Petra Elser seit 14 Monaten in Spanien in Haft *für zip-fm*

ID 3134
 
Anmod:
Derzeit sitzen zwei deutsche Frauen in spanischen Gefängnissen, die angeblich
die baskische Separatistenorganisation ETA unterstützt haben sollen. Erst
kürzlich wurde die Berlinerin Gabriele Kanze unter fadenscheinigen
Begründungen und merkwürdigen Verhalten der Schweiz von dort nach Spanien
ausgeliefert, wir haben berichtet, obwohl die deutsche Justiz das Verfahren
eingestellt hatte. Doch schon seit 14 Monaten sitzt die Frankfurterin Petra
Elser in spanischen Gefängnissen und wartet auf ihren Prozess, der eigentlich
sofort nach der Auslieferung aus Frankreich stattfinden sollte. Doch wie bei
Kanze ist auch bei Elser die Beweislage dünn. Doch es kommt noch etwas hinzu:
Das Vergehen, dass ihr in Spanien vorgeworfen wird, hat sie in Frankreich
fast drei Jahre hinter Gittern verbracht. So versucht die spanische
Staatsanwaltschaft offenbar mit allen Mitteln ihre Freilassung zu verhindern,
deshalb hat die Frankfurterin nun Verfassungsklage eingereicht. Ralf Streck,
weiß mehr zu einem weiteren Fall von spanischem Rechtsverständnis, dass wenn
es um das Baskenland geht, stets besondere Auswirkungen hat.
Audio
06:38 min, 3106 kB, mp3
mp3, 64 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 03.02.2003 / 00:00

Dateizugriffe:

Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Internationales, Politik/Info
Serie: zip-fm - Einzelbeitrag
Entstehung

AutorInnen: RDL
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 03.02.2003
keine Linzenz
Skript
In Köln müht sich das Komitee "Solidarität mit Petra Elser" schon seit
einigen Jahren darum, auf ihren Fall aufmerksam zu machen. Wir sprachen mit
Alix Arnold, warum die seit 14 Monaten in Spanien inhaftierte Frankfurterin
nun sogar Verfassungsklage eingereicht hat, um ihre Freilassung zu erreichen.

"Ihr Anwalt hat mehrfach die vorläufige Freilassung beantragt. Die Anträge
wurden zum Teil monatelang nicht bearbeitet, und danach abgelehnt - weil der
Prozess unmittelbar bevorstünde, und wegen Fluchtgefahr. Ein Termin ist aber
bis heute nicht in Sicht. Ihre Klage stützt sich auf das 'Grundrecht auf die
Durchführung eines Prozesses ohne ungebührliche Verzögerungen'. Der Prozess
hätte schon im November 2001, nach der Auslieferung stattfinden können.
Ermittelt wurde, während sie in Frankreich 17 Monate lang in
Auslieferungshaft saß. Damit beträgt die Untersuchungshaft für die Vorwürfe
in Spanien 31 Monate, was selbst für spanische Verhältnisse enorm lang ist."

Petra Elser wurde Ende 1996, mit ihrem damals wenige Monate alten Sohn, im
Auto ihres Lebensgefährten Juan Luis Agirre im französischen Baskenland
verhaftet. Agirre wurde in Frankreich als ETA-Mitglied verurteilt. Auch wenn
beide immer wieder hervorheben, Elser habe nichts mit seinen Aktivitäten zu
tun gehabt, wurde sie trotzdem in Frankreich wegen Mitgliedschaft in der ETA
zu 30 Monaten Haft verurteilt. Nach der Verbüßung der Strafe wurde sie 17
Monate in Auslieferungshaft gehalten, weil Spanien mehrere
Auslieferungsanträge gestellt hatte. Erst nach weiteren Klagen wurde sie
entlassen. Elser lebte und arbeitete dann in Paris, um im November 2001
erneut verhaftet und sofort abgeschoben zu werden. Was ist angesichts dieses
Verhaltens von der behaupteten Fluchtgefahr zu halten?

"Das Argument ist vorgeschoben. Petra hat vor ihrer Auslieferung ein Jahr
lang in Paris gelebt und gearbeitet. Wenn sie sich hätte entziehen wollen
dann hätte sie das leicht in der Zeit tun können. Sie hätte einfach nach
Deutschland gehen müssen und dann hätte die spanische Justiz ihrer nicht mehr
habhaft werden können. Eine Flucht macht aber für keinen Sinn, da keine hohe
Strafe mehr zu erwarten hat. Man muss vor allem die Begleitumstände
berücksichtigen, sie möchte das Verfahren abschließen, um wieder mit ihrem
Sohn zusammen sein zu können, der seit ihrer ersten Verhaftung bei der
Familie ihres Lebensgefährten im Baskenland lebt. Wenn sie sich jetzt der
spanischen Justiz entziehen würde, könnte sie weder mit ihrem Sohn dort
leben, noch ihren Freund im Knast besuchen. Deshalb macht das für sie
überhaupt keinen Sinn."

