Vogel der Woche (380): Der Boxhandschuh

ID 127510
 
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Papageienpärchen mit Arenabalz
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03:25 min, 4822 kB, mp3
mp3, 192 kbit/s, Stereo (48000 kHz)
Upload vom 17.03.2024 / 12:06

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Klassifizierung

Beitragsart: Hörspiel
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich:
Serie: Vogel der Woche
Entstehung

AutorInnen: hikE
Radio: RUM-90,1, Marburg im www
Produktionsdatum: 17.03.2024
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Boxhandschuh======
(//Psittacatua tacarostris// C. Alamari, 2023)

Am liebsten sitzen Boxhandschuhe auf Fäusten, ganz wie der stolze Adler auf dem hochgehaltenen Ende eines Falkners; sie haben ebenfalls Schnüre um die Gestänge, damit sie nicht unkontrolliert losfliegen, und sie besitzen ordentlich Wumm.

Der Unterschied zum Adler-auf-Falkner ist allerdings beträchtlich: Der Boxhandschuh kommt immer als Pärchen vor und ist höllenlaut. Er gibt am liebsten heroische Rockmusik von sich, die sich zum Einlauf von Boxern eignet – welche Art von Einlauf und auch welche Art von Boxer gemeint ist, bleibt hier getrost der Phantasie der Zuhörerschaft überlassen. Der Adler verzichtet auf ein solch unwürdiges Gehabe und quietscht höchstens mal auf eine unangenehm-wildtierische Weise, die an Kreide auf der Schultafel erinnert.

In freier Wildnis zeigen Boxhandschuhe ein interessantes Sozialverhalten: zwei Pärchen tun sich zusammen, befreien eine annähernd viereckige Bodenfläche von aller Vegetation und stellen sich anschließend pärchenweise in diagonal gegenüberliegende Ecken. Dann rennen sie aufeinander zu, um in der Mitte mit dumpfem Klatschen aufeinander zu prallen. Ihre riesigen, rundlichen Schnäbel sind zu dieser Art Schaukampf hervorragend geeignet; die beiden Pärchen klopfen sehr geschickt aufeinander ein, rennen ab und zu mal wieder in ihre Ecken, um dort einige Takte Bombastrock zu dudeln, um direkt wieder hervorzustürzen für eine nächste Runde. Sie führen diesen Balzkampf so lange auf, bis bei einem der Vögel die Batterien leer sind und er liegen bleibt; sein Partner stellt sich dann ebenfalls augenblicklich tot, und das triumphierende Pärchen steht ein wenig hoch aufgereckt herum, bevor es recht unspektakulär hinfort watschelt. Das gleiche – also hinfortwatscheln – tun auch die anderen, "unterlegenen" Vögel wenig später.

Wozu dieser Kampf genau dient, weiß keiner; es gibt keine Zuschauer, und die Forscher stehen sogar vor dem Rätsel, ob die Pärchen jeweilig Brutpartner sind oder ob es Männlein gegen Weiblein geht; mensch weiß nicht mal, ob die Tiere in der freigeräumten Arena überhaupt unterschiedliche Geschlechter haben. Wahrlich, viel zu wenig weiß mensch überhaupt aus dem Wildleben des Boxhandschuhs zu berichten.

Gezähmte Pärchen des Boxhandschuhs verraten ebenfalls nicht viel über das Wildleben: sie halten zusammen, aber in Gefangenschaft hat noch niemals ein Pärchen gebrütet. Der Mensch war viel zu sehr damit beschäftigt, den Vögeln Bändchen an die Beine zu knoten und sich ihre natürliche Vorliebe, die Schnäbel feste aufeinander zu dotzen, im Kampfsportsektor zunutze zu machen, um sich über solche Feinheiten wie: "wo kommen eigentlich die kleinen Boxhandschuhe her?" Gedanken zu machen.

Ein Pärchen Boxhandschuhe zeigt ohne ein kahles Viereck keinerlei Tendenzen, auf irgendwas zu prallen, und grölt lediglich laut bombastische Helden-Musik, die zum Einlauf verwendet werden kann. Manche Personen, die solche Musik mögen, tragen öffentlich Boxhandschuhe als lebende Lautsprecher mit sich herum. Seit dem Aufkommen von Bluetooth-Lautsprechern ist ein solcher Anblick aber seltener geworden, als der eines Falkners mit dickem Adler im öffentlichen Omnibus.

Guten Morgen.