Focus Europa 251 vom 22. Januar 2007

ID 15383
 
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Nachrichten (s. Skript)
Interview mit Karsten Lüthke, ehemals bei der UNMIK - der UN-Mission im Kosovo - zuständig für Rückkehrfragen. (s. Einzelbeitrag)
Audio
14:38 min, 13 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 22.01.2007 / 00:00

Dateizugriffe: 373

Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Politik/Info
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: Isa, Niels, julia
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 22.01.2007
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Belgrad
Stärkste Kraft bei den gestrigen Parlamentswahlen in Serbien wurden die Ultranationalisten. Die Radikale Partei unter Seselj, der sich wegen Mordes und Vertreibung vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verantworten muss, stellt künftig ein gutes Viertel der Abgeordneten. Da ihnen aber ein Koalitionspartner fehlt, haben die pro-westlichen Parteien die bessere Ausgangsposition für die Regierungsbildung.
Die Wahlbeteiligung lag bei rund 60 Prozent – hoch für serbische Verhältnisse.
Die neue serbische Regierung wird wohl auf der Seite der Europa-orientierten Parteien gebildet werden - möglicherweise unter Führung der demokratischen Partei DS von Präsident Boris Tadic. Die DS kommt auf Platz zwei, sie legte gegenüber der letzten Wahl um rund zehn Prozentpunkte zu.
Die Gespräche mit der EU liegen zurzeit auf Eis, weil der serbische Ex-General Ratko Mladic noch immer nicht verhaftet und an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausgeliefert wurde. In den nächsten Wochen soll über die Zukunft des Kosovo gesprochen werden. Dabei zeichnet sich auch ein Konflikt zwischen der EU und Russland ab.

Berlin
Außenminister Steinmeier gerät wegen seiner Verantwortung im Fall Kurnaz immer stärker unter Druck.
Bereits seit einigen Tagen ist bekannt, dass es im Herbst 2002 ein Angebot der US-Behörden gegeben hatte, Murat Kurnaz gegen Auflagen freizugeben. Steinmeier, damals Chef deutscher Sicherheitsbehörden, hatte dankend abgelehnt. Neu sind deutliche Hinweise, dass der Regierungsapparat noch bis Anfang Januar 2006 mit aller Macht versucht hat, eine Rückkehr von Kurnaz nach Deutschland zu verhindern.
All dies hat im Ergebnis dazu geführt, dass Kurnaz mehr als vier Jahre im Gefangenenlager Guantanamo bleiben musste. Dokumente zeigen, dass bei all diesen Bemühungen der damalige Kanzleramtschef und heutige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) eine zentrale Rolle gespielt hat.
Grund für die Weigerung, Kurnaz aus Guantanamo zu holen, war wohl die Furcht des Sicherheitsapparats vor einer öffentlichen Debatte, sollte der angebliche Taliban-Anhänger nach Bremen zurückkehren. Weder das Wissen um Kurnaz' Unschuld noch das um die Misshandlungen in Guantanamo führten zu einer Kurskorrektur.
Mitarbeiter aus dem Regierungsapparat erklären diese Haltung damit, man habe die 2002 eingeschlagene Linie unbedingt durchhalten wollen. Jedes Argument gegen die Erlaubnis zur Rückkehr sei willkommen gewesen. Dass der gebürtige Bremer einen türkischen Pass hatte, also eigentlich Ausländer gewesen sei, sei "immer wieder betont" worden. Auch habe der Apparat Furcht vor der Reaktion der Medien gehabt. Furcht vor der Rückkehr eines Folteropfers, das jahrelang unschuldig gefangengehalten wurde, und das die Bundesregierung und allen voran Steinmeier als Kanzleramtschef schwer belasten könnte.
Steinmeier selbst hat sich immer noch nicht zu den Vorwürfen geäußert und auch Angela Merkel schweigt.
Samsun/Ankara
Der mutmaßliche Mörder des armenisch-türkischen Journalisten Hrant Dink ist gefasst. Es handelt sich um einen 17jährigen aus der nordtürkischen Stadt Trabzon, der vorgestern nach Hinweisen seines Vaters festgenommen worden ist.
Als Tatmotiv soll der junge Mann bereits in der ersten Vernehmung angegeben haben, dass Dink das türkische Volk beleidigt hätte.
Dink hatte sich den Zorn nationalistischer Kreise zugezogen, weil er die Massaker an Armeniern während des Ersten Weltkriegs im damaligen Osmanischen Reich mehrfach als Völkermord bezeichnet hatte. Seine Äußerungen hatten dem 52-Jährigen bereits eine Haftstrafe von sechs Monaten in der Türkei eingebracht. Das Urteil wegen "Beleidigung des Türkentums" war im vergangenen Jahr vom obersten Gericht bestätigt worden.
Unter demselben Paragrafen wurde unlängst auch der türkische Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk angeklagt. Anlässlich der Ermordung Dinks spricht Pamuk aus, was viele denken: „Es sind diejenigen für den Tod von Dink verantwortlich, die immer noch das Gesetz gegen die Herabwürdigung des Türkentums verteidigen. Er wurde wegen seiner Meinungen getötet, die von unserem Staat nicht akzeptiert werden.
Das Massaker an Armeniern ist ein politisch hoch sensibles Thema in der Türkei. Zwischen 1915 und 1917 waren nach armenischen Angaben mehr als 1,5 Millionen Armenier getötet worden. Die Türkei räumt zwar ein, dass Soldaten des Osmanischen Reiches zwischen 250.000 und 500.000 Armenier getötet hätten. Die Regierung in Ankara lehnt die Einstufung der Verbrechen als Völkermord jedoch ab.

Nairobi
Mit einer Demonstration »für Frieden und soziale Gerechtigkeit« begann am Samstag in der kenianischen Hauptstadt das 7. Weltsozialforum. Um die 20.000 Menschen zogen von Kabira, einem der größten Slums Afrikas, in die Innenstadt Nairobis, um unter anderem gegen Kapitalismus und Militarisierung und für Frauenrechte zu demonstrieren.

Zum fünftägigen Treffen in der kenianischen Hauptstadt werden bis zu 150.000 AktivistInnen erwartet. Das Programm umfasst mehr als 1000 Veranstaltungen, v.a. Diskussionsforen über Themen wie Aids, Landbesitz, Handel, Migration und Schuldenerlass.
Mit Plakaten und einer Demonstration erinnerten zahlreiche AktivistInnen des »People’s Parliament« daran, dass die geforderte Teilnahmegebühr für das Sozialforum von 500 kenianischen Shilling für viele Menschen nicht zu bezahlen sei.
Das WSF findet zum ersten Mal auf dem afrikanischen Kontinent statt und versteht sich als Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum in Davos, wo ab Mittwoch WirtschaftsführerInnen und SpitzenpolitikerInnen zusammenkommen werden.