Kommunalpolitik in Bargteheide unterbindet Gesellschaftsteilhabe

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Mit einer Stadtverordneten Versammlung vom Donnerstag wurden die Forderungen der JfJ Bargteheide (https://www.freie-radios.net/117940) vor den Augen der versammelten über 100 Gäste förmlich zerrissen und vom Tisch gewischt. Dazu das Gespräch vom heutigen Nachmittag. Im script die Rede der JfJ vom Donnerstagabend. Weiteres über https://www.jugend-fuer-jugend-bargtehei...
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Upload vom 31.10.2022 / 21:04

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Entstehung

AutorInnen: Nachmittagsmagazin für subversive Unternehmungen; nfsu
Radio: FSK, Hamburg im www
Produktionsdatum: 31.10.2022
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
7.10.2022
Rede Stadtvertretung
Guten Tag, ... , ich bin Pressesprecher der nun seit circa einem Jahr
bestehenden Jugend für Jugend. Grund für die Entstehung unserer Initiative war das
Vorhaben, mehr Räume für Jugendliche in Bargteheide zu schaffen. Denn dies wollten wir
nicht länger den kommunalen Politiker*Innen alleine überlassen, sondern in
Zusammenarbeit Konzepte kreieren und in der Stadt etablieren. Konkret haben wir ein
bestimmtes Gebäude im Fokus, welches all unseren Zielen für ein geplantes soziales
Jugendkulturzentrum gerecht werden würde: Die Villa Wacker. Dieses Gebäude mit der
Adresse „An den Stücken 49“ wurde am 07.10 durch uns besetzt.
Ein ganz schön abruptes und überzogenes Vorgehen, könnte man meinen. Doch warum ein
solcher Schritt nötig war, und was wir nun von der Politik fordern, möchten wir auch hier
kurz erklären.
Der verzweifelte Kampf um Jugendräume sowie die Missachtung jugendlicher Wünsche
haben in Bargteheide eine lange Tradition. Nach nur kurzer Recherche kommt man
unweigerlich zur Erkenntnis, dass die Kommunalpolitik die örtliche Jugend nicht erst seit
wenigen Jahren, sondern seit mehr als vier Jahrzehnten strukturell und konsequent vergisst.
So war unsere am 07.10. durchgeführte Demonstration durch die Innenstadt, gewiss nicht
die erste, welche mehr Jugendräume forderte. Schon in den 90er und 2000er Jahren gab es
Demonstrationen und Aufrufe mit selbigen Postulaten.
Ab Ende 2021 bemühten wir uns dann, wie uns in der Schule gelehrt, den demokratischen
Weg zu beschreiten und mit unserer Stimme unser Ziel zu erreichen. Freundlichst wurden
wir von jeglichen Politiker*Innen begrüßt. Man schien von diesem jugendlichen Engagement
begeistert. So zogen wir in Ausschüsse, gingen zu Wahlkampf-Veranstaltung, beteiligten uns
im Bürgermeisterinnen-Duell, stellten uns diversen Parteien und Beiräten vor und empfingen
immer wieder freundliche Worte, Hände schütteln und leere Zusagen bezüglich unseres
Konzeptes eines sozialen Jugend Kulturzentrums. Doch neben leeren Lippenbekenntnissen,
passierte nicht sonderlich viel. Ein Paradebeispiel für die Instrumentalisierung von Kindern
und Jugendlichen, um politisches Handeln, welches uns als junge Generation betrifft, zu
legitimieren und das eigene Image aufzupolieren.
So erstarrte die Situation nach einiger Zeit. Unsere jungen, Partei unabhängigen Meinungen
und Bestrebungen schienen für die Politik nicht wichtig genug. Nach allen Bemühungen
wurde somit klar, dass der Dialog basierende, freundliche und aufgeschlossene Weg, so sehr
wir es auch versuchten, hoffnungslos sei.
Handlungsbedarf sahen wir aber dringlichst. Bis heute wurden Entscheidungen getroffen, die
der Jugend in Bargteheide gänzlich schaden. So wurden in Vergangenheit die Räumlichkeiten
des JuZe gedrittelt, das AJH in Container am Stadtrand gesteckt, Grundstücks
Versprechungen an die Pfadfinder nicht eingehalten, die Cuzco Jugenddisco geschlossen und
zentrale Orte, wie das Schulzentrum, gelten mittlerweile als „Verbotszonen“ und sind von
willkürlichen Personenkontrollen der Polizei geprägt.
