Die Grenze ist dicht

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Es ist ruhig geworden an der EU Außengrenze zu Spanien. Nachdem im September und Oktober der große Ansturm auf Europa durch die Presse geisterte, 100te ja tausende MigrantInnen stürmen die Mauern von Ceuta und Melilla, den beiden spanischen Exklaven auf afrikanischem Boden. Bewaffnet mit Stöcken rennen sie blutüberströmt durch die Städte.Ofiziell kamen dabei 14 Immigranten zu Tode andere reden von 19. Die Botschaft war deutlich: es muß etwas gemacht werden.
Die EU stellte 50 Millionen Euro zur Verfügung, jetzt bewachen schwer bewaffnete marokkanische Soldaten die Mauern und die Grenze an dieser Stelle ist dicht.
José Palazón arbeitet für Prodein Melilla, einem Verein für die Rechte von Flüchtlingskindern in Melilla. Er hat mitbekommen, wie sich die Situation für Flüchtlinge, die über die Mauer wollen schon seit einem Jahr immer mehr verschärft hat und gibt zu Beginn des Interviews eine Einschätzung, warum es zu dem "Ansturm" auf die Mauer und den Gewaltexzessen des marokkanischen Militärs und der spanischen Guardía Civil kam.
Audio
06:19 min, 2959 kB, mp3
mp3, 64 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 18.12.2005 / 00:00

Dateizugriffe: 284

Klassifizierung

Beitragsart:
Sprache:
Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: fredi
Radio: radio flora, Hannover im www
Produktionsdatum: 18.12.2005
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
José Palazón:
Das ist etwas merkwürdiges passiert. Es ist nicht normal, daß die Migranten plötzlich in großen Gruppen über die Mauer klettern, während sie das vorher nie gemacht haben. Es muß einen Grund dafür geben. Ich glaube, es gibt mehrere Gründe, einmal gab es den Druck, den die MigrantInnen von der marokkanischen Seite erfahren haben. Dort wurden sie immer mehr an einen bestimmten Ort an der Grenze gedrängt, in den Wald von Marivali im Norden von Melilla. Das fing schon 2004, nach den ersten Abkommen zwischen Spanien und Marokko an. Anfang 2005 lebten daher alle Migranten in einer Zone die nur ca 2km breit ist. Und eben an diese Stelle war auch die Mauer nur 3 m hoch, während sie überall sonst schon auf 6 m erhöht wurde, dort war es also noch leichter rüberzuklettern.
Auf marokkanischer Seite gab es nun ziemlich viele Leute, die über die Grenze wollten, die Mauer war nur 3 m hoch und auf spanischer Seite wurde sehr viel Guardia Civil zusammengezogen. Von Marokko wurde weiter Druck auf die MigrantInnen ausgeübt, sie wurden quasi an diesem Ort eingezingelt. Als Folge darauf blieb den MigranInnen nur die Möglichkeit es in großen Gruppen zu versuchen, denn wenn sie einzelnd rübergeklettert wären hätte die Guardía Civil sie gefangen. Der Grund für den großen Ansturm liegt also nicht bei den ImmigrantInnen, sie wollten nie die Grenze auf massive und gewalttätige Weise überwinden. Es war einfach eine Frage des überlebens.
Ich glaube , daß dieser ganze Prozess, das einzingeln an einer Stelle, wo die Mauer niedriger ist , der 2004 begann ein klares Ziel hatte: Druck auf die Europäische Union auszuüben, damit diese in die Situation eingreift,und insbesondere , daß sie Geld bereitstellt für beide Seiten, für Spanien um die Mauer höher zu bauen und für Marokko, daß sie die Mauer von ihrer Seite bewachen. Und dieses Ziel wurde erreicht, heute kann man in der Presse lesen, daß die EU 50 Millionen Euro für dieses Thema bereitgestellt hat.

Frage:
Trotz alledem sind auch viele MigrantInnen über die Mauer gekommen ohne erschossen zu werden und befinden sich jetzt in den Aufnahmezentren in Melilla und Ceuta was geschieht mit diesen Leute ?

José Palazón :
Die ersten Tage wurden viele illegalerweise durch die kleinen Türen in der Mauer nach Marokko abgeschoben. Dabei wurden so ziemlich alle spanischen und internationelen Gesetze über Migration und Flüchtlinge gebrochen . Danach gab es eine Sammelabschiebung von 73 Leuten nach Marokko die schon etwas offizieller war, trotzdem wurden noch diverse Gesetze gebrochen und viele Fehler begangen, so waren unter den Abgeschobenen zum Beispiel einige, die einen Antrag auf Asyl gestellt hatten.
Die , die gerade noch in den Aufnahmelagern sind werde in Gruppen von 30-40 Leuten 2 mal die Woche nach Spanien gebracht. Vorher bekommen viele eine Abschiebeaufforderung, die nicht ausgeführt werden kann, aber die es ihnen unmöglich macht sich in irgendeinem Land der Europäischen Union legal niederzulassen und Papiere zu bekommen. Und so werden sie ihrem Schicksal überlassen.

Frage:
Inzwischen gibt es kaum noch Nachrichten über die Grenze, neulich konnte man in den spanischen Zeitungen lesen, daß das spanische Militär von der Grenze abgezogen wurde. Wie sieht es heute aus an der Mauer von Melilla ?

José Palazón:
Man hat jetzt erreicht, daß Marokko sein Militär vor die Mauer stellt. Daß sie jetzt die MigrantInnen verfolgen und in den Süden abschieben. Es gibt alle hundert Meter einen Militärstützpunkt mit mehreren schwerbewaffneten Soldaten. Sie haben Gewehre und Maschienengewehre und wenn ein Schwarzer kommt schießen sie . In dieser Situation ist es normal, daß es niemand mehr versucht, über die Mauer zu kommen. Und Spanien sagt jetzt, schaut: wenn Marokko mitmacht, wenn also die Länder des Südens mitmachen verschwindet das Problem der Immigration. Meiner Meinung nach ist das völlig falsch. Das Problem verschwindet nicht, es wird nur verlagert. Aber Spanien bleibt dabei, daß Problem gelöst zu haben und sackt das Geld ein. Die Taktik ist also aufgegangen. Nur daß diese 50 Millionen Euro 19 Leuten das Leben gekostet haben. Offiziell gab es 14 Tote, wir haben 19 gesehen und möglicherweise gab es noch mehr, die wir nicht gesehen haben. Aber das kann man nicht machen, Geld fordern auf Kosten von Menschenleben, daß erscheint mir weder gut noch gerecht.

Kommentare
21.12.2005 / 14:43 wolli, Radio Unerhört Marburg (RUM)
gesendet
im zip-fm vom 21.12.05