Wie die Auslieferung überhaupt zu Stande kam, erklärt Elsers Anwalt in
Madrid, Jose Luis Galan:

"Bei Petra wurde die Auslieferung von der spanischen Justiz mit zwei Anträgen
begründet. Im ersten ging es um die Mitgliedschaft in einer bewaffneten
Bande. Im Zweiten, nachgeschobenen Antrag, wurden ihr dann verschiedene
Attentate und 19facher Mordversuch vorgeworfen. Doch selbst die
Staatsanwaltschaft hat anerkannt, dass es dafür keine Beweise gibt und hat
nach der Auslieferung beantragt, dieses Verfahren einzustellen. Das Gericht
ist dem gefolgt und hat die sofortig Freilassung angeordnet."

Das war schon im Frühjahr des vergangenen Jahres, doch noch immer ist Elser
im Gefängnis, weil ihr Mitgliedschaft in der ETA vorgeworfen wird, dafür hat
sie schon eine Strafe in Frankreich abgesessen, obwohl sie dies immer
bestritten hat. Wir fragen den Anwalt: Kann sie zwei Mal für das selbe
Vergehen angeklagt werden?

"In unser Verteidigung bringen wir vor, dass Petra nie der ETA oder dessen
Kommando Madrid angehört hat. Außerdem ist sie in Frankreich für ein Delikt
verurteilt worden, das der jetzigen spanischen Anklage entspricht. Somit
würde sie für das selbe Delikt zwei Mal angeklagt, was unmöglich ist.

Seit vergangenem Frühjahr fordert Galan deshalb ständig die Freilassung, doch
wie verhält sich die Staatsanwaltschaft?

Die Staatsanwaltschaft verzögert das Verfahren. Schon im Februar des
vergangenen Jahres hatte sie den Widerspruch gegen den Haftbefehl bekommen,
aber statt den Antrag in drei Tagen zu bearbeiten, wie es vorgeschrieben ist,
hat sie drei Monate dafür gebraucht. Das ist ein klarer Verstoß gegen die
spanische Verfassung und die Europäische Konvention, die beide die umgehende
Bearbeitung vorsehen.

Rekapitulieren wir noch einmal. Die Staatsanwaltschaft in Spanien fordert die
Auslieferung wegen 19fachen Mordversuch und stellt höchstselbst diesen
Vorwurf kurz nach der Auslieferung ein, weil es keine Beweise gibt. Wie
bewertet der Anwalt Auslieferung in diesem Stil?

Das ist eine kafkaeske Situation. Die Anklage wegen Mitgliedschaft in der ETA
wird noch aufrecht erhalten, weil ihnen die Angelegenheit peinlich ist: Sie
nach einer Auslieferung aus einem Drittstaat auf freien Fuß zu setzen, ohne
auch nur ein Verfahren durchzuführen. Dazu muss gesagt werden, dass die
Anschuldigung wegen Mordversuchs nur auf vage Hinweise eines ETA?Mitgliedes
zurückgehen, die nie vor Gericht wiederholt wurden. Im Gegenteil sie diesen
wurden wiederrufen. Die Person hat erklärt, die Aussage sei unter Folter
zustande gekommen. Tatsächlich wurde er nach der Verhaftung mit den
entsprechenden Verletzungen ins Gefängnis gebracht".

Auslieferungen a la carte werden sich weiter ausweiten. Eine Situation die
sich mit der Kreation eines europäischen Justizraums weiter verschärfen wird,
wie Galan meint.

Die Auslieferungen entwickeln sich immer stärker zu einer bürokratischen
Routine. Das geschieht, obwohl es im Fall von Petra noch eine Kontrolle der
Justiz darüber gab, die mit der Schaffung eines europäischen Justizraums ganz
weg fällt. Die Auslieferungsgründe werden dann nicht mehr untersucht.

Welche Gründe sieht Alix Arnold vom Solikommitee in Köln dafür, das Petra
Elser noch immer im Knast sitzt.

Mehrfach sind Deutsche beschuldigt worden, die ETA unterstützt zu haben, doch
Spanien konnte ihrer nicht habhaft werden. In der BRD wurden die Anklagen
eingestellt oder führten zu geringen Haftstrafen. Da sie auch gegen Petra
nichts in der Hand haben, gelingt es ihnen mit der Prozessverzögerung
wenigstens, sie ohne Urteil lange im Knast sitzen zu lassen. Von einer Justiz
mit Franco-Anhängern in leitenden Positionen ist im übrigen kaum zu erwarten,
dass sie sich an rechtsstaatliche Spielregeln hält.