focus europa nr 212 vom 21.11.2006

ID 14776
 
Nachrichten:
-Afro-Europäischen Ministerkonferenz in Lybien
- EU startet heikle Geschäfte mit Irak
- EU beschränkt Kommunen
- EU kippt deutschen Klimaplan

Interview:

- Michael Liebler mit Jürgen Wagner von IMI
Audio
17:50 min, 16 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 21.11.2006 / 12:32

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Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Umwelt, Politik/Info
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: hav/kmm
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 21.11.2006
keine Linzenz
Skript
Afro-Europäischen Ministerkonferenz in Lybien

Die Bundesregierung trägt mit Millionensummen zur Deportation Tausender Migranten aus mehreren Staaten Nordafrikas bei. Dies geht aus einer Analyse des Deutschen Orient-Instituts hervor, die kurz vor der in Tripolis
(Libyen) beginnenden "Afro-Europäischen Ministerkonferenz"
veröffentlicht worden ist. Demnach können die Behörden Marokkos und
anderer Maghreb-Länder bei der Abschiebung von Flüchtlingen auf
umfangreiche finanzielle und technische Unterstützung der EU
zurückgreifen. Im Rahmen von Deportationen aus Staaten Nordafrikas
wurden in der Vergangenheit immer wieder Menschen in der Wüste
ausgesetzt. Zu der "Afro-Europäischen Ministerkonferenz", die für die
kommenden beiden Tage angekündigt ist, wird der deutsche Innenminister
Wolfgang Schäuble anreisen. Schäuble hat kürzlich verlangt,
unerwünschte Flüchtlinge müssten in Europa "zur Ausnahme werden". Der
Gastgeber der Konferenz, die Regierung Libyens, hat in den vergangenen
Jahren weit über 100.000 Menschen über die Landesgrenzen deportieren
lassen und wird schwerer Menschenrechtsverbrechen beschuldigt. Dessen
ungeachtet kündigt das Bundesinnenministerium an, bisher bestehende
Abschiebeabkommen "auf Staaten des Kaukasus sowie verschiedene
Herkunftsstaaten in Afrika und Asien" auszuweiten. Ziel ist es, die
Länder nicht zur zur Übernahme eigener Bürger zu verpflichten, sondern
auch zur Aufnahme von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen.
EU startet heikle Geschäfte mit Irak

Erstmals seit drei Jahrzehnten wollen die Europäische Union und der Irak Gespräche über ein Handels- und Kooperationsabkommen aufnehmen. Auch Europa will ein Stück vom Kuchen in dem öl- und gasreichen Land.
Die Voraussetzungen sind gut, denn die EU ist nach den USA der zweitgrößte Handelspartner des Irak. Aber, im Irak liegt so ziemlich alles im Argen, wie es bei der EU-Kommission heißt. So mangle es etwa an einem zuverlässigen Zoll und an einem Umfeld, das Investoren zumindest "ein Minimum an Vorhersehbarkeit, Transparenz und Rechtssicherheit" gibt. Symbol ist die im März wiedereröffnete Börse von Bagdad, in der noch hinter Sandsäcken gehandelt wird. "Wir sind nicht naiv: Das Hauptproblem ist und bleibt die Sicherheit", sagt ein EU-Beamter. Spekulationen über einen Abzug von US-Truppen im Irak helfen nicht. In Brüssel wird schon vor einem Machtvakuum gewarnt.
Vor allem die deutsche Wirtschaft betrachtet die Lage mit Skepsis. "Es gibt nur wenige deutsche Firmen, die sich direkt engagieren, viele warten ab", sagt Felix Neugart, Nahost-Experte des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) in Berlin. Dabei haben deutsche Unternehmen Schlüsseltechnik für den Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes im Angebot: Sie reparieren Kraftwerke, bauen das Mobilfunknetz aus und liefern medizinisches oder technisches Gerät.

