Focus Europa Nachrichten vom 26. August 2010

ID 35682
 
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-Roma-Massenabschiebung in Frankreich

-Deutsch-türkischer Schriftsteller in Istanbul verhaftet

-Verfassungsgericht will EU-Gerichtshof nur in Extremfällen blockieren

-IRA-Terrorist wurde von der britischen Regierung gedeckt

-72 EinwandererInnen in Mexiko ermordet
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Upload vom 26.08.2010 / 19:21

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Kultur, Umwelt, Arbeitswelt, Internationales, Wirtschaft/Soziales
Serie: Focus Europa Einzelbeitrag
Entstehung

AutorInnen: Martin
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 26.08.2010
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Roma-Massenabschiebung in Frankreich:
Wie die französische Nachrichtenagentur AFP berichtete, sind heute insgesamt 250 Roma nach Rumänien abgeschoben worden. Ein Flugzeug mit etwa hundert Roma an Bord hob in Lyon ab, eine Maschine mit ca. 150 Roma an Bord startete in Paris. Die französische Regierung hatte in den vergangenen Wochen eine härtere Gangart gegenüber den Roma eingeschlagen und will die Ausreise weiterer Gruppen beschleunigen. Seit Jahresbeginn hat Frankreich rund 8300 Roma nach Rumänien und Bulgarien zurückgeschickt. Gleichzeitig haben heute Verhandlungen zwischen Frankreich und Rumänien begonnen. In diesem Zusammenhang forderte Einwanderungsminister Besson, Rumänien müsse sich künftig mehr für die Eingliederung der Roma in die Gesellschaft einsetzen. Innenminister Horteux kündigte eine verstärkte Zusammenarbeit mit der rumänischen Polizei beim Vorgehen gegen das organisierte Betteln und Straftaten von Roma an. Unter anderem sollen künftig 14 statt vier rumänische Polizisten in Frankreich eingesetzt werden. Unterdessen wächst die Skepsis in der französischen Bevölkerung über die Roma-Politik ihrer Regierung: während Anfang des Monats 79 Prozent die Schließung einer Roma-Siedlung befürwortet hatte, sprachen sich nun 48 Prozent für die Massenausweisungen aus, 42 Prozent waren dagegen.

-Deutsch-türkischer Schriftsteller in Istanbul verhaftet:

Nach 19 Jahren in Deutschland war Dogan Akhanli am 10. August nach Istanbul geflogen, um seinen kranken Vater zu besuchen. Doch gleich nach der Landung wurde Akhanli verhaftet und sitzt seitdem im Gefängnis. Den Beschuldigungen zufolge hat der zuletzt in Köln lebende Schriftsteller eine Wechselstube überfallen. Nach Informationen der taz sind die Beweise für diese Anschuldigung äußerst dürftig: ein Zeuge hat Akhanli 1992 unter Folter der Tat belastet, nach dieser Aussage will der Sohn des bei dem Überfall erschossenen Wechselstubenbesitzers Akhanli als Täter erkannt haben. Akhanli selbst sagte aus, er habe von dieser Sache noch nie gehört, geschweige denn daran teilgenommen. Mittlerweile sind dem Sohn des Opfers und dessen Bruder erneut Fotos von Akhanli vorgelegt worden und beide konnten ihn nicht mehr als Täter identifizieren. Trotzdem bleibt Dogan Akhanli in Haft. Der Schriftsteller war bereits in den achziger Jahren drei Jahre in einem Foltergefängnis inhaftiert gewesen, damals wegen seinen Aktivitäten in der maoistischen Partei TDKP. 1988 war er vor Ablauf seiner Haftstrafe in den Untergrund und drei Jahre später nach Deutschland geflohen. Vor seinem Rückflug in die Türkei hatte Akhanli sich über einen Anwalt erkundigt, ob ihm vor diesem Hintergrund eine Verhaftung drohe und daraufhin die Information erhalten, diese Vorwürfe seien verjährt oder amnestiert. Von den Überfall-Vorwürfen sei dabei keine Rede gewesen.
In Köln haben sich Freunde von Akhanli, unter ihnen der investigative Autor Günther Wallraff, für eine Freilassung des Schriftstellers ausgesprochen. Sie verwiesen auf Akhanlis Einsatz für die Menschenrechte und die Aufarbeitung des Genozids des türkischen Staates an den Armeniern im 20. Jahrhunderts.

