focus europa nr.164

ID 13868
 
Nachrichten,
Beitrag zur Abstimmung über die Neuauflage des Asyl- und Ausländergesetzes in der Schweiz am 24.September von Radio Rabe aus Bern.
Audio
16:21 min, 15 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 14.09.2006 / 12:30

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Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Internationales, Wirtschaft/Soziales
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: hardy, anke
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 14.09.2006
keine Linzenz
Skript
Festung Europa: Massenabschiebungen nach Mauretanien und Senegal vereinbart

Die EU reagiert mit verstärkter Repression auf afrikanische Massenfluchten. Vier Abkommen seien zwischen Madrid und Mauretanien unterzeichnet worden, erklärte das spanischen Justizministerium. Deren Kern bildet die Verpflichtung des von Spanien weitgehend abhängigen westafrikanischen Staats, alle zukünftig Abgeschobenen wieder aufzunehmen. Eine ähnliche Vereinbarung war bereits mit Senegal abgeschlossen worden, dem südlichen Nachbarn Mauretaniens. Dorthin begannen am Dienstag von den Kanarischen Inseln aus Massendeportationen.
Details wollte Spaniens Arbeits- und Sozialminister Jesus Caldera nicht nennen. Der Senegal habe sich »Diskretion erbeten«, weil das Thema dem »Ansehen der Politiker« in den Herkunftsländern der Flüchtlinge schade. Noch am Dienstag hatte sich der senegalesische Innenminister Ousmane Ngom bezüglich der »Rückführung« seiner Landsleute gebrüstet, daß die Zusammenarbeit zwischen seiner und der spanischen Regierung »exzellent« sei. Allerdings forderte er zugleich, bei den Transporten müßte doch die »Menschenwürde gewahrt bleiben«. Der Minister versuchte so, der massiven Kritik im eigenen Land vorzubeugen. Bereits Ende Mai hatte Spanien 99 Senegalesen abgeschoben. Die geplante Deportation von 600 weiteren Flüchtlingen mußte jedoch im Juni ausgesetzt werden, nachdem in Senegals Hauptstadt Dakar die Proteste gegen den menschenunwürdigen Umgang mit den in Handschellen gefesselten Menschen massiv zugenommen hatten.
Jetzt soll nun »menschlich« deportiert werden.
EU soll verzögerte Schengen-Erweiterung im Oktober absegnen

Nach Bekanntwerden von Verzögerungen beim Schengen-Beitritt der osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten werden die EU-Innenminister bei ihrem nächsten regulären Treffen am Oktober in Luxemburg einen neuen Zeitplan absegnen. Dies kündigte Friso Roscam-Abbing, der der Sprecher von EU-Justizkommissar Franco Frattini, am Montag in Brüssel an. EU-Diplomaten erklärten, es gebe keinen Zweifel daran, dass die technische Voraussetzung für den Schengen-Beitritt neuer Mitglieder - die Polizei-Datenbank SIS II - erst im Herbst 2008 einsatzbereit ist.
Der Kommissionssprecher bestätigte, dass eine Gruppe von technischen Experten vergangene Woche den "revidierten Zeitplan" für das In-Kraft-Treten von SIS II ausgearbeitet hat. Demnach verzögert sich der technische Start von SIS II gegenüber den ursprünglichen Planungen um ein Jahr. Sollte SIS II tatsächlich erst im Oktober 2008 einsatzbereit sein, werde die Aufhebung der Grenzen zu den neuen EU-Staaten und zur Schweiz wohl erst Anfang 2009 erfolgen, da dafür auch formale Vorbereitungen erforderlich seien, sagte ein Diplomat in Brüssel.
Die Probleme seien "extrem technisch", sagte der Kommissionssprecher. Es handle sich vor allem um Schwierigkeiten bei der Integration der neuen Datenbank in Straßburg in das laufende System.
Die EU-Minister werden die geänderte Situation bei ihrem Treffen Anfang Oktober voraussichtlich zur Kenntnis nehmen, hieß es in diplomatischen Kreisen. Allerdings sei mit Protesten einiger neuer Mitgliedstaaten zu rechnen. Vor allem Slowenien und Ungarn seien bestützt über die Verzögerungen.
Genreisskandal: Schwere Vorwürfe gegen Bayer

