ZeitzeugInnen - *für zip-fm*

ID 2437
 
Buchvorstellung "Wenn wir weg sind, ist alles nur noch Geschichte"
Audio
08:12 min, 2883 kB, mp3
mp3, 48 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 14.11.2002 / 00:00

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Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Serie: zip-fm - Einzelbeitrag
Entstehung

AutorInnen: ak
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 14.11.2002
keine Linzenz
Skript
Wenn wir weg sind... - zip-fm
Anmod:
"Guten Abend. Ich danke denen, die mich eingeladen haben. Denn: Es ist mir ein Vergnügen." Die Begrüßung von Alfred Jachmann. Gesprochen bei einer Veranstaltungsreihe, bei der Überlebende des Holocaust aus ihrer Erinnerung sprechen. "Ein Vergnügen"? Alfred Jachmann räumt ein, dass ihm das Thema auch heute noch an die Substanz geht. Und dennoch: Gerade das Interesse von jungen Leuten an der deutschen Vergangenheit ist es, das ihm dieses Vergnügen bei einer solchen Veranstaltung bereitet.
Eine von vielen erstaunlichen Aussagen bei einer Veranstaltungsreihe in Freiburg, die in den kommenden Tagen als Buchdokumentation mit zwei CD's erscheinen wird. Ein Beitrag von Radio Dreyeckland auf Freiburg.

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Wer sich für das direkte Gespräch mit Überlebenden der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik interessiert stellt fest: Wir müssen uns beeilen. Viele der ZeitzeugInnen sind nicht nur im vorgerückten Alter, sondern leiden unter Spätfolgen dessen, was sie seinerzeit erlebt haben. Auf Einladung von Radio Dreyeckland in Freiburg berichteten deshalb fünf Überlebende aus ihrem Leben: Jutta Bergt von ihren Versuchen, nach ihrer Befreiung aus Deutschland zu emigrieren, der Sinto Herbert Ricky Adler schlägt den Bogen von seiner Geschichte hin zu einer Anklage der heutigen Diskriminierung von Sinti und Roma.
Alfred Jachmann, im Frühjahr gestorben, berichtet von den ersten Anfängen der Verfolgung im Nationalsozialismus. Und davon, wie Juden und Jüdinnen zunächst garnicht glauben wollten, was auf sie zukommen sollte. Trude Simonson schildert eindringlich insbesondere ihre Erlebnisse in Theresienstadt, Felix Rottberger berichtet, wie seine - jüdische - Familie auseinandergerissen und auch in Island nicht vor dem NS-Regime sicher war.
Das in diesen Tagen erscheinende Buch und die beiliegenden CD's "Wenn wir weg sind ist alles nur noch Geschichte" dokumentiert die fünf Veranstaltungen. Zwar räumen die HerausgeberInnen ein, dass eine solche Publikation die Vielfalt der Schicksale nicht abbilden kann, und dennoch: narrative Geschichts-Schreibung ist nicht nur "en vogue", sondern - bei diesem Thema ganz besonders - dringend geboten: Gerade durch die Tondokumente werden Erinnerungen festgehalten und hörbar gemacht, die möglicherweise mehr Aussagekraft haben als abstrakte historische Daten. Vielleicht ist's auch durch die Art, wie die Zeitzeugen gesprochen haben: Im Grunde nie mit erhobenem Zeigefinger oder moralsierendem Unterton, aber immer mahnend: zur Übernahme politischer Verantwortung für die Zukunft. Ulrike Huber, eine der HerausgeberInnen:

O-Ton Ulrike

Fünf Überlebende der NS-Vernichtungspolitik kommen auf den beiden CD's zu Wort, eine davon: Trude Simonson. Sie überlebte die Konzentrationslager Theresienstadt und Auschwitz, ist bis heute vielfältig aktiv, spricht öffentlich über ihre Erfahrungen. Sie sagt:
"Es belastet mich, weil ich alles immer wieder erlebe, aber es ist meine Trauerarbeit und meine Plicht gegenüber den Toten." Zu diesen Toten gehören auch ihre Eltern, sie wurden in Dachau und Auschwitz ermordet.

O-Ton Simonson

Ist es nicht eine Zumutung, die Überlebenden mit den Mühen der Anreise und dem anstrengenden Vortrag zu konfrontieren? Sie betrachten es - so versichterten sie - als selbstverständlich. Erhielten bei den Veranstaltungen - nach einer kurzen Einführung ins Thema - stets freien Raum, aus ihrem Leben zu berichten. Eine Form, die auch in Buch und CD rüberkommt, die aber für VeranstalterInnen wie Gäste - wie einer sagte - "konfliktreich" sein kann. Nur manchmal führten die Erfahrungen des Nationalsozialismus dahin, sich zur politischen Linken zu begeben. "Wir sind doch alle Gottes Kinder" sagte Herbert Ricky Adler, rief zu Toleranz und gegenseitiger Achtung auf. VeranstalterInnen und Gäste stellen fest, dass jede und jeder der Überlebenden persönliche "Lehren aus dem Holocaust" gezogen hatten. Bei aller Unterschiedlichkeit in der Gesellschaftskritik: Alle Zeitzeugen betonen die Verantwortlichkeit für heutige und zukünftige Politik und betonen die Wichtigkeit, sensibel zu sein für die Anfänge von Diskriminierung und jegliche Politik der Ausgrenzung.

O-Ton Jachmann

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Abmod:
Alfred Jachmann. Einer, der seine Erinnerungen schildert in "Wenn wir weg sind, ist alles nur noch Geschichte", Herausgegeben von Amthor, Huber und Käpernick. Buch und CD's sind erhältlich ab kommender Woche im Buchhandel für 14 Euro 90.