"Die Welle" - Faschismus im Selbstversuch

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Anmod: Seit zwei Wochen läuft eine Neuverfilmung des Romans "Die Welle" mit Jürgen Vogel in der Hauptrolle in den deutschen Kinos. Vielbeachtet und -besprochen ist der Film, dass selbst der Außenminister und SPD-Vize Steinmeier "Die Welle" als einen sehr politischen Film lobte. Das ist er – allerdings mit einer sehr ideologischen, also falschen aber die Verhältnisse legitimierenden, Botschaft über den Faschismus. "Die Welle" - kommentiert von Holger Zweifeld von Radio Z.

Mehr zur "Welle" auch im Buch: "Alles bewältigt, nichts begriffen - Nationalsozialismus im Unterricht" von Rolf Gutte und Freerk Huisken, Neuauflage erschienen im VSA-Verlag.
Audio
04:59 min, 2340 kB, mp3
mp3, 64 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 16.05.2008 / 16:05

Dateizugriffe: 705

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Kultur, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Holger Zweifeld
Radio: RadioZ, Nürnberg im www
Produktionsdatum: 26.03.2008
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Der Roman "Die Welle" kommt wohl nie aus der Mode. Tausendfach in der Schule gelesen und als Film gesehen gehört er zum Standardrepertoir des deutschen Geschichtsunterrichts. Neuerdings gibt es eine zweite Verfilmung, die zwar kleine Änderungen an der Handlung vorgenommen hat – die Grundbotschaft ist aber geblieben. Doch zuerst: worum geht es?

Der engagierte junge Geschichtslehrer Wenger leitet bei der Staatsformen-Projektwoche den Autokratie-Kurs. In stört die Ungläubigkeit seiner Schüler, dass „so etwas“ wie der Faschismus überhaupt hat geschehen können – und will sie mithilfe eines Experiments beseitigen. Er gründet eine Bewegung namens „die Welle“, mit Führerprinzip und "Macht durch Disziplin" "Macht durch Gemeinschaft" und "Macht durch Handeln" als leitende Prinzipien. Fast alle Schüler machen mit, als hätten sie nur darauf gewartet, sich einem einem Ziel unterzuordnen, dem sie dann dienen können. Am Ende muss der Lehrer, der zwischenzeitlich selbst von der Welle fasziniert war, das Experiment abbrechen. Das tut er, indem er seinen Schülern erklärt, sie seien als Quasi-Faschisten verführt worden.

Was ist dran am Tatbestand der Verführung, den der Film nahelegen will? Da soll jemand dazu gebracht werden, etwas freiwillig zu tun oder denken, das er im Grunde gar nicht will. Das ist widersinnig, denn wenn jemand etwas freiwillig tut oder denkt, dann hat er dafür schon seine guten oder schlechten Gründe. Die hat er sich entweder selbst zurechtgelegt, oder von jemandem Übernommen, ab da sind sie aber auch seine eigenen. Es geht eben nicht – vorausgesetzt man wird nicht gezwungen - gleichzeitig etwas zu tun und nicht dahinter zu stehen.

Dennoch ist die Verführungstheorie hoch im Kurs. Schließlich passt sie gut zu der in Schulen ebenfalls gerne gewälzten Frage: „Wie konnte es dazu nur kommen“ - zum massenhaften Mitmachen beim deutschen Faschismus oder eben der Welle.
Diese Frage ist nicht minder blödsinnig. Denn die einfache Antwort: Weil sie es eben wollen. - würde die Frage ziemlich überflüssig machen. Damit gibt sie sich eben nicht zufrieden. Vielmehr sucht sie noch nach Gründen, die hinter dem Wollen stehen ... und kommt dabei auf ein inneres Bedürfnis der Schüler, mitzumachen. Sie machen also mit, weil das Mitmachen in ihrer Natur steckt. Die Argumentation dreht sich im Kreis.

Die Schüler sind also Menschen, die nur darauf gewartet haben, sich unterzuordnen, egal wem oder was. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit, denn den Wunsch nach einfach Gehorsam - ohne Inhalt und Ziel gibt es nicht.

Die Welle soll aber gerade das sein: Eine Bewegung ohne Inhalt, die einfach darin aufgeht, dass es sie gibt. Sie hat keinen weiteren Zweck und kein Ziel, dass sie verfolgt. Sie ist konstruiert als Bebilderung der falschen Vorstellung vom inhaltsleeren Unterordnungswunsch des Menschen.

Mit Faschismus hat das herzlich wenig zu tun. Der verfolgte nämlich bestimmte politische Ziele und fand dafür massenhaft Leute, die sich ihnen Unterordnen wollten.

Warum gehört diese Erlärung mit dem inhaltsleeren Unterordnungswunsch dann so fest zum deutschen Geschichtsunterricht? Weil sie gut zur ideologischen Vorstellung vom natürlichen Bedürfnis der Menschen nach Führung passt. Nach einer richtigen, also demokratischen, nämlich. Und damit ist demokratische Herrschaft wunderbar legitimiert. Sie entspricht ja nur der Menschennatur.

Das Experiment mit der Welle dient nicht der Erklärung des Faschismus und seiner politischen Ziele – um die geht es ja gar nicht. Am Ende sollen die Schüler den Faschisten in sich selbst erkennen und die Antwort auf die überflüssige Frage wissen, wie das bloß passieren konnte: Der Grund für das Mitmachen bei einer politischen Bewegung ist die Verführbarkeit des natürlicherweise führungsgeilen Menschen. Das sollte man Film und Geschichtslehrer besser nicht abnehmen.

Kommentare
27.03.2008 / 01:37 Ralf, Radio Corax, Halle
danke
Läuft im Morgenmagazin am 27.3. bei CORAX
 
27.03.2008 / 12:54 Klaus; Radio Blau (Leipzig), Radio Blau, Leipzig
Gesendet am 26.03. 2008 bei AKTUELL, dem Abendmagazin auf Radio Blau.
Danke!
 
30.03.2008 / 23:24 theo,
gesendet am 29.3.2008 zwischen 14.00-15.00 in "Aus Politik und Gesellschaft"
danke