Focus Europa 211 vom 20.11.06

ID 14766
 
Nachrichten (s. Skript)
Beitrag zur Situation von Schwulen und Lesben in Polen von Radio Flora Hannover (Nr. 14741)
Audio
15:36 min, 14 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 20.11.2006 / 12:33

Dateizugriffe:

Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Internationales, Frauen/Lesben, Schwul, Kultur, Politik/Info
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: Julia, Isa, Niels
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 20.11.2006
keine Linzenz
Skript

Rom

Die italienische Regierung gerät unter Druck. Aus Protest gegen den Haushaltsentwurf der Prodi-Regierung riefen Studierendenorganisationen vergangenen Freitag zum Generalstreik der Hochschulen. Auch Angestellte und ProfessorInnen blieben den Hochschulen fern und demonstrierten zusammen mit 10tausenden Studierenden auf den Strassen Roms sowie in ca. 100 weiteren italienischen Städten.

Ihr Protest galt dem Haushaltsentwurf der Mitte-Links-Regierung, der Einsparungen von etwa 20 Milliarden Euro vorsieht. Betroffen davon wären unter anderem das Gesundheitswesen, öffentliche Schulen und Universitäten sowie die Kommunen.

Luxemburg

Der Premierminister von Luxemburg, Jean-Claude Juncker, fordert im Interview mit der Frankfurter Rundschau ein Grundeinkommen für alle in Europa. Die Europäische Union müsse eine Sozialunion werden.
Grund für Junckers sozialpolitische Forderungen ist die Angst um den sozialen Frieden in Europa. So sagte Juncker wörtlich: "Es wird der Zeitpunkt kommen, dass sich große Teile der Arbeitnehmer gegen die systematische Verunsicherung wehren werden, weil sie sich in diesem Europa und ihren nationalen Staaten nicht mehr aufgehoben fühlen".


Gaza Stadt

Im Gazastreifen haben Palästinenser mit einer spektakulären Aktion einen Angriff der israelischen Luftwaffe gestoppt. Hunderte menschliche Schutzschilde versammelten sich im Haus eines militanten Palästinensers, nachdem dieser von den israelischen Streitkräften zum Verlassen des Gebäudes aufgefordert worden war. Diese Warnung geht in der Regel Luftangriffen voraus, um zivile Opfer zu vermeiden. Das israelische Militär sagte den Beschuss daraufhin ab.
Der Bewohner des Hauses soll bei einer Extremistengruppe für die Herstellung von Raketen verantwortlich sein, die auf Israel gefeuert werden.
Nach der Protestversammlung wurde die Bevölkerung dazu aufgerufen, fortan mit ähnlichen Aktionen israelische Luftangriffe zu verhindern.
Ein israelischer Armeesprecher verurteilte die Taktik, Unschuldige als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen.

Nürnberg
Am letzten Freitag haben sich die deutschen Innenminister auf einen Kompromiss zum Thema Bleiberecht geeinigt, von dem nur wenige Migrantinnen profitieren können. Für die meisten bedeutet er eine weitere Verschlechterung ihrer ohnehin prekären Situation.
Eckpunkte der heute in Kraft getretenen Bleiberechtsregelung sind:
Eine Aufenthaltserlaubnis wird für maximal zwei Jahre erteilt und kann verlängert werden.
Ein Bleiberecht kann erhalten, wer sich seit mindestens sechs Jahren in Deutschland aufhält und mindestens ein Kind unter 18 Jahren hat, das den Kindergarten oder die Schule besucht. Andere müssen seit mindestens acht Jahren im Land sein. Voraussetzung ist, dass diese dauerhafte Arbeit haben und den Lebensunterhalt der Familie sichern können.
Anderen wird ihre Duldung bis zum 30.09.2007 verlängert, damit sie sich einen Arbeitsplatz suchen können. Die Länderinnenminister verlangen damit eine deutlich schärfere Regelung als die Große Koalition, die zwei Jahre Zeit zur Jobsuche geben will.
Ausnahmen sollen etwa für Auszubildende, Erwerbsunfähige, Rentner mit Familie in Deutschland und Familien, die nur vorübergehend auf Sozialleistungen angewiesen sind, möglich sein.
Diese Kriterien erfüllen von 190.000 MigrantInnen mit Duldungsstatus gerade einmal 20.000. Umgekehrt soll es für die Behörden ab jetzt noch leichter werden, jene Migrantinnen abzuschieben, die demnach keine Aufenthaltserlaubnis erhalten können. Der Bundesgesetzgeber soll außerdem prüfen, wie weit Leistungen für diese Ausländer weiter gekürzt werden können.
Wer bleiben will, muss außerdem "ausreichende Deutschkenntnisse" nachweisen sowie eine ausreichende Wohnungsgröße für die Familie und einen Schulnachweis für schulpflichtige Kinder.
Kein Bleiberecht erhalten Ausländer, die Behörden getäuscht haben, wegen Straftaten verurteilt wurden oder Bezüge zu Extremismus oder Terrorismus haben. In der Regel soll dann die ganze Familie ausgewiesen werden.
Franz Müntefering (SPD) nannte den Kompromiss akzeptabel, auch wenn er hinter der Einigung der Großen Koalition zurückbleibe. Er sei aber nach wie vor der Meinung, es müsse alles dafür getan werden, dass die Tatsache, ob jemand einen Arbeitsplatz findet, nicht die Voraussetzung für ein dauerhaftes Bleiberecht sein dürfe. Müntefering kündigte ein entsprechendes Bundesgesetz für das kommende Jahr an.
Die Einigung stieß auf Kritik bei Grünen, Linken und Menschenrechtsorganisationen. "Die Innenminister legen den Rückwärtsgang ein", kritisierte Grünen-Vorsitzende Claudia Roth. Für zu viele Betroffene bleibe die unsichere Lebenssituation bestehen. Ulla Jelpke von der Linkspartei kannte die Regelung einen „inhumanen Minimalkonsens“. Ihre Einigung löse keines der wesentlichen Probleme.
Als „völlig unzureichend und unsozial“ kritisiert Günter Burkhardt, Geschäftsführer von PRO ASYL, den Beschluss der Innenminister. Nach dem IMK-Beschluss werden weiterhin mehr als 100.000 Menschen dauergeduldet in Deutschland leben. In weiten Teilen Deutschlands
sei die Arbeitslosigkeit so hoch, dass Geduldete keine Chance auf einen Arbeitsplatz hätten. Die von der Innenministerkonferenz beschlossenen Kriterien seien äußerst restriktiv und für viele unerfüllbar. Damit haben sich die Hardliner unter den Innenministern gegenüber der Position der Bundesregierung zunächst durchgesetzt.

Nürnberg
Am Rande der Innenministerkonferenz haben Menschenrechtsaktivistinnen Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) zum "Abschiebeminister 2006" gewählt. "Beckstein ist der schlimmste Innenminister Deutschlands", erklärte das so genannte Bleiberechtbüro des bayerischen Flüchtlingsrates anlässlich der Innenministerkonferenz in Nürnberg. Der Flüchtlingsrat erklärte, Beckstein stehe für massive Abschiebungen in Krieg und Hunger, für unmenschliche Unterbringung von Geduldeten und für die Blockade einer echten Bleiberechtsregelung.
Beckstein bezeichnete die Aktion selbstgerecht als "Auszeichnung durch den politischen Gegner für eine konsequente Anwendung des Rechts".