Bahnfahren gegen Atomkraft

ID 5279
 
Anmod-Vorschlag:
Fast jeder Atommülltransport in Deutschland wird inzwischen von Protesten begleitet. Besonders heftig wird der Widerstand der Atomkraftgegner, wenn
abgebrannte Brennelemente nach Gorleben gebracht werden. Die Bevölkerung im Wendland macht seit Jahrzehnten gegen das geplante atomare Endlager mobil.

Nun ist es wieder soweit. Für den 10. November soll ein Transport von der französischen Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague in Richtung Gorleben rollen. Statt darauf zu warten bis der Transport kommt, haben die Atomkraftgegner schon am Samstag mit friedlichen und phantasievollen Aktionen auf den die Atomtransporte hingewiesen. Das Schienennetz der Deutschen Bahn wurde dabei in eine mobile Demonstration verwandelt. Ralf Streck war dabei.
Audio
04:05 min, 3827 kB, mp3
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Upload vom 27.10.2003 / 11:37

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Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Umwelt
Serie: zip-fm - Einzelbeitrag
Entstehung

AutorInnen: Ralf Streck
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 27.10.2003
keine Linzenz
Skript
Wer am vergangenen Samstag mit der Bahn unterwegs war, konnte sich, wie hier
am Bahnhof in Mannheim, auf Überraschungen gefasst machen. Atomkraftgegner aus
mehr als 20 Städten im Bundesgebiet waren als sogenannte "mobile
Demonstrationen" unterwegs. "Schönes Wochenende - Bahnfahren gegen die Atomwirtschaft" war
ihr Motto. So wollten sie auf die Transporte mit hochgiftigem Atommüll
hinweisen, die immer wieder quer durch Europa rollen.

Zwar waren nur knapp 50 Menschen bewaffnet mit Fässern, Transparenten und
Flugblättern erschienen, doch statt auf Masse setzte man auf Vielfalt, erklärte
Holger Brandscheid von der Anti-Atom Gruppe Mannheim den Passanten und seinen
Mitstreitern:

"Es werden an verschiedenen Orten, von Saarbrücken bis Berlin, von Unterlüß
bis Schnega, Aktionen an Bahnhöfen stattfinden. Von einem Bahnhof zum Nächsten
kommt mensch am besten mit der Bahn, so wird sich zwangsläufig der Protest in
die Züge tragen. Dieses spaßige Ereignis ist der Auftakt für vielfältige
Aktionen für den Castortransport nach Gorleben."

Jeweils fünf Personen kauften ein Wochenendticket der Bahn, um einen Tag lang
mit vielfältigen Aktionen in Bahnhöfen und Zügen zu protestieren. Besonders
wollten sie auf den nächsten Atommülltransport von der französischen
Wiederaufarbeitungsanlage in das geplante deutsche Endlager in Gorleben hinweisen. Um
den 10. November herum werde erneut ein Zug mit 12 Transportbehältern La Hague
verlassen und quer durch ganz Frankreich und Deutschland rollen. Die
Atomkraftgegner haben schon im Vorfeld gezeigt dass auch in diesem Jahr mit ihrem
Widerstand zu rechnen ist.

Warum die Deutsche Bahn AG nicht nur Transportmittel war, sondern selbst Ziel
des Protests, erklärte Holger Brandscheid während der Fahrt:

"Die Bahn, die sich ja ein Image verschaffen möchte, dass sie ökologisch
einwandfrei ist, diese Bahn verdient ganz massiv Geld damit, dass Castortransporte
und auch sonst Nukleartransporte stattfinden, die die Bahn abwickelt. Und die
Bahn ist mit 18 Prozent am AKW Neckarwestheim beteiligt. Das heißt sie steckt
fett drin in der Atomwirtschaft, und hätte die Möglichkeit dem was entgehen
zu setzen, wenn sie denn wollte."

Will sie nicht, bestätigt der Pressesprecher der Bahn Hartmut Lange.
Nukleartransporte auf der Schiene seien am sichersten und man bewege sich im legalen
Rahmen, denn alle Transporte seien vom Bundesamt für Strahlenschutz genehmigt.

Die Gruppe aus Mannheim fuhr derweil zum französischen Grenzort Lauterbourg.
Dort, wo der Atommüll oft die Grenze überschreitet, sollte gezeigt werden,
dass auch der Widerstand gegen die Atomenergie keine Grenzen kennt. Für den
Franzosen Stefan Lhomme eine bedeutsame Geste der Solidarität, wie der Vertreter
des Netzwerks für den Atomausstieg auf einer gemeinsamen Kundgebung bekräftigte:

"Danke und Bravo an unsere deutschen Freunde, die heute zu uns nach
Lauterbourg in Frankreich gekommen sind. Denn es liegt auf der Hand, dass die atomare
Bedrohung auf beiden Seiten der Grenze die gleiche ist. Es ist sehr wichtig das
wir dagegen gemeinsam vorgehen."

Lhomme, der den französischen Zusammenschluss von fast 700 Gruppen vertritt,
klagte vor allem über den Maulkorb, den die französische Regierung verhängt
habe. Mitten im Sommer habe die nahezu unbemerkt fast alle Informationen zur
Atomkraft zum Militärgeheimnis deklariert. Wer die Öffentlichkeit informiere, ob
Atomkraftgegner oder Journalist, sei sogar von Gefängnisstrafen bedroht.
Trotzdem, die französischen Atomkraftgegner lassen sich nicht einschüchtern,
bekräftigt Stefan Homme:

"Wir haben uns entschlossen weiter Aktionen zu machen, auch wenn wir jetzt
von Strafen bis zu fünf Jahren Gefängnis oder 75000 Euro riskieren. Aber wir
hoffen, es gibt bei harten Strafen eine entsprechende Reaktion der Öffentlichkeit
und auch der Journalisten, die die Regierung zwingt, den Erlass
zurückzunehmen".

Diese Reaktion könnte schnell nötig werden. Denn heute steht der
Atomkraftgegner in Bordeaux vor Gericht, weil er ganz allein mitten in der Stadt einen
Atomtransport blockierte. Für ihn ist es ein Skandal, dass der Transport von
keinen Sicherheitskräften bewacht worden ist. Das zeige wie unverantwortlich mit
der hochgefährlichen Fracht hantiert werde.

© Ralf Streck den 26.10.2003