Die Politik ließ uns somit keine andere Wahl. Als letzten Schritt, besetzten wir die Villa
Wacker. Um auf lange andauernde Missstände aufmerksam zu machen, fanden wir diese
Aktion vertretbar. Wobei wir erinnern möchten, dass durch die Besetzung eines
leerstehenden, nicht genutzten Gebäudes niemand zu Schaden kam. Die legalen Wege
mussten von uns jedoch kurzzeitig verlassen werden, um der Dringlichkeit des Themas
Ausdruck zu verleihen.
Umso erfreut sind wir nun, dass Gespräche und Verhandlungen erneut aufgenommen
wurden und der Jugend endlich zugehört wird.
So soll es kommenden Generationen doch endlich möglich sein, sich politisch engagieren zu
können, ohne Partei bezogene Grenzen aufgesetzt zu bekommen. Es braucht Platz für eigene
Standpunkte und Entscheidungen, in einer Welt, die sich ständig verändert. Wir brauchen
Orte, in welchen wir uns geschützt und unabhängig entwickeln und ausleben können. Die
gesellschaftlichen Erwartungen an Jugendliche sind hoch und mit den steigenden
gesellschaftlichen Umbrüchen ist es für Jugendliche noch schwerer geworden, diese
Erwartungen zu erfüllen. Besonders Jugendliche aus unteren Schichten werden von der
Gesellschaft abgeschrieben. Selbstverwaltete Soziale Zentren können, für von der
Gesellschaft vergessene Jugendliche, oftmals wie ein Rettungsnetz dienen.
Solche Räumlichkeiten gibt es in Bargteheide zurzeit nicht. Von Erwachsenen geleitete
Einrichtungen wie das JuZe oder Schulen sind dafür oftmals leider nicht geschaffen.
Entsprechend fordern wir ein Soziales Jugendkulturzentrum.
Denn ja, auch in Bargteheide kämpfen Jugendliche mit vielen Problemen. Häusliche Gewalt,
Sucht, Leistungsdruck. Oftmals bestehen große Probleme mit Erziehungsberechtigten oder
zum Lehrpersonal. Viele wünschen sich daher einen Raum, in dem Jugendliche
Entscheidungen treffen dürfen, eine Pause vom Alltag bekommen und sich frei ihren
Interessen widmen können.
Da es zu wenig solcher Räumlichkeiten gibt, ziehen sich bereits viele in soziale Gruppen
zurück. Spaltungen in der Gesellschaft verschärfen sich dadurch noch schneller, dies gilt es
zu verhindern. Gemeinsam entwickelte Projekte und Veranstaltungen können verschiedene
Sozial- und Altersgruppen wieder vereinen. Gerne würden wir eben dies in Ko-Existenz mit
anderen Organisationen in der Villa Wacker umsetzen. Voneinander lernen ist wichtig, denn
insbesondere in dieser Zeit, nachdem Corona einen Keil in die Jugend getrieben hat, müssen
wir uns wiederfinden dürfen.
Verbunden fühlen wir uns auch mit weiteren sozialen Kämpfen, so braucht es mehr
Sozialwohnungen sowie humane Unterkünfte für Geflüchtete. Ob solche auf den leer
stehenden Flächen hinter der Villa erbaut werden können, müsste eigentlich besprochen
werden, nicht aber ob die Fläche für weitere, viel zu teure Wohnungen in modernen
Betonklötzen herhalten soll.
Trotz oder vielleicht auch wegen der offensichtlichen Probleme in dieser Stadt, versuchen
wenige Politiker*Innen uns seit der Besetzung zu diffamieren und einzuschüchtern.
Deshalb ein weiteres Mal: Wir richten uns klar gegen diskreditierende Unterstellungen der
Gewaltbereitschaft, Anschuldigungen des Extremismus sowie Gerüchte der
Sachbeschädigung an städtischem Eigentum. Solche Bezichtigungen finden sich in einigen
Stellungnahmen seitens der Parteien wieder und können natürlich nicht belegt werden. Die
Behauptung wir haben uns aus der “Hamburger Antifa”, der “RSJ” oder aus dem Verein
„Autonomes Jugendhaus Bargteheide e.V.“ entwickelt, weisen wir strikt zurück. Wir
bestehen unabhängig von den gerade genannten. Und auch die absurde Idee, wir verfolgen
eine von Erwachsenen geplante Verschwörung gegen bestehende Politiker*innen,
dementieren wir. Alle Projekte, Aktionen, sowie Texte sind einer Kerngruppe von circa 20
Jugendlichen und ihren Freund*innen zu verdanken. Unsere antifaschistische Haltung
werden wir zudem stets beibehalten. Der Versuch demokratisch, antifaschistische
Gruppierungen aus unserem Unterstützer*Innen Umfeld zu diskreditieren, finden wir
zutiefst besorglich.
