focus europa nr. 167 vom 19.9.2006

ID 13918
 
Nachrichten:
- Babi Jar erinnerung
- DFG-VK gegen Bundeswehr Libanon einsatz
- Streik bei Allianz
- Kampf um europäisches Transportmonopol
- EU will eigene Schiffe für Grenzschutz

Interview:
- Lissy Schwemmer (radio Z) interviewt Bernd Mesovich von Pro Asyl
Audio
17:57 min, 16 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 19.09.2006 / 12:33

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Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Internationales, Wirtschaft/Soziales
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: hav/david
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 19.09.2006
keine Linzenz
Skript
Gedenken an Wehrmachtsverbrechen

In der Ukraine haben gestern mehrere hundert Menschen an das Massaker von Babi Jar erinnert, bei dem 1941 zehntausende Juden getötet wurden. Überlebende sowie Soldaten und ranghohe Vertreter der Ukraine und Israels gedachten der Massenerschießungen durch deutsche Truppen mit einer Schweigeminute und legten an einer Gedenkstätte in Kiew Blumen nieder. Ende September 1941 trieben deutsche Soldaten im besetzten Kiew Juden zur Schlucht von Babi Jar. Insgesamt wurden dort mehr als 33.700 ukrainische Juden getötet.


Bundeswehr-Einsatz im Libanon: DFG-VK fordert alle Abgeordneten auf, mit Nein zu stimmen

Der Landesverband Baden-Württemberg der Deutschen Friedensgesellschaft -
Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) wendet sich nach dem
Kabinettsbeschluss zur Entsendung von bis 2400 Soldaten an den Bundestag:
„Wir bitten alle Abgeordneten der Großen Koalition und von Bündnis 90/Die
Grünen, sich der FDP und der Linksfraktion anzuschließen und den Antrag der
Bundesregierung bei der Abstimmung am kommenden Mittwoch abzulehnen“ so Roland Blach, Landesgeschäftsführer der DFG-VK Baden-Württemberg.
Zudem müsse die Bundesregierung bei der morgigen Sondersitzung im Bundestag erklären wie sie die von Kanzlerin ausgegebene Order «Keine Beteiligung an einem Kampfeinsatz von Bodentruppen!» aufrechterhalten will. Nach neuesten Informationen aus der Netzeitung plädiert Washington dafür „deutsche Soldaten an der Grenze zu Syrien einzusetzen“. Sie solle den Waffenschmuggel über den Landweg verhindern. „Die Bundesregierung muss sich fragen lassen, ob der Einsatz der 2400 Soldaten nicht ein Türoffner ist für die Beteiligung an möglichen Kampfeinsätzen in der Region, auch gegenüber israelischen Soldaten“ so Blach.
63 % der Bundesbürger sprachen sich in der letzten Umfrage der ARD gegen
weitere Auslandseinsätze aus. Ein dauerhafter Frieden im Nahen Osten kommt
ohne Bundeswehr und deren forcierter „Heimlicher Aufrüstung“ (Spiegel
37/2006) aus und ist nur zu erreichen durch den Stopp von Rüstungsexporten
und der Einberufung einer ständigen Nah- und Mittelost-Konferenz unter
Beteiligung aller Staaten und relevanten Konfliktparteien der Region. Mit
dem Ziel der wechselseitigen Anerkennung aller Staaten der Region, inklusive
des zu errichtenden unabhängigen, lebensfähigen palästinensischen Staates
sowie der Errichtung einer ABC-Waffenfreien Zone im Nahen und Mittleren
Osten.
Die DFG-VK setzt sich in diesem Sinne im Rahmen der Kampagne „Schritte zu
Abrüstung“ (www.schritte-zur-abruestung.de) für eine konsequente jährliche
Reduzierung des Rüstungshaushaltes um mindestens 5 % ein. Zudem ist sie
Erstunterzeichner der jüngst angelaufenen Petition der Kooperation für den
Frieden an den Deutschen Bundestag zum Stopp deutscher Waffenlieferungen in den Nahen Osten (www.ippnw.de/kampagnen).
Streik bei Allianz
Köln. Rund 1200 Mitarbeiter der Allianz-Versicherungsgruppe protestierten am Montag in Köln mit einem ganztägigen Warnstreik gegen die geplanten Standortschließungen in Köln, Aachen und Dortmund und die Entlassung von 1600 Beschäftigten. Der Allianz-Konzern hatte im Juni angekündigt, trotz eines Rekordgewinns von 4,4 Milliarden Euro im Jahr 2005 bei der Versicherung bundesweit 5000 und bei der Tochter Dresdner Bank 2500 Stellen abbauen zu wollen. Die Gewerkschaft ver.di fordert vom größten deutschen Versicherungsunternehmen einen Sozialtarifvertrag, der den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis zum Jahr 2012 und die Sicherung aller Standorte festschreibt.