Der Skandal um Genreis zieht immer weitere Kreise. Laut einer Mitteilung der Europäischen Kommission vom Dienstag sei jede fünfte Langkornreisprobe in der EU mit genmanipuliertem Reis verunreinigt gewesen, der in keinem Land der Welt eine Zulassung als Lebensmittel hat. Der Discounter Aldi nahm inzwischen die Sorte »Bon-Ri« aus dem Handel, da dieser laut Untersuchungen von Greenpeace mit Genreis verunreinigt ist.
Der Gentechnikexperte der Organisation, Henning Strodthoff, erhob auf der Website der Organisation schwere Vorwürfe gegen den Bayer-Konzern. Dieser habe Laboren Referenzmaterial für den LL601-Gen-Reis verweigert, der wahrscheinlich für die Verunreinigungen verantwortlich ist. »Damit wird die Überwachung der Nahrungskette unnötig erschwert«, so Strodthoff, der eine internationale Datenbank für alle Gen-Pflanzen forderte.
Bayer ist nach dem Monsanto-Konzern weltweit zweitgrößter Anbieter von Gen-Saatgut. In Europa will das Unternehmen gentechnisch veränderte Pflanzen wie Raps, Zuckerrüben, Kartoffeln und Mais in den Markt drücken. Wesentlich umfangreicher ist das Engagement in Asien. wo Bayer die Sorte »LL-Rice62« vermarkten will. Dieser ist unempfindlich gegen den Einsatz von Pestiziden. So kann der Absatz des Bayer-Agrogifts Glufosinat angekurbelt werden.
Die flächendeckende Einführung von Genreis hätte dramatische Konsequenzen: Reis ist für 2,5 Milliarden Asiaten das Hauptnahrungsmittel und wird weltweit exportiert. Rund 50 Millionen Menschen arbeiten im Reisanbau. Landwirte, die bislang durch Tausch und Eigenzüchtung ihr Saatgut selbst produzieren und weiter entwickeln, dürften ihre Ernte künftig wegen des Patentschutzes nicht wieder aussäen. Statt dessen müssen sie Jahr für Jahr neues Saatgut und die zugehörigen Pestizide von den Konzernen erwerben.Hinzu kommen ökologische Risiken: Studien haben nachgewiesen, daß Auskreuzungen von Genreis auch naturbelassene Sorten kontaminieren.
Freie Fahrt für Billiglöhne. Neuer Streit um Dienstleistungsrichtlinie

Die EU-Kommission wollte die große Kapitalisten-Freiheit auf dem Dienstleistungsmarkt. Die Gewerkschaften warnten vor Sozialdumping und einer Welle von Billigarbeitern aus dem Osten. Mit dem Kompromiss zur umstrittene Dienstleistungsrichtlinie, der Anfang des Jahres im Europäischen Parlament erreicht und in wenigen Wochen festgeklopft werden wird, schienen alle Seiten zufrieden. Das Gegenteil ist aber der Fall.
Die EU-Kommission wollte in der ursprünglich Form Firmen, die in einem europäischen Gastland tätig werden, von vielen Auflagen befreien: So sollte man sich zum Beispiel im Gastland nicht anmelden oder für Drittstaatsangehörige eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen müssen. Das Parlament kippte die umstrittenen Regelungen aus der Dienstleistungsrichtlinie.
Doch der zuständige EU-Kommissar Charlie McCreevy importierte die gestrichenen Passagen prompt in seine Neufassung der Entsenderichtlinie, die seit einigen Wochen vorliegt. Seither tobt das Parlament, Experten aller Fraktionen fühlen sich von der Kommission getäuscht. Nun hat der zuständige Ausschuss des Parlamentes die entsprechenden Passagen auf seine Streichliste gesetzt. Sie hätten, so sind sich die Arbeitsmarktexperten sicher, dazu geführt, dass das Kapital Jobs nur noch zu Hungerlöhnen angeboten hätte.
Die kämpferische Initiative der Parlamentarier könnte aber - ebenso wie der Beschluss des Parlamentsausschusses - am Ende wenig helfen. Der EU-Kommissar hat die Entsenderichtlinie nicht zufällig für seinen Vorstoß ausgesucht. Sie kann nämlich im Zweifel ohne Zustimmung der Abgeordneten allein mit einem "Ja" der Wirtschafts- und Arbeitsminister der Mitgliedstaaten in Kraft gesetzt werden. Und dort überwiegen diejenigen, die McCreevys Meinung über die Dienstleistungsrichtlinie teilen.
Und zum Schluss noch einige Personalspekulation in der EU-Kommission über den Rücktritt Solanas

Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana ist angeblich frustriert und möchte sich beruflich verändern - dieses Gerücht macht in Brüssel schon seit längerem die Runde. Wie nun die italienische Nachrichtenagentur ANSA in Erfahrung gebracht haben will, könnte dieses Ansinnen schon in den nächsten Wochen eine personalpolitische Kettenreaktion in der EU-Kommission auslösen. Klar ist, dass die anstehende Erweiterung der EU um Bulgarien und Rumänien ein Anlass ist, um die EU-Spitzenjobs neu zu besetzen. Als Anwärter auf seine Nachfolge gilt der deutsche Industriekommissar Günter Verheugen. Solana soll vor allem unzufrieden sein mit der doppelten EU-Außenvertretung durch Rat und Kommission.
Ursprünglich hätte Solana, der Generalsekretär des EU-Rates ist, mit dem In-Kraft-Treten der EU-Verfassung auch Vizepräsident der EU-Kommission und damit erster "EU-Außenminister" werden sollen. Das vorläufige Scheitern der Verfassung hat diese Option bis auf weiteres aber verhindert.
Abgesehen von Solanas Präferenzen muss EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso auch für die Zeit unmittelbar nach dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens planen.
Da vorerst jeder EU-Staat ein Anrecht auf einen eignen Kommissar hat, muss Barroso die Kompetenzen in Brüssel neu verteilen. Der Italiener Franco Frattini, bisher EU-Kommissar für Justiz und Inneres, könnte die Agenden rund um das Thema Einwanderung verlieren. Dass Frattini, der stets als treuer Gefolgsmann von Silvio Berlusconi galt, durch den Regierungswechsel in Rom hin zu Romano Prodi geschwächt ist, bestätigen offenbar auch Meldungen über die geplante Schaffung eines eigenen Posten für einen EU-Einwanderungskommissars. Doch das letzte Wort ist hier offenbar noch nicht gesprochen. Nach Einschätzung von Diplomaten sind diese Meldungen vorerst nur lancierte Spekulationen, um die Reaktionen der Öffentlichkeit zu testen.
Der Belgier Louis Michel könnte dem Vernehmen nach gezwungen werden, sich zwischen den Agenden Entwicklungshilfe und humanitäre Hilfe zu entscheiden. Das Sesselrücken könnte auch den Briten Peter Mandelson (Außenhandel), den Iren Charlie McCreevy (Binnenmarkt) und den Franzosen Jacques Barrot (Verkehr) betreffen. Die Niederländerin Neelie Kroes (Wettbewerb) dürfte hingegen aller Kritik zum Trotz fest im Sattel sitzen, ebenso wie die ehemalige österreichische Außenministerin Ferrero-Waldner.
Barroso könnte die bulgarischen und rumänischen Kommissionsmitglieder zunächst auch ohne Portefeuille belassen, wird in Brüssel spekuliert. Denn damit ein Kommissar bestätigt wird, braucht er ohnehin noch die Zustimmung des Europaparlaments. Und dieses hatte dem EU-Kommissionschef schon zu Beginn seiner Amtszeit einen Strich durch die Rechnung gemacht, als es den Italiener Rocco Buttiglione wegen Aussagen über Homosexuelle neben anderen als ungeeignet für den Kommissarsposten zurückwies.