Antirepressionsportal in Basel und für die Schweiz

ID 19878
 
AnhörenDownload
Der Auslöser waren die Anti-WEF Proteste: Als in Basel 500 Polizisten 200 Demonstranten im Januar 2005 kesselten.
Roger Portmann im Gespräch über die Gründe ein Anti-Repressionsportal für Basel und die Schweiz ins Internet zu stellen.
Über die Rolle von Blocher (SVP), die Übernahme der deutschen bestimmungen, die Hooligan VO zur Euro 08.
plattform-gegen-repression.ch
Audio
14:05 min, 19 MB, mp3
mp3, 192 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 21.01.2008 / 00:21

Dateizugriffe: 490

Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Internationales, Politik/Info
Serie: MoRa3X
Entstehung

AutorInnen: Konrad (Studio Lörrach)- Roger
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 27.11.2007
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Die Anti-WEF-Demonstration 2005 in Basel hat ein gerichtliches Nachspiel, Die DemonstrantInnen die am 29.1.2005 von einem riesigen Polizeiaufgebot eingekesselt und verhaftet worden sind, müssen jetzt, beinahe drei Jahre später, vor Gericht erscheinen.

Der Prozess gegen die 15 verbleibenden Angeklagten findet am 5. und 6. Dezember 2007 am Strafgericht Basel-Stadt statt.

Aus diesem Anlass laden wir sie herzlich zur Pressekonferenz ein

Datum Freitag 30.11.2007

Zeit 10.00 Uhr

Stellungnahme der Antirepressionsgruppe Basel

Prozess gegen WEF-Demonstranten angesetzt: Behörden versuchen mit hohen Bussen ein Exempel zu statuieren

Die Anti-WEF-Demonstration 2005 hat ein gerichtliches Nachspiel: Die DemonstrantInnen, die am 29.1.2005 von einem riesigen Polizeiaufgebot eingekesselt und verhaftet worden sind, müssen jetzt, mehr als zwei Jahre danach, vor Gericht erscheinen.

Der Massenprozess findet am 5. und 6..2007 statt. Den Angeklagten drohen Bussen von tausend und mehr Franken. Zum Prozess kommt es, weil die Angeklagten gegen die ungerechtfertigten und unverhältnismässig hohen Bussen Einsprache erhoben haben. Allerdings hat sich bereits im Vorfeld des Prozesses Bemerkenswertes ereignet: Das Gericht hat in 16 Fällen, in denen Angeschuldigte, wie von der Anti-Repressions-Gruppe empfohlen, rekussierten, das Verfahren eingestellt. Offensichtlich hielten die Anklagen der Prüfung durch den Richter nicht stand. Diejenigen, die, meist aus Furcht vor weiteren Repressionen, gegen die ursprünglich verhängten Bussen nicht rekussiert haben, wurden also, juristisch ohne notwendige Stütze, bereits zur Kasse gebeten.
Am kommenden Mittwoch und Donnerstag stehen noch 15 Personen, die wohl willkürlich gewählt wurden, vor Gericht.
Wie kam es zu dem Strafbefehl? Ein Bündnis in Basel lud am 29. Januar 2005 zu einer Demonstration gegen das World Economic Forum (WEF) nach Basel ein. Zuvor war eine landesweite Demo in Bern abgesagt worden, weil die Behörden die Durchführung an unsinnige Bedingungen geknüpft hatten. Aufgrund dieser Erfahrung verzichteten die Basler VeranstalterInnen darauf, ebenfalls eine Bewilligung einzuholen.
Es war nicht die erste Demo in Basel, für die keine Bewilligung eingereicht wurde. Diesmal aber boten die Basler Behörden das gesamte Nordwestschweizer Polizeikonkordat auf. PolizistInnen aus Basel, Bern, Aargau, Baselland und anderen Kantonen, zahlreiche Einsatzfahrzeuge und ein Wasserwerfer, extra aus Zürich ausgeliehen, sollten für Ruhe und Ordnung sorgen und belagerten also die Innenstadt. Selbst Polizeisprecher Mannhart gab zu, dass es sich um das grösste Polizeiaufgebot aller Zeiten handelte (siehe auch Presseberichte auf den folgenden Seiten).
Menschen wurden bereits im Vorfeld fest- und in Präventivhaft genommen. Etwa dreihundert Personen schaffen es bis zum Besammlungsort auf dem Barfüsserplatz. Dort werden sie von einem mindestens fünfreihigen Polizeikordon, der sich bis in die anliegenden Gassen ausdehnt, eingekesselt. Die Polizei fordert die Menge auf, den Platz innert drei Minuten zu verlassen, was allerdings gar nicht möglich ist. Die Polizei will die Leute nämlich nur ziehen lassen, nachdem sie kontrolliert worden sind. Hierfür werden von den Beamten an mehreren Stellen „Schleusen“ eingerichtet, wo jede Person einzeln kontrolliert und registriert werden soll. Erwartungsgemäss dauert die extensive Kontrolle länger als drei Minuten. Nach drei Stunden stehen immer noch etwa sechzig Personen im Polizeikessel. Nun beschliesst die Einsatzleitung der Polizei, die restlichen Menschen auf dem Platz zu verhaften. Diese letzten verbleibenden DemonstrantInnen wurden von der Polizei als „die Bösen“ abgestempelt, die sich der Kontrolle angeblich widersetzten. 54 von ihnen erhielten ein Jahr später - übrigens im Vorfeld des folgenden WEF - einen Strafbefehl, gegen den die meisten von ihnen in der Folge Einsprache erhoben.