Da wir offen für friedliche Gespräche und Verhandlungen sind, finden wir die gewählte
Stimmungsmache einiger Politiker*innen sehr bedauernd. Auch die Taktik, soziale Kämpfe
wie die Frage für mehr Jugendräume, die Thematik der Wohnungsknappheit und die
Problematiken der Geflüchteten Unterkünfte gegenseitig ausspielen zu wollen, kannten wir
bisher nur von Parteien des rechten Flügels. Genau solche Diffamierungen sind Grund,
warum so viele Jugendliche das Vertrauen in die lokale Politik verlieren und sich nicht mehr
öffentlich äußern. Die aktuelle Thematik lässt sie erneut fühlen, dass junge Meinungen nicht
allzu gern gehört werden. Viele, die hier sitzen, haben genug von all dem und stehen trotz
Drohungen mit Namen und Gesichtern für eigene Forderungen ein.
Da die Politik wenig zuerst aus der Perspektive der Jugend denkt, bitten wir die kommunale
Politik, sich für Interessen Bargteheider Jugendlicher einzusetzen. Wir erwarten nicht, dass
unsere Bedürfnisse vollends nachvollzogen und verstanden werden. Doch wir erwarten, dass
auf unsere Bedürfnisse gehört und Vorhaben nicht beeinträchtigt oder behindert werden.
So fordern wir sowie unser Unterstützer*Innen Kreis, dass ein Aufstellungsbeschluss für die
12. Änderung des B-Plans Nr. 3 schnellstmöglich erstellt wird. Sobald der
Aufstellungsbeschluss formuliert ist, kann uns eine Nutzungsduldung ausgesprochen
werden. Im Anschluss soll uns eine Befreiung in Form einer sozialen Einrichtung erteilt
werden, sodass wir unser Konzept eines sozialen Jugendkulturzentrums wie vorgestellt in
der Villa umsetzen können.
Wir lassen zeitnah ein Brandschutzkonzept entwickelt, welches im Anschluss umgesetzt
wird. Das nichtexistierende Brandschutzkonzept der Villa Wacker ist neben dem B-Plan
Hauptursache dafür, dass uns der Zugang zum Gebäude verwehrt wird. Damit, sobald der
Aufstellungsbeschluss formuliert ist, wir schnellstmöglich unser Konzept umsetzen können,
muss im Vorhinein das Brandschutzkonzept erstellt und umgesetzt werden. Dies können wir
durch befreundete Firmen kostengünstig übernehmen. Die Stadt müsste außerdem sanitäre
Räume zeitnah ausbessern. Auch hier bieten wir unsere Arbeitskraft für kommende
Sanierungsarbeiten an, um zur Kostensenkung beizutragen.
Bis zur Klärung der rechtlichen Lage bezüglich des B-Plans, fordern wir eine Duldung gleich
der „Bunten Vielfalt“. Wir würden somit in die Kategorie eines nicht störenden
Handwerkbetriebes fallen. Somit erhalten wir Zugang zu Lagerräumlichkeiten für Workshop-
Materialien in der Villa und dürfen auf dem Außengelände handwerklichen Tätigkeiten wie
z.B. kreative Textil-, Farb-, und Graffitiworkshops nachgehen. Wir fordern zudem, wie auch
ehemals Tohus, Rückzugsräumlichkeiten, die nicht der Öffentlichkeit zugänglich sind.
Dadurch können entsprechende Planungen für Workshops erarbeitet und die Finalisierung
unseres Konzeptes ausgearbeitet werden. Diese dienen lediglich dem (künftigen) Verein und
sind nicht öffentlich.
Die Rolle als Vertragspartner*Innen sowie rechtlich und versicherungstragende
Verantwortliche können Volljährige Mitglieder*Innen unseres zeitnah eingetragenen Vereins
bilden.
Eine kleine Information zum Ende: Die Jugendlichen hier sind zum aller größten Teil aus
Bargteheide oder gehören zur Schülerschaft und haben entsprechend ihren
Lebensmittelpunkt hier.Über den geringen Prozentsatz an solidarischen Gästen aus z.B. Bad
Oldesloe (aus Lübeck sind so ca. 5 Personen da) freuen wir uns natürlich, aber zu betonen
gilt es, dass diese Jugendlichen hier die Bargteheider Jugend ist und wir nicht „die Antifa“
sind!

Jugend für Jugend
Am Volkspark 1 (vorrübergehende Anschrift)
22941 Bargteheide
https://www.jugend-fuer-jugend-bargtehei...
https://www.instagram.com/jugend_fuer_ju...