Video-Überwachung aufm Stuttgarter Rotebühl-Platz beendet

ID 4676
 
Anmod
In Stuttgart gingen zwar nicht die Lichter aus am vergangenen Wochenende, aber immerhin eine ganze Reihe von Monitoren. Auf dem Pragsattel. Beim Einsatzzentrum der Stuttgarter Polizei, dort wo die Videobilder der Überwachungskameras flimmerten. Die Videoüberwachung auf dem Rotebühlplatz, mitten in der Baden-Württembergischen Landeshauptstadt ist am zurückliegenden Sonntag abgeschaltet worden. "Sie ist nicht mehr erforderlich" heißt es bei der Polizei. Hintergründe in einem Beitrag von Radio Dreyeckland aus Freiburg.
Audio
05:41 min, 2662 kB, mp3
mp3, 64 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 28.07.2003 / 22:23

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Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Serie: zip-fm - Einzelbeitrag
Entstehung

AutorInnen: ak/rdl
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 28.07.2003
keine Linzenz
Skript
Was ist sie nun, die Videoüberwachung? Der endgültige Einstieg in die Überwachungsgesellschaft? Oder doch ganz angenehm, wenn Frauen des nachts etwas entspannter durch die Städte flanieren können? Die Meinungen zu den Überwachungs-Kameras im öffentlichen Raum sind alles andere als einheitlich, und auch die Meinungen im Innenministerium, die Kritik aus dem Justizministerium oder die Zurückhaltung bei der Polizei zeichnet ein eher uneinheitliches Bild. Und auch je nach Stadt gehen die Meinungen auseinander. In Baden-Württemberg installierte die Polizei stationäre Anlagen in Heilbronn, Mannheim und Stuttgart, die teuerste, "mobile" Anlage steht in Böblingen – Kosten: 230000 Euro. Die Erfolgsbilanzen aus Sicht der Polizei: »Ob wir ohne Videoüberwachung mehr oder weniger Erfolg gehabt hätten, läßt sich noch nicht sagen.« meint Polizeisprecher Torsten Wiedemann aus Heilbronn. »Alkoholisierte Cliquen haben dank der sieben Polizeikameras ihre Treffpunkte an andere Orte verlagert.« meint die Polizei in Mannheim.
In Stuttgart nun, wo die Kameras - wie gesagt - am vergangenen Wochenende am zentralen Rotebühlplatz abgeschaltet worden sind, scheint eingetreten zu sein, was man sich bei der Polizei gewünscht hatte. Der Platz ist aus der Sicht der Stuttgarter Polizei kein Kriminalitäts-Schwerpunkt mehr, der Handel mit unerlaubten Drogen sei zum erliegen gekommen. Allerdings räumt Polizeisprecher Herrmann Karpf ein:

O-Ton Karpf "Verlagerung"

So zeitigt das Projekt "Videoüberwachung des Stuttgarter Rotebühlplatzes" genau den Erfolg, den KritikerInnen schon immer vortragen: Bestimmte Bereiche des öffentlichen Raumes werden überwacht und im Sinne von Stadtverwaltung und Polizei zugerichtet. Skater und Kifferinnen, aber natürlich auch Handtaschendiebe und Typen, die Frauen belästigen werden ihr Treiben um die nächste Ecke verlagern. Warum also nicht allenthalben Kameras installieren? So wie in Britannien? Herr Braun vom Stuttgarter Referat Umwelt und Sicherheit:

O-Ton Braun "nicht präventiv"

Genau dies scheint auch zentrale Motivation für den Abbau der Kameras zu sein: Der Baden-Württembergische Verwaltungs-Gerichtshof hatte Montag vergangener Woche entschieden, dass Polizeikameras nur an solchen Plätzen installiert sein dürfen, die als "Kriminalitäts-Schwerpunkte" gelten. Ein Grundsatzurteil mit bundesweiter Pilotwirkung. Geklagt hatte ein Mannheimer Rechtsanwalt, er sah durch die Kameras das Recht auf informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigt. Die Richter stellten nun fest, dass Videoüberwachung eben doch zulässig sei, allerdings nur dann, wenn - wie es in der Urteilsbegründung hieß - "eine solche Datenerhebung im Vorfeld konkreter Gefahren oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten" stattfindet.

Das Gerichtsurteil öffnet einerseits so einige Türen, andererseits könnten so manche Kameras auch in Frage gestellt sein. Die vor dem Weimarer Theater etwa. Johannes Rieger, Referatsleiter im Thüringer Innenministerium begründet sie mit den Worten: "Videoüberwachung ist geeignet, die Attraktivität des Platzes zu erhöhen." Das scheint nun etwas kurz zu greifen.
Grundsätzlicher sind da Überlegungen von Rolf Gössner, Rechtsanwalt und kritischer Publizist aus Bremen.

O-Ton Goessner "soziale Unsicherheit"

Bleibt uns noch ein Nachsatz: Wenn es tätsächlich nur um Sicherheit auf öffentlichen Plätzen und Wegen ginge, könnte eine Studie der britischen "National Association for the Care and Resettlement of Offenders" wegweisend sein: Die förderte nämlich zu Tage, dass es einen weit effektiveren Weg zu tatsächlicher oder auch empfundener Sicherheit gibt: Nämlich den, die für Videoüberwachung bereitsgestellten Gelder in schlichte Straßenlaternen zu investieren.