focus-europa nr. 182 v. 10.10.2006

ID 14152
 
Nachrichten:
-Festung Europa I
Kompetenzen der EU-Grenzschutzagentur Frontex sollen ausgeweitet werden
- Festung Europa II
- Kriterien für türkischen EU-Beitritt umstritten
- EU uneins über Sanktionen gegen Weißrussland
Interview:
aus: bermudafunk Redaktion Restrisiko: Bulgariens akw
Audio
17:26 min, 16 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 10.10.2006 / 12:38

Dateizugriffe:

Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Umwelt, Internationales, Wirtschaft/Soziales
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: hav/david
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 10.10.2006
keine Linzenz
Skript
Festung Europa I
Kompetenzen der EU-Grenzschutzagentur Frontex sollen ausgeweitet werden

Rund ein Jahr nach der Arbeitsaufnahme der EU-Grenzschutzagentur Frontex am 3. Oktober 2005 verlangt der deutsche Innenminister neue Kompetenzen für die in Warszawa angesiedelte Behörde. Die Institution sei "bislang unzureichend mit Befugnissen und Personal ausgestattet", erklärt Wolfgang Schäuble vor dem bevorstehenden zweiten größeren Frontex-Einsatz, der die Flüchtlingsjagd vor der libyschen Küste intensivieren soll.
Der CDU-Politiker kündigte an, die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 sowie die beiden folgenden Ratspräsidentschaften (Portugal und Slowenien) zu nutzen, um einen "zusätzlichen regionalen Schwerpunkt" der Flüchtlingsabwehr in den "östlichen und südöstlichen Nachbarregionen der EU" aufzubauen ; von dort gelangen mehr Migranten nach Deutschland als von den EU-Südgrenzen. Zusätzlich verlangt der deutsche Innenminister die Einbeziehung der Geheimdienste in die Migrationskontrolle und fordert die Regierung in Warszawa auf, polizeiliche und nachrichtendienstliche Erkenntnisse über die Fluchtbewegungen an die entsprechenden deutschen Dienststellen weiterzuleiten. Dass der Bundesnachrichtendienst (BND) bereits in die Flüchtlingsabwehr in Nordafrika involviert ist, hatte die Bundesregierung kürzlich durchblicken lassen. Die Bespitzelung von Migranten soll nun offenbar auch in Osteuropa intensiviert werden.
Auch die in Warszawa ansässige EU-Grenzschutzagentur Frontex müsse neue Kompetenzen und mehr Personal erhalten, fordert Innenminister Schäuble. Die Behörde, in der gegenwärtig drei Beamte der Bundespolizei in den Bereichen "Einsatz/Operation", "Risikoanalyse" und "Aus- und Fortbildung" tätig sind bereitet derzeit ihren zweiten größeren Einsatz vor ("Jason I"). Er soll die Flüchtlingsjagd vor der libyschen Küste intensivieren. Dem Vorhaben gingen neben der gegenwärtigen Frontex-Operation vor der afrikanischen Westküste ("Hera II") bereits mehrere EU-Maßnahmen im Mittelmeer und vor den Kanarischen Inseln voraus, die erste Erfahrungen beim Aufspüren und Anhalten von Bootsflüchtlingen ermöglichten. An den "Operationen Guanarteme I und II", in deren Rahmen bereits Anfang 2005 und Anfang 2006 Migranten vor den Kanarischen Inseln aufgegriffen wurden, war die Bundespolizei ebenso beteiligt wie an der Durchsuchung von Handelsschiffen in der Adria im vergangenen Jahr ("Fer-IAS II"), an der Überwachung spanischer Gewässer im Juni 2005 ("Alhambra"), an der Errichtung von Seegrenzkontrollen im südlichen Mittelmeer ("Triton III") und an weiteren Maßnahmen ("Neptune IV", "Delfin I"). Hinzu kamen Einsätze auf bilateraler Grundlage wie die Entsendung von Bundespolizisten auf die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa im August 2006.