EU beschränkt Kommunen


Das Europäische Parlament hat einen Beschluss zur "Interkommunalen Zusammenarbeit und Inhouse-Geschäften" gefasst. Danach soll die bisherige kommunale Organisationshoheit erheblich eingeschränkt werden.
So dehnt die Europäische Union den Rechtsrahmen für die Vergabe öffentlicher Aufträge zunehmend aus. Verstärkt müsse jetzt "nach betriebswirtschaftlichen und wettbewerbrechtlichen Grundsätzen" in den Verbänden und kommunalen Unternehmen gearbeitet werden. Nach kommunaler Auffassung, wie dem Deutschen Städtetag, schließen sich aber interkommunale Zusammenarbeit und die Anwendung von entsprechenden Vergaberegeln aus, da es sich hier um eine interne Neuordnung öffentlicher Zuständigkeiten und Befugnisse im jeweiligen Mitgliedsstaat handelt, wie beispielsweise bei der Schaffung von größeren Einheiten der Zweckverbände.
Dieses Recht der kommunalen Organisationshoheit sei in zahlreichen Mitgliedsstaaten auf Verfassungsebene geschützt. Deshalb protestiert der Städtetag gegen diesen Eingriff in die hoheitlichen Aufgaben und verlangt bei der Umsetzung in deutsches Recht beispielsweise Bestandsschutzregelungen.
Verschärft wird diese Einschränkung "eigengestalterischer kommunaler Organisationsmöglichkeiten" durch mehrere Urteile des Europäischen Gerichtshofs, die die Direktvergabe an Kommunen und ihren Unternehmen - so genannte Inhouse-Geschäfte - prinzipiell der öffentlichen Ausschreibung unterwerfen. Der Deutsche Städtetag appellierte deshalb an die Bundesregierung, sich im Rahmen ihrer Ratspräsidentschaft für die Ausschreibungsfreiheit der interkommunalen Zusammenarbeit sowie die weite Auslegung der Inhouse-Geschäfte einzusetzen.
EU kippt deutschen Klimaplan

Die Regeln für den Emissionshandel müssen überarbeitet werden. Die Industrie schneide darin zu gut ab, moniert die Europäische Kommission.
Nationaler Allokationsplan - dieses Wortungetüm steht für praktischen Klimaschutz: Der Staat gibt den Unternehmen kostenlos eine bestimmte Anzahl von Verschmutzungsrechten - die sogenannten Kohlendioxid-Zertifikate. Wer die Luft weniger verschmutzt, als er Rechte dafür hat, spart Verpestungsgutscheine. Die kann er auf dem Markt zu Geld machen. Wer mehr verpestet - also Klimasünder ist -, muss zukaufen. So entsteht Druck zu mehr Klimaschutz. Allerdings nur, wenn der Staat die Rechte Schritt für Schritt reduziert, dass Recht auf Klimaverschmutzung also stetig sinkt. Genau dort liegt die zentrale Kritik der EU: Bundesumweltminister Sigmar Gabriel hatte in Brüssel beantragt, dass Deutschland in der zweiten Handelsperiode 2008 bis 2012 die Atmosphäre jährlich mit 482 Millionen Tonnen CO2 verpesten darf. Viel zu viel, sagt nun die Kommission. Allenfalls 466 Millionen Tonnen sollen Deutschland zugestanden werden, andere Quellen sprechen gar nur von 460 Millionen Tonnen. Nur so würde jene Verknappung der Zertifikate erreicht, die dann tatsächlich zu Investitionen in den Klimaschutz führt.
Der Vorgang hat weitreichende Bedeutungen. Werden in Deutschland weniger Zertifikate verteilt, steigt deren Preis. Dann müssten etwa RWE und Vattenfall ihre Neubaupläne von Braunkohlekraftwerken überprüfen. Auch stiege der Strompreis, weil die Stromkonzerne die Zertifikatskosten einpreisen. So würden die regenerativen Energien konkurrenzfähiger.