-Verfassungsgericht will EU-Gerichtshof nur in Extremfällen blockieren:

In einem Musterverfahren hat Karlsruhe erklärt, dass es vermeintliche Fehlurteile des EU-Gerichtshofs nur in seltenen Ausnahmefällen beanstanden will. Diese Ausnahmen würden eintreten, wenn der EU-Gerichtshof "strukturell bedeutsame" Kompetenzen ohne Rechtsgrundlage verschiebt. Inhalt des Musterverfahrens war ein Fall beim Automobilzulieferer Honeywell. Dort waren ältere Arbeitnehmer aufgrund eines deutschen Gesetzes befristet eingestellt worden, was aber 2005 in einem anderen Fall vom EU-Gerichtshof für verfassungswidrig erklärt worden war. EU-skeptische Juristen hatten daraufhin eine Beanstandung dieses Urteils durch das Bundesverfassungsgericht gefordert.
Dieses Ansinnen wurde nun zurückgewiesen. Den Karlsruher Richtern zufolge sollen nur "offensichtlich kompetenzwidrige" Urteile des EU-Gerichtshofs beanstandet werden. Außerdem müsse das Urteil zu einer "strukturell bedeutsamen Verschiebung im Kompetenzgefüge zwischen EU und Mitgliedsstaaten" führen. Zudem will Karlsruhe, bevor es ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für unanwendbar erklärt, dem Luxemburger Gericht Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Das Urteil zur Altersdiskriminierung habe die Kompetenzen der EU jedenfalls nicht ausgedehnt und müsse deshalb nicht blockiert werden. Die Entscheidung im Verfassungsgericht ergab eine deutliche Mehrheit der Richterstimmen von 7:1.

-IRA-Terrorist wurde von der britischen Regierung gedeckt :

Einem am Dienstag veröffentlichten Ermittlungsbericht zufolge organisierte Father James Chesney 1972 in Nordirland drei Anschläge, bei denen insgesamt neun Menschen starben, darunter drei Kinder. Bei der Explosion dreier Autobomben in der kleinen Ortschaft Claudy wurden außerdem mehr als 30 Menschen verletzt. Die Tat ging als „Bloody Monday“ in die Geschichte des Nordirlandkonflikts ein. In den damaligen Ermittlungen war niemand für die Tat zur Rechenschaft gezogen worden, weil Father Chesney dem Hauptverdächtigen ein Alibi verschafft hatte. Eine seit 2002 laufende neue Untersuchung ergab, dass Chesneys führende Rolle in der IRA von Süd-Derry bis in höchste Polizeikreise bekannt war und er deshalb der Hauptverdächtige in den „Bloody Monday“-Ermittlungen war. Seine Verhaftung wurde aber von der Polizeispitze verhindert, weil diese befürchtete, die Verhaftung eines katholischen Priesters könne der IRA starken Zulauf bescheren. In die damaligen Absprachen waren laut Ermittlungsbericht auch der britische Nordirland-Minister Whitelaw und das damalige

Oberhaupt der irischen Katholiken, Kardinal William Conway, verwickelt. Anstatt den überführten Chesney verhaften zu lassen, versetzte ihn Conway nach Malin Head, den nördlichsten Punkt der Insel Irland, wo Chesney 1980 starb.
-72 EinwandererInnen in Mexiko ermordet:
Im gerade in Mexiko wütenden Drogenkrieg gibt es derzeit regelmäßige Funde von Massengräbern. Nun wurden die Leichen von 72 mutmaßlich illegalen Einwanderern gefunden - auch sie sind vermutlich Opfer einer Drogenbande. Die mexikanische Außenministerin Espinosa sagte, die "feige" Tat betrübe "alle Regierungen und Völker Lateinamerikas. Die 58 Männer und 14 Frauen stammen ersten Erkenntnissen zufolge aus Brasilien, Ecuador, Honduras und El Salvador.