focus europa nr 206 vom 13. november 2006

ID 14653
 
nachrichten (s. skript)
Audio
14:01 min, 13 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 13.11.2006 / 12:33

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Umwelt, Internationales, Wirtschaft/Soziales
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: julia, niels
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 13.11.2006
keine Linzenz
Skript
Nachrichten 13. November 2006-11-13

Gorleben
Vom Protest hunderter Demonstranten begleitet hat der zehnte Castor-Transport mit Atommüll am Morgen das Zwischenlager in Gorleben erreicht. Nach 58 Stunden Fahrt durch Frankreich und Deutschland trafen die zwölf Behälter mit den Überresten abgebrannter Brennelemente in Gorleben ein.
Zuvor hatte die Polizei eine Sitzblockade von etwa 600 Atomkraft-Gegnern nahe des Verladebahnhofs auf der Transportstrecke geräumt.
Lüneburgs Polizeipräsident Friedrich Niehörster sprach von rund vier Stunden Zeitverzug durch die Proteste entlang der Eisenbahnstrecke. Dabei hätten Beamte vereinzelt Wasserwerfer und Schlagstöcke eingesetzt, so Niehörster. Bei Rangeleien seien mehrere Beamte leicht verletzt, Polizeipferde attackiert und Einsatzkräfte mit Steinen beworfen worden. Niehörster bestätigte Fest- und Ingewahrsamnahmen von Atomkraftgegnern. Eine genaue Zahl nannte er nicht.
Warschau
Bei den Kommunalwahlen in Polen musste die Partei von Regierungschef Jaroslaw Kaczynski herbe Niederlagen einstecken. Darauf wiesen Nachwahlbefragungen hin. Die Wahl gilt als erster Stimmungstest für die Regierungsarbeit der Kaczynski-Partei PiS.
In den größeren Städten schnitt die liberalkonservative Bürgerplattform (PO) mit einem deutlichen Vorsprung ab, wie die Wählerbefragungen ergaben. In der Hautpstadt Warschau verlor die nationalkonservative PiS demnach ihre Mehrheit im Stadtrat.
"Freunde, wir können uns freuen, wir haben gewonnen", sagte einer der führenden Chefs der PO, Jan Rokita. Jaroslaw Kaczynski räumte ein, dass seine Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) in den meisten großen Städten auf Platz zwei gelandet sei. Das Fernsehen veröffentlichte zunächst keine landesweiten Prognosen.


Wiesbaden
Der Konflikt zwischen Hessens Ministerpräsidenten Koch und den Freien Wählern um staatliche Gelder und Erpressungsversuche eskaliert weiter. Die Freien Wähler sind nach einem Medienbericht jetzt dazu bereit, ihre Darstellung zu beeiden. Koch spricht von "Tatsachenverdrehung".
Nach Aussagen der Freien Wähler habe Koch im April ein neues Gesetz über Wahlkampfkosten-Erstattung für kommunale Wählervereinigungen von einem Antrittsverzicht der Freien Wähler bei der Landtagswahl 2008 abhängig gemacht. Das heißt, dass die Unionsmehrheit im Landtag per Gesetz den Freien Wähler rückwirkende Wahlkampfkostenerstattung für Kommunalwahlen von über 100.000 Euro gewähren würde.
Im Aktenvermerk heißt es jedoch wörtlich: "Koch macht deutlich, dass ein solches Entgegenkommen nur bei Antrittsverzicht der Freien Wähler bei der Landtagswahl zu haben sei.“
Die Opposition im Wiesbadener Landtag will laut "Bild am Sonntag" nun notfalls einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Grünen-Fraktionschef Tarek Al-Wazir sagte der Zeitung: "Die Fakten müssen auf den Tisch. Es geht um die Frage: Lügt Roland Koch oder sagt er die Wahrheit? Notfalls muss er seine Aussagen beeiden - und das geht nur in einem Untersuchungsausschuss."

Kinshasa
Bei der Auszählung der Stichwahl für die kongolesische Präsidentenwahl haben Schießereien von verfeindeten Gruppen am Samstag die Einwohner der Hauptstadt Kinshasa aufgeschreckt. Rund um das Hauptquartier von Vizepräsident Bemba wurden laut Augenzeugen Maschinengewehre und Mörser eingesetzt. Drei Zivilisten und ein Soldat starben.
Am Vortag hatte die Unabhängige Wahlkommission neue Teilergebnisse der Stichwahl um das Präsidentenamt veröffentlicht. Danach liegt Amtsinhaber Kabila mit rund 60 Prozent vor seinem Herausforderer Bemba, der auf rund 39 Prozent kam.
Tschinwali.
Mit überwältigender Mehrheit haben sich die Bürger der Kaukasusregion Südossetien für die Unabhängigkeit von Georgien ausgesprochen. Mehr als 90 Prozent der WählerInnen in der Kaukasus-Region hätten für die Unabhängigkeit von Georgien gestimmt, sagte Wahlleiterin Bella Plijewa. Bei der gleichzeitigen Präsidentenwahl sei zudem Amtsinhaber Eduard Kokoiti im Amt bestätigt worden.
Südossetien liegt an der Grenze zu Russland und hat etwa 70.000 Einwohner. Das Gebiet hatte sich nach dem Zerfall der Sowjetunion in einem Bürgerkrieg von Georgien getrennt. Georgien kritisierte, die Volksabstimmung erschwere eine Lösung des seit Anfang der 90er-Jahre schwelenden Konflikts. Die USA und die EU-Staaten kündigten an, das Referendum nicht anzuerkennen.

Berlin
Verteidigungsminister Jung beharrt auf seinem Nein zu einem Einsatz deutscher Soldaten im umkämpften Süden Afghanistans. Er wies damit die Forderungen von Nato-Generalsekretär de Hoop Scheffer zurück, der an die Solidarität des Bündnispartners appelliert hatte.
Gleichzeitig bemängeln JournalistInnen, wie auch das ISAF Hauptquartier die restriktive Informationspolitik der Bundeswehr in Afghanistan. So heißt es bei Tagesschau.de:
„Während es über die Einsätze und Vorfälle bei der Schutztruppe im Süden des Landes und in Kabul praktisch täglich Pressemitteilungen gibt, wird das von Deutschen geführte Kommando für Nordafghanistan nahezu nie selbst aktiv“

Freiburg
Der Verkauf von rund 8000 städtischen Wohnungen in Freiburg ist gestern durch einen Bürgerentscheid gestoppt worden. Bei der Abstimmung sprachen sich gut 70 Prozent der teilnehmenden Wahlberechtigten dafür aus, dass die Wohnungen zumindest die nächsten drei Jahre im Eigentum der Stadt verbleiben.
Weil die Gegner des geplanten Wohnungsverkauf sogar weit mehr als das gesetzlich vorgeschriebene Quorum von 25 Prozent der Wahlberechtigten erreichten, ist das Ergebnis des Bürgerentscheids bindend.
Die GegnerInnen der Wohnraumprivatisierung feierten dieses deutliche Ergebnis frenetisch, war es doch das erste Bürgerbegehren, das in Freiburg Erfolg hatte.

"Das Ergebnis ist eindeutig. Ich muss es akzeptieren", sagte Salomon nach Bekanntwerden des Ergebnisses. Der Oberbürgermeister hatte sich durch den Wohnungsverkauf nach Dresdner Vorbild mindestens 510 Millionen Euro für die Stadtkasse und eine völlige Entschuldung der Stadt erhofft. Der schwarz-grün dominierte Gemeinderat hatte sich für den Verkauf ausgesprochen.
Kritiker hatten befürchtet, dass nach dem Verkauf soziale Belange unter privaten Investoren keine Rolle mehr spielen und die Mietpreise steigen würden. Ex-Oberbürgermeister Rolf Böhme von der SPD hatte vor dem Verkauf gewarnt: "Eine Einmalzahlung bringt zwar Kasse, ist aber kein Konzept zum Abbau des strukturellen Defizits, da die laufenden Einnahmen die Ausgaben nicht decken."
Neben der Bürgerinitiative „Wohnen ist Menschenrecht“ hatten sich auch die Linke Liste, das Mietshäusersyndikat, Stadtteilbüros, Gewerkschaften und zahlreiche Einzelpersonen für den Erhalt des Städtischen Wohnungsbestandes eingesetzt.
Über die Region herausführende Bedeutung erhält der Bürgerentscheid durch seine Signalwirkung auf andere Kommunen. Hätte eine Zustimmung zum Wohnungsverkauf wohl weitere Städte dazu animiert. auf diesem Wege ihre Haushalte zu sanieren, ist jetzt deutlich geworden, dass rücksichtslose Privatisierung und Haushaltssanierung auf dem Rücken der sozial Schwachen nicht tatenlos hingenommen werden müssen. Unser Korrespondent im Rathaus bemerkte dazu gestern: OTON