Wahlen unter Ausschluss der baskischen Unabhängigkeitsbewegung

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Der Kommunal- und Regionalwahlen im spanischen Staat haben mit der Annullierung der linken baskischen Unabhängigkeitsbewegung begonnen. So hat das Verfassungsgericht in Madrid den Ausschluss von 225 Listen für die Wahlen am 25. Mai bestätigt. Es handele sich angeblich um „Klone“ der im März verbotenen Partei Batasuna (Einheit) handele. Die baskische linke hat mit Demonstrationen und einem zweistündigen Generalstreik auf den Ausschluss reagiert.

Da eine Verbindung zwischen der ETA und Batasuna nicht bewiesen wurde, könnte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg schon hier einhaken. Material für die Klage der annullierten Listen lieferte nun aber die Verfassungsrichterin María Emilia Casas Baamonde. Sie hat sich gegen die Annullierungen gestellt und dies mit der „Wehrlosigkeit“ der Beschuldigten begründet. Es sei den Listen nicht einzeln bewiesen worden, „dass sie im Dienst der aufgelösten Partei stehen“. Sie hätten zum Teil nur Stunden Zeit gehabt, ihre Verfassungsbeschwerde zu formulieren, ohne auch nur die Anträge der Staatsanwaltschaft zu kennen.

Über die Besonderheiten im spanischen Wahlkampf und die Stimmung im Baskenland berichtet Ralf Streck
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Upload vom 20.05.2003 / 00:00

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Klassifizierung

Beitragsart: Collage
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Ralf Streck
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 20.05.2003
keine Linzenz
Skript
Beitrag:

Vergangener Samstag in der baskischen Stadt Donostia-San Sebastian, die Stimmung ist gereizt und angespannt. Gerade haben schwerbewaffnete Polizisten etwa 5000 Menschen den Zugang zu einer Halle verweigert. Sie rufen nun Parolen für die Unabhängigkeit des Baskenlandes.

„Bitte setzt euch hin, in fünf Minuten fangen wir an“.

Also setzen sich 5000 Menschen vor dem Stadion des Fussballklubs Real Sociedad hin, der gerade die spanische Liga anführt. Umringt sind sie von vielen maskierten, behelmten Polizisten, die ihre Gewehre mit Gummigeschossen drohend auf die Menge halten. Ein LKW kommt herangefahren und improvisiert wird mit Musik die Zeit überbrückt.

Eigentlich sollte hier eine Wahlveranstaltung der Plattform für das Selbstbestimmungsrecht mit dem Kürzel AuB stattfinden. AuB und viele lokale Wählervereinigungen wollten gewährleisten, dass die linke baskische Unabhängigkeitsbewegung nach dem Verbot der baskischen Partei Batasuna weiter in den Gremien des Landes teilnehmen kann. Doch mit AuB wurden insgesamt 225 Listen von den Kommunal- und Regionalwahlen annulliert, weil es sich angeblich um „Klone“ der verbotenen Partei handelt.

Dauert es in Deutschland Jahre um eine Partei zu verbieten, geht das in Spanien ganz schnell. Es reichte, Anschläge der ETA nicht im gewünschten Stil der Regierung zu verurteilen und schon war Batasuna verboten. Obwohl keinem Batasuna Mitglied eine Straftat nachgewiesen oder die politischen Rechte entzogen wurden, reicht die Anwesenheit von ehemaligen Batasuna – Kandidaten nun zur pauschalen Behauptung, es handele sich um Klone der Partei, um sie von den Wahlen auszuschließen.

Der ehemalige Batasuna – Sprecher, Arnaldo Otegi, erinnert die moderaten Nationalisten in der baskischen Regierung an ihre Verantwortung. Die beklagen zwar, die Verbote aus Madrid seinen undemokratisch, setzen sie aber praktisch in die Tat um.

„Wir sagen erneut, dass in unserem Land die Lage immer klarer wird. Wir nehmen an einer Wahl a la Türkei teil. Man verbietet Veranstaltungen, schlägt Kandidaten zusammen, verbietet Kandidaturen. Das ist also die Demokratie und die Autonome Selbstregierung von denen uns einige ständig erzählen. Vor drei Jahren gab es das Ende der Waffenruhe. Wir haben damals gesagt, diese historische Chance wurde nicht wegen Ungeduld vertan, sondern weil die Baskisch Nationalistische Partei und die Solidaritätspartei nicht auf der Höhe der Zeit waren, einen Prozess zu artikulieren um sich mit Madrid und Paris zu konfrontieren. Damit wäre das Baskenland dahin kommt, wo es hingehört, in einen Rahmen der Souveränität und des Friedens."

