Interview: 129a - Großer Lauschangriff gegen linke Oppositionelle

ID 19699
 
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In Hamburg ist im Rahmen des 129a Verfahrens, das bekannt wurde durch die Durchsuchungswelle am 9.Mai 2007, die Wohnung eines Aktivisten verwanzt worden.
RadioAktiv sprach mit dem Aktivisten über die abgehörte Wohnung, Auswirkungen des Übergriffs auf ihn und sein soziales Umfeld und Solidarität.
Audio
08:49 min, 8265 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 13.07.2009 / 16:21

Dateizugriffe: 379

Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Redaktion RadioAktiv
Radio: FSK, Hamburg im www
Produktionsdatum: 16.11.2007
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
die im Interview erwähnte Kontonummer für Spenden ist die Nummer eines gemeinsamen Solikontos der Hamburger Betroffenen im 129a-Verfahren von "Mai" und "Juni". Das zeigt, dass ein Angriff auf alle auch so gesehen und beantwortet werden muss. Sie lautet:

Rote Hilfe e.V.,
Postbank Dortmund,
BLZ 440 100 46,
Konto 191 100 462.
Stichwort: „Razzien 2007“

Zur weiteren Information hier die PE der Verteidigung:

Presseerklärung der Verteidigung
im § 129 a – Verfahren „militante Kampagne gegen den G 8“


Großer Lauschangriff gegen linke Oppositionelle!

BGH kündigt an, dass der Tatbestand des § 129 a StGB nicht erfüllt ist!


Am 20. Oktober 2007 wurden einige Personen von der Bundesanwaltschaft (BAW)
schriftlich darüber informiert, dass sie in einer Privatwohnung abgehört
wurden. Die Abhörmaßnahme richtete sich gegen einen Beschuldigten in dem durch
die großangelegten Durchsuchungen im Vorfeld des G 8-Gipfels bekannt gewordenen
§ 129a-Verfahren.
Konkret geht aus dem Schreiben der BAW hervor, dass „im Zeitraum vom 09.05.2007
bis 08.06.2007 aktivierbare abhörgeeignete technische Mittel in dieser Wohnung
installiert“ und „das nichtöffentlich gesprochene Wort mit technischen Mitteln
abgehört und aufgezeichnet“ wurde. Dabei wurde die Abhöreinrichtung im Rahmen
der Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten am 09.05.2007 heimlich
eingebaut. Am 14.06.2007 wurde die Abhöreinrichtung durch heimliches Eindringen
der Polizei in die Wohnung des Beschuldigten wieder abgebaut und entfernt. Die
Wohnraumüberwachung wurde im genannten Zeitraum jeweils aktiviert, wenn gemäß
Videoobservation und Telefonüberwachung anzunehmen war, dass ein oder mehrere
Beschuldigte das Objekt betreten haben.

Eine entsprechende Maßnahme war bereits vor den Durchsuchungen auch in der Roten
Flora geplant. Nach einem seinerzeit vor den Durchsuchungen verfassten Vermerk
wurde aber zunächst deshalb davon abgesehen, weil „aufgrund der Sensibilität
des dort verkehrenden Publikums die Installation der erforderlichen
Überwachungs- und Aufzeichnungstechnik nicht möglich“ sei. Da auch die Rote
Flora von der Durchsuchung am 09.05.2007 betroffen war, muss nunmehr davon
ausgegangen werden, dass im Zuge der Durchsuchung auch dort Abhöreinrichtungen
eingebaut wurden.

Der große Lauschangriff auf die Privatwohnung eines Beschuldigten reiht sich ein
in eine ganze Kette bisheriger polizeilicher Exekutivmaßnahmen. Nach
umfangreicher Observation und Telefonüberwachung, nach der Entnahme von
Geruchs- und DNA-Proben, nach erkennungsdienstlicher Behandlung, nach
Überwachung von E-Mails und nach der im Mai 2007 öffentlich gewordenen
Durchsuchung der Post, erreicht die Überwachung in diesem Verfahren mit dem
großen Lauschangriff eine neue Qualität. Unter dem Deckmantel der sogenannten
„Terrorbekämpfung“ werden die Betroffenen bis in ihre Privaträume hinein
bespitzelt. Mit einer solchen Maßnahme versuchen Bundesanwaltschaft und
Bundeskriminalamt das Bild der totalen Kontrolle aufzubauen. Gleichzeitig ist
der große Lauschangriff ein weiterer Versuch der Einschüchterung und
Kriminalisierung der Beschuldigten und darüber hinaus gehend des linken
Widerstandes. Dies in Zeiten, in denen die Anwendung und uferlose Ausweitung
des § 129 a StGB in der Öffentlichkeit zunehmend diskutiert und kritisiert
wird.

Zwischenzeitlich steht die Bundesanwaltschaft mit ihrem Versuch, die Anwendung
des
§ 129 a StGB immer weiter auszudehnen, unmittelbar vor einer schweren Schlappe!

Die Verteidigung hatte in den jeweiligen Ermittlungsverfahren Beschwerden gegen
die Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse eingelegt. In diesem
Zusammenhang teilte
der Bundesgerichtshof mit Schreiben vom 22.10.2007 den Verteidigern bezüglich
der Beschwerden gegen die vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs
angeordneten Zwangsmaßnahmen mit, dass der Senat nach dem Ergebnis der
Vorberatungen zu folgendem Ergebnis gekommen ist:
Der Sachverhalt, für den der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes einen
Anfangsverdacht bejaht habe, erfülle bereits nicht den Tatbestand des § 129 a
StGB. Damit bestünden erhebliche Zweifel an der Zuständigkeit des
Generalbundesanwaltes und damit auch des Ermittlungsrichters.

Damit ist der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes zu der rechtlichen Würdigung
gelangt, dass Aktionen wie Brandstiftungen an Fahrzeugen oder Farbsprühereien an
Gebäuden entgegen der bisherigen Behauptung der Bundesanwaltschaft den
Tatbestand des § 129 a StGB nicht erfüllen, da es sich nicht um Straftaten
handelt, die dazu bestimmt sind, die in der Bundesrepublik Deutschland
bestehende Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung zu erschüttern und
insbesondere die internationale Position der Bundesrepublik Deutschland als
verlässlicher Partner im Verbund der acht wichtigsten Wirtschaftsnationen
erheblich zu schädigen.

Rechtsanwalt Beuth erklärt hierzu: „Damit bricht das Konstrukt der
terroristischen Vereinigung bereits tatbestandlich zusammen!“

