Brukman bleibt - 160 selbstverwaltete Betriebe in Argentinien

ID 5588
 
Die Beschäftigten des argentinischen Textilunternehmens Brukman Confeciones, in ihrer Mehrzahl Frauen, haben allen Grund zur Hoffnung: Ihr Chef ist vor wenigen Tagen enteignet worden, ein jahrelanger Kampf könnte nun zu gunsten der Beschäftigten ausgehen. Mit der Enteignung und Übertragung der Fabrik an eine Kooperative der Arbeiterinnen und Arbeiter sollte nun klar sein, dass Brukman weiter bestehen kann, die Beschäftigten an ihre Arbeitsplätze zurückkehren können. Die Vorgeschichte: Vor drei Jahren, auf dem Höhepunkt der letzten argentinischen Wirtschaftskrise, hatten die früheren Eigentümer das Werk praktisch sich selbst überlassen; angeblich, weil sie den Arbeiterinnen und Arbeitern keinen Lohn mehr zahlen konnten. Daraufhin war ein Teil der Belegschaft in der Fabrik zurückgeblieben und hatte begonnen, die Textilproduktion in Eigenregie zu betreiben. Es gelang den Brukman-Arbeiterinnen, einen Teil der Schulden der Fabrik abzubezahlen und von den Einnahmen aus dem Verkauf der hergestellten Textilien ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Das war der Beginn langer Auseinandersetzungen um die Frage, ob und wie die Beschäftigten an ihren Arbeitsplätzen bleiben dürfen. Radio Dreyeckland sprach mit Glady Figueroa, einer der Beschäftigten:
Audio
04:18 min, 2014 kB, mp3
mp3, 64 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 02.12.2003 / 00:56

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Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Serie: zip-fm - Einzelbeitrag
Entstehung

AutorInnen: ak/rdl
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 02.12.2003
keine Linzenz
Skript
O-Ton 1

Im Dezember 2001 hatten die Eigentümer der Fabrik sich plötzlich nichtmehr blicken lassen. Zuvor hatten sie stattliche Subventionen eingestrichen und sich nun Vorteile davon versprochen, das traditionsreiche Unternehmen eingehen zu lassen. Doch sie hatten die Rechnung ohne ihre Beschäftigen gemacht, die sind einfach geblieben, zum weiterarbeiten, auch ohne Chefs. Formal ist das natürlich ein Unding, wo kämen wir hin, wenn alle einfach nur zum Arbeiten kämen ohne Hierarchie und Vorgesetzte. Wer derartiges tut bekommt recht handfesten Ärger - stellen die Beschäftigten von Brukman fest, Fabrikbesetzung war der formale Vorwurf, recht handfest die Reaktion der Eigentümer:

O-Ton 2

160 Unternehmen sind derzeit in ARgentinien in der Hand der Beschäftigten, Supermärkte, Druckereien, Bäckereien. Das größte Werk: Die hochmoderne Kachelfabrik Zanon in Neuquén in Patagonien. Eine Fabrik mit über 300 Beschäftigten. Die Versuche, Zanon zu räumen, sind bisher an der Entschlossenheit der Arbeiter und der breiten Unterstützung gescheitert. Zanon gehört nun seit zwei Jahren den ArbeiterInnen. Geht so was - 300 Leute, ohne Chef, ohne Vertriebsorganisation? Raul Godoy ist einer der Beschäftigten bei Zanon:

O-Ton 3

All diesen selbstverwalteten Unternehmen gemein ist die Entschlossenheit, sich nicht auf einen individuellen Ausweg einzulassen, die drohende Arbeitslosigkeit nicht als individuelles Schicksal hinzunehmen, den Chef tatsächlich in die Wüste zu schicken. Erstaunlich: Sowohl Zanon also auch Brukman funktionieren auch ohne politische Funktionäre, weder Parteien noch Gewerkschaften führen Regie:

O-Ton 4

Und trotzdem, im krisengeschüttelten Argentinien mit hoher Arbeitslosigkeit, einer kleinen stinkreichen Elite und einer immer größeren, *verarmten* Mittelschicht, trotz dieser Wirtschaftslage findet das eigenverantwortliche Schaffen von Arbeitsplätzen nicht unbedingt die Zustimmung von oben; - gibt womöglich sogar handfeste Repression?

O-Ton 5

Derzeit nun machen Beschäftigte aus selbstverwalteten argentinischen Betrieben eine INformations-Rundreise. Das scheint auch nötig zu sein, nicht zuletzt, um zu verhindern, dass der argentinische Staat allzu ungeniert zuschlägt. Auch wenn sich die aktuelle Regierung vielleicht etwas liberaler gibt:

O-Ton 6