Der Schnüffelstaat lebt

Insgesamt wurden an jenem Tag 777 Personen kontrolliert. Deren Daten wurden wohl, genauso wie die der über tausend Kontrollierten von Landquart, direkt an den Dienst für Analyse und Prävention (DAP) - also an den Inlandgeheimdienst - weitergeleitet.
Die Zusammenarbeit zwischen Polizei bzw. Staatsanwaltschaft und DAP gehört heute zur Routine und der Staatsschutz sammelt wieder ungeniert Daten von politisch bewegten Menschen. Doch obwohl der „Fichenskandal“ noch keine zwei Jahrzehnte alt ist, scheint die neuerliche Datensammelwut kaum jemanden mehr aufhorchen zu lassen. Dabei lassen die schier unbegrenzten Möglichkeiten digitaler Datenverarbeitung die papierernen Fichen, Akten und Spitzelberichte reichlich antiquiert erscheinen.
Alles deutet darauf hin, dass die StaatsschützerInnen wieder Datenbanken anlegen und vernetzen. Und transparenter, demokratischer oder kontrollierbarer als zur Zeit des Fichen-Skandals ist der Staatsschutz nicht, auch wenn die Stelle eines Datenschützers besteht. So musste gar die parlamentarische Geschäftsprüfungskommission in Basel in ihrem Jahresbericht 2006 festhalten, dass es ihren Mitgliedern nicht möglich ist, die kantonale Abteilung des DAP zu prüfen. Was der Geheimdienst macht, bleibt also weiterhin geheim.
Ein Mittel, sich gegen die Fichierung zu wehren, gibt es nicht. Einsicht können Betroffene nicht nehmen, es kann höchstens indirekt über den Datenschutzbeauftragten abgeklärt werden, ob die Einträge allenfalls nicht rechtmässig sind.

Willkür allerorten

Im gegenwärtigen Sicherheitsdiskurs, in dem insbesondere die Bedrohung durch Terrorismus bemüht wird, wird den Organen der Polizei und des Geheimdienstes immer mehr Spielraum zu Überwachung und Bespitzelung eingeräumt. Die so generell ausgedünnte Regulierung von Überwachung und Kontrolle, speziell auch im öffentlichen Raum, erleichtert nebenbei auch den repressiven Umgang mit sogenannt „unerwünschten Personen“ wie etwa politisch aktiven oder prekarisierten Menschen.
Gerade bei der Repression gegen politische Initiativen und Bewegungen zeigt sich, wie berechtigt jeder Einwand gegen diese Massnahmen und Kompetenzerweiterungen ist. „Wer nichts verbrochen hat, hat ja auch nichts zu befürchten“ lautet eine weit verbreitete Meinung. Doch gerade hier zeigt sich, wie willkürlich und fliessend die Einteilung in „Demonstrantin“, „gewaltbereiter Demonstrant“ und „Terroristin“ in einander übergehen und wie schnell es geschehen kann, dass, wer nichts verbrochen hat, eben doch zu fürchten hat. Denn wenn die Behörden beschliessen, dass die „innere Sicherheit“ bedroht sei, scheint zur Abwehr dieser vermeintlichen Bedrohung fast jedes Mittel zulässig. Dabei sind selbst die Kriterien zur Einschätzung, wann diese „innere Sicherheit“ bedroht ist, sehr willkürlich.
Gerade die Institutionen, welche von der „Antiglobalisierungs-Bewegung“ zu Hauptzielscheiben der Kritik wurden, wie etwa die WTO, das WEF und die Ministertreffen der G8, werden von den Behörden am nachhaltigsten und mit dem grössten Aufwand vor Protesten geschützt.
Protest darf jedoch nicht einfach verhindert werden unter dem Vorwand, dass es zu Auschreitungen kommen könnte oder einzelne DemonstrantInnen angeblich „gewaltbereit“ seien. Zumal sämtliche Schäden infolge Demonstrationen der letzten Jahre in keinem Verhältnis zu den Kosten der Polizeieinsätze, den Zumutungen, die Demonstrierende über sich ergehen lassen mussten, und den Behinderungen bei der Ausübung der Grundrechte stehen!
Unserer Meinung nach hilft nur grosser gesellschaftlicher Druck, dieser Tendenz zu zunehmender Kontrolle und Repression Einhalt zu gebieten. Das heisst, genau hinzuschauen, Kritik zu üben, politisch zu intervenieren, die Repression zum Thema zu machen.

Wehren wir uns für unsere Rechte

Der unverhältnismässige Polizeieinsatz vom Januar 2005 und die hohen Bussen sind ein Beispiel für die behördlichen Einschüchterungsversuche, zumal Bussen in dieser Höhe einen Eintrag ins Strafregister nach sich ziehen können. Wer beim Besuch einer Demo mit einem solchen Eintrag und den damit verbundenen unangenehmen Folgen rechnen muss, bleibt in Zukunft vielleicht lieber zu Hause. In diesem Sinn erscheinen die Personen, welche die Bussen angefochten haben, vor Gericht, um sich gegen die willkürliche Bestrafung und für das Recht wehren, seine Meinung zu äussern und mit Gleichgesinnten eine Demonstration abhalten zu können.
Wir laden die VertreterInnen der Medien ein, den Prozess zu verfolgen und darüber zu berichten. Bei Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.