Wir fragen den Sprecher von AuB, den Hochschullehrer Pedro Albite, ob es sich bei der Liste um einen Klon der verbotenen Partei handelt oder worin sie sich von ihr unterscheidet?

„Wir haben kritisiert, wie bisher mit Gewalt umgegangen wurde, den sterilen Verurteilungen auf der einen und die Haltung der linken Unabhängigkeitsbewegung auf der anderen Seite. Die hat sie in einen Kontext gestellt und sie irgendwie auch als Antwort auf etwas gerechtfertigt. Davon haben wir uns distanziert. Diese Rhetorik hat nicht zur Lösung des Konflikts geführt. Wir brauchen Lösungen, denn weil hier elementare Rechte von allen verletzt werden, muss es auch eine politische Lösung für alle geben.“

Die spanische Regierung und die sie unterstützenden oppositionellen Sozialisten erhoffen sich, dass sie über die Annullierung von etwa 20 Prozent der Stimmen endlich in vielen Gremien die Mehrheit übernehmen können. In einigen Gemeinden hat die Partei von Ministerpräsident José Maria Aznar schon jetzt die absolute Mehrheit, weil die einzige gegnerische Partei ausgeschaltet wurde. Das ist die Lösung die dem ehemaligen Anhänger der Franco-Diktator vorschwebt. Und wenn es gar nicht anders geht, dann müssen die Machtverhältnisse eben mit Bomben verändert werden, wie er zuletzt bei seiner Kriegsbeteiligung um Irak gezeigt hat. Wie bei der Rechtfertigung des Kriegs, ist ihm auch im Baskenland keine Lüge zu blöd. Weil die ETA wegen einer internen Debatte seit drei Monaten keine Anschläge ausführt, erzählte Aznar ständig, die moderaten Nationalisten hätten einen Pakt mit der ETA geschlossen. Der Plan des baskischen Regierungschefs Juan Jose Ibarretxe über den freien Anschluss der Basken an Spanien abstimmen zu lassen, sei die Basis für eine neue Waffenruhe.

„Sie sind am Reden, am Verhandeln und am Paktieren. Das sind Abkommen um sie anderen aufzudrücken und andere auszuschließen. Ich will euch drei einfache Regeln mitteilen, damit sich niemand irrt: In Spanien werden die Regeln beachtet, die Normen erfüllt und mit Terroristen wird nicht paktiert

Ganz abgesehen davon, das ohne einen Dialog sich das Baskenland immer weiter von einer demokratischen Lösung entfernt, war dumm für Aznar, dass die ETA Ende letzter Woche auf einer Pressekonferenz die Ergebnisse der internen Debatte vorgestellt hat. Auf die Frage nach einer Waffenruhe erklärte einer der drei Sprecher:

„Eine Waffenruhe von ETA gibt es nicht.“

Den Plan Ibarretxe, nach Worten Aznars die einzige Freude der Terroristen, lehnt die ETA scharf ab.

„Im Prinzip ist jeder Vorschlag auf der Basis der Volksbefragung aufrichtig. Eine Referendum würde dem Volk viel helfen. Doch der Plan Ibarretxe ist ein Teilvorschlag der geschlossen ist und ausschließt. Er sucht nicht die definitive Lösung des Konflikts“.

Gemeint ist, das nur drei von sieben baskischen Provinzen, die heute die Autonome Gemeinschaft bilden, abstimmen sollen. Die ETA räumte nebulös Fehler ein und werde deshalb einige ihrer Kampffronten anpassen, aber neue eröffnen. Sie stellte eine dauerhaftes Schweigen ihrer Waffen in Aussicht, wenn die Basken selbst über ihre Zukunft entscheiden können und forderte auf, am Sonntag die annullierten Listen zu wählen. Stimmen für die moderaten Nationalisten garantierten nur die Unterdrückung der Basken in der Zukunft.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 20.05.2003