Festung Europa II

Kaum wird man Mitglied in der Festung Europa, werden auch schon die Zugbrücken hochgezogen. Bulgarien führt Visumzwang für Bürger Serbiens ein
In Zusammenhang mit Aufnahme Bulgariens in die EU werden Bürger Serbiens ab 1. Januar nur noch mit einem Visum nach Bulgarien reisen können, berichtete die Belgrader Tageszeitung "Politika". Die Einführung des Visumzwanges ist mit der Aufnahme Bulgariens in die Europäische Union verbunden. Rumänien hatte vor eineinhalb Jahren den Visumzwang für serbische Bürger eingeführt.
Nach Angaben der Zeitung wurden letzte Woche in Belgrad Expertengespräche Serbiens und Bulgariens über die Prozedur der Visumzwang-Einführung abgehalten. Nach Angaben des bulgarischen Konsuls in Belgrad, Stefan Dragojev, dürften die Visa für serbische Bürger zunächst unentgeltlich sein.



Kriterien für türkischen EU-Beitritt umstritten

Brüssel - EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hat davor gewarnt weitere Bedingungen für einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union zu formulieren. "Es müssen keine neue Kriterien, keine neuen Bedingungen geschaffen werden", sagte er am Montagabend in Brüssel in Anspielung auf Äußerungen des französischen Präsidenten Jacques Chirac.
Dieser hatte Ende September bei einem Besuch in der armenischen Hauptstadt Eriwan gefordert, die Türkei müsse vor einem EU-Beitritt die Massaker an Armeniern als Völkermord anerkennen.
Die französische Europaministerin Catherine Colonna sagte in Brüssel, Chirac habe mit der Äußerung keine neue Bedingung zum Katalog der Beitrittskriterien formulieren wollen. Vielmehr habe der französische Präsident mit Blick auf die Geschichte "allgemeine Überlegungen" angestellt, die "freundschaftlich" gemeint gewesen seien.

EU uneins über Sanktionen gegen Weißrussland

Der Europäischen Union ist es Diplomaten zufolge nicht gelungen, sich auf Handelssanktionen gegen Weißrussland zu einigen. Eine entsprechende Initiative Großbritanniens, Frankreichs und der skandinavischen Länder sei von Weißrusslands Nachbarn Polen, Lettland und Litauen blockiert worden, sagten Diplomaten am Freitag. Die Befürworter einer Aufhebung von Handelsprivilegien wollten schon bestehenden Sanktionen gegen Weißrussland mehr Kraft verleihen. Die EU hatte die Wiederwahl des weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko im März als gefälscht kritisiert und unter anderem Lukaschenko die Einreise verboten.
Das Argument gegen die Sanktionen sei, dass sie mehr den weißrussischen Bürgern schaden würden als der Regierung Lukaschenkos, sagte ein litauischer Diplomat. Eine entscheidende Rolle bei der Abstimmungsniederlage spielte Diplomaten zufolge Italien, das mit seiner Enthaltung eine Sperrminorität der Sanktionsgegner ermöglichte.
Dies sei ein klassisches Beispiel für den Kuhhandel gewesen, der bei Abstimmungen in der EU praktiziert werde, sagte ein Diplomat. Mit der Enthaltung habe sich Italien die Unterstützung Polens und Litauens bei einem Votum über Zölle auf Lederschuhe aus China und Vietnam gesichert. Auch Griechenland und Zypern waren gegen die Sanktionen gegen Weißrussland, die Tschechische Republik enthielt sich ebenfalls.
Geeinigt haben sich die EU-Mitglieder einem polnischen Diplomaten zufolge dagegen im Grundsatz darauf, vier weiteren Weißrussen die Einreise in den Block zu verbieten. Diese Entscheidung solle bei einem Treffen der EU-Außenminister in diesem Monat verkündet werden. Mit Lukaschenko ist bereits jetzt insgesamt 31 Weißrussen die Einreise in die EU untersagt. Die anderen vier waren maßgeblich an einem umstrittenen Prozess gegen einen weißrussischen Oppositionellen beteiligt.