine Linzenz
Skript
Kinshasas Flughafen besetzt - Einsatz für EU-Truppe

Nach heftigen Kämpfen in Kinshasa ist am Dienstagmorgen der Flughafen der kongolesischen Hauptstadt besetzt worden. Bei den Besatzern handle es sich um Regierungssoldaten, berichtete der südafrikanische Rundfunk. In der Stadt seien am Morgen erneut Detonationen zu hören gewesen. Zuvor sei noch der südafrikanische Botschafter in seine Heimat ausgeflogen worden, nachdem Soldaten der EU-Truppe ihn und 13 weitere Botschafter in Sicherheit gebracht hatten. Die Kämpfe waren nach Bekanntgabe der Ergebnisse der Präsidentenwahl vom 30. Juli ausgebrochen.
Die Hilfsaktion für die Botschafter war der erste offizielle Einsatz der europäischen Einheit EUFOR, die unter Führung der deutschen Bundeswehr steht Eine spanische Kompanie hatte gemeinsam mit einer Kompanie der UN-Truppen die Diplomaten aus einer umkämpften Zone der Hauptstadt in Sicherheit gebracht. Die Botschafter seien bei einer Unterredung im Haus von Vize-Präsident Jean-Pierre Bemba von der Präsidentengarde beschossen worden und hätten um Hilfe gebeten.
Spionageabwehr gegen Flüchtlinge

Das Auswärtige Amt und die deutsche Auslandsspionage (BND) koordinieren ihre Aktivitäten bei der Flüchtlingsabwehr in einer gemeinsamen Leitstelle. In dem "Gemeinsamen Analyse- und Strategiezentrum Illegale Migration" (GASIM)fließen Erkenntnisse der deutschen Spionage-Agenturen und der diplomatischen Vertretungen im Ausland mit Informationen der Polizeibehörden zusammen. Damit führt der Berliner Kampf gegen Armutsbewegungen und politische Schutzsuche zu einer weiteren
Verdichtung der deutschen Repressionsapparate, deren Zentralisierung im Ausland Interesse hervorruft.
Wie das Bundesinnenministerium vermeldet, bestehen seit vergangenener Woche direkte Kontakte zwischen der GASIM-Leitstelle und dem russischen Innenministerium. Auch Behörden anderer Staaten dient sich das GASIM an und fungiert als weiterer Transmissionsriemen der deutschen Flüchtlingspolitik.
EU richtet Verpackungschaos im Supermarkt an

Deutsche Verbraucherschützer haben die EU-Kommission aufgefordert, die bisher geltenden festen Verpackungsgrößen für Nahrungsmittel und Kosmetika nicht anzutasten. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) befürchtet, dass der von Brüssel geplante Wegfall verbindlicher Packungsgrößen zu versteckten Preiserhöhungen führen wird. "Die Packungen werden kleiner, aber der Preis bleibt gleich", sagte Sylvia Maurer vom vzbv dem "Tagesspiegel am Sonntag".
Die EU-Kommission will feste Verpackungsgrößen nur noch für Wein und Spirituosen beibehalten. Bei allen anderen Waren sollen die Hersteller künftig nach eigenem Ermessen ihre Verpackungsgrößen festlegen dürfen. Dann könnte es beispielsweise auch 95-Gramm-Tafeln-Schokolade oder 0,38-Liter-Limonadenflaschen geben. Die Arbeiten an einer entsprechenden EU-Richtlinie sollen im September fortgesetzt werden.

Die große Überwachungs-Koalition

Die Stimmung ist nervös, um nicht zu sagen: hysterisch. Das Innenministerium in Berlin warnt vor anhaltender Attentatsgefahr.
In Großbritannien erzwingen Passagiere eines Ferienfliegers den Hinauswurf angeblich verdächtiger Männer, weil sie "asiatisch" aussahen und Arabisch sprachen. Die Deutsche Bahn kündigte an, ihre Videoüberwachung auszuweiten. In Deutschland ist nach den vereitelten Anschlägen von Kiel ein Thema, das lange Zeit erbitterte politische Kontroversen garantierte, binnen Kürzestem in weiten Bereichen konsensfähig geworden. Von einer sich formierenden "großen Koalition für mehr Videoüberwachung", an der selbst die Grünen teilhaben wollten, sprach der Spiegel online am Montag.

So lobte Bundeskanzlerin Angela Merkel die Videoüberwachung bei einer Pressekonferenz am Montag in Berlin als ein "wichtiges Element zur Erhöhung der inneren Sicherheit". Man werde "aus den Ereignissen von Kiel und aus den geplanten Anschlägen im Bereich der Bahn auch die notwendigen Konsequenzen ziehen müssen", setzte sie nach. SPD-Chef Kurt Beck sekundierte in der Frankfurter Rundschau: Er könnte sich eine vermehrte Videoüberwachung auf Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen vorstellen, sofern die Erlaubnis zur Speicherung der Aufnahmen strikt begrenzt bleibe.

Es gibt aber auch kritische Stimmen gegen die gesteigerte Schaulust bei Politikern und staatlichen Sicherheitsbehörden: So warnte der deutsche Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar vor einer totalen Überwachung mit Videokameras. "So etwas darf es nicht geben", sagte Schaar am Montag im Deutschlandfunk. Man müsse sich über besonders gefährdete Bereiche Gedanken machen und diese gegebenenfalls mit Kameras überwachen. Die Aufnahmen dürften aber nicht in falsche Hände geraten.
Zur geplanten Anti-Terror-Datei sagte Schaar, dass man nicht alle Informationen der Nachrichtendienste ungefiltert der Polizei zur Verfügung stellen könne. "Da bin ich absolut dagegen."
Sowohl unter Datenschutzgesichtspunkten und weil die verschiedenen Sicherheitsbehörden unterschiedliche Kompetenzen hätten und sehr unterschiedliche Personenkreise speichern, sei dies "unvertretbar".