Kampf um europäisches Transportmonopol

Der Aufstieg des deutschen MAN-Konzern zum größten europäischen Lkw-Produzenten stößt auf Widerstand. Management sowie Großaktionäre des schwedischen Nutzfahrzeugherstellers Scania lehnen das Übernahmeangebot des Münchner Unternehmens ab. MAN will Scania für rund 9,6 Milliarden Euro in seinen Besitz bringen. Mit der Übernahme zielt MAN nicht nur auf eine Stärkung seiner europäischen Position, sondern auch auf Abwehr internationaler Konkurrenten. Aufsteiger aus Indien und der Volksrepublik China bedrängen das deutsche Unternehmen und machen ihm bisherige Absatzmärkte streitig. Die europaweite Konzentration der Lkw-Produktion bei MAN liegt im Interesse der gesamten deutschen Logistikbranche, die den kontinentalen Straßentransport weitgehend beherrscht. Das bereits jetzt feststellbare Niveau industrieller Standardisierung wird im Falle der MAN-Expansion zusätzlich erhöht - nach deutschen Vorgaben. Das Bundesverkehrsministerium hat bis Ende 2007 die Verabschiedung eines "Masterplans Güterverkehr und Logistik" angekündigt, mit dem die deutsche Position in den Bereichen Transport und Logistik weiter gestärkt werden soll.
Gelänge die Übernahme, würde MAN zum größten Lkw-Produzenten in Europa werden - vor DaimlerChrysler und Renault/Volvo und mit einem Marktanteil von über 25 Prozent. Weltweit wäre das Unternehmen die Nummer drei unter den Lastwagenherstellern. Der Zeitpunkt für die Übernahme ist günstig: Ab Oktober 2009 wird die Abgasnorm Euro 5 in Westeuropa eine Modernisierung zahlreicher Lkw-Fuhrparks erzwingen.
Die privatwirtschaftliche Expansion und nationalstaatliche Regulierung des Transportsektors wäre ohne ständige Ausdehnung der Europäischen Union für Berlin weitaus weniger profitabel. Im vergangenen Jahr hatten Fachleute erklärt, die deutsche Logistik verfüge wegen ihrer geographisch zentralen Lage in der osterweiterten EU über entscheidende Vorteile. Diese Vorteile lässt die Bundesregierung nun mit politischen Mitteln zur Geltung kommen. Dabei reicht der neue "Masterplan" weit über den Straßentransport hinaus und beinhaltet Konzepte für den Luftverkehr und für die deutschen Seehäfen. So heißt es etwa, der Flughafen Dubai könne europäische Standorte (darunter Frankfurt am Main) als Drehkreuz für den Handel zwischen den USA und Asien ablösen.Solche Hinweise erklären, warum deutsche Interessenten frühzeitig in der Lage sind, als Bieter im internationalen Luftfrachtgeschäft aufzutreten und zahlreiche ausländische Flughäfen zu übernehmen - zuletzt den Airport New Delhi und die bulgarischen Schwarzmeer-Flughäfen Bourgas und Varna.

EU will eigene Schiffe für Grenzschutz

Die EU-Grenzagentur Frontex die seit August Küstenpatroullieren gegen die Flüchtlinge aus Afrika organisert will langfristig einne eigene Grenztruppe mit eigenen Material aufbauen. Ziel sei, die Patrouillen langfristig mit eigenem Transportmaterial durchzuführen, sagte ein Sprecher von Justizkommisar Fratini. "Dies kommt einer eigenen EU-Grenztruppe sehr nahe." Zwar verfüge die Agentur über das nötige Mandat zum Ankauf von Infrastruktur, angesichts der jüngsten Flüchtlingskrisen seien derzeit allerdings keine zusätzlichen Ausgaben mehr möglich. Sobald die Kassen neu gefüllt wären, würden erste Käufe von Schiffen getätigt, so der Sprecher. Das könnte bereits 2007 erfolgen.
Für die erste Mission rund um die Kanarischen Inseln wurden im August rund 3,2 Millionen Euro freigegeben. Personal und Grenzschutzexperten blieben allerdings auch in Zukunft ihren Mitgliedstaaten unterstellt, sagte Frattinis Sprecher. EU-Grenzpersonal in eigenen EU-Uniformen sei nicht geplant.
Die EU-Kommission will im Oktober einen neuen Vorschlag zur Bewältigung der Flüchtlingsströme machen. Ersten Informationen zufolge fällt darunter auch die Stärkung von Frontex.

Was mit den Flüchtlingen passiert, die schon in Spanien gelandet sind erfahren wir aus dem nachfolgenden Interview

Drohen Massenabschiebungen von den Kanarischen Inseln?

Während die Medien nicht müde wurden, die "Flut" von MigrantInnen zu thematisieren, die über die Küsten der Kanarischen Inseln die Festung Europa erreichten, hört man nun sehr wenig von den geplanten Massenabschiebungen von dort.
Ende letzter Woche hat die spanische Regierung begonnen, sogenannte Bootsflüchtlinge in den Senegal auszufliegen, und zwar ziemlich still und heimlich.
An die 24 000 Flüchtlinge sind in diesem Jahr bislang auf den Kanarischen Inseln gelandet, eine Zahl, die PRO ASYL alles andere als riesig findet. Droht all diesen Menschen nun die Abschiebung ohne irgendein reguläres Asylverfahren?
Lissy Schwemmer von Radio Z aus Nürnberg interviewte dazu Bernd Mesovich von Pro Asyl



Kommentare
19.09.2006 / 18:41 Bernd, Radio Blau, Leipzig
Radio blau
Gesendet am 19. September bei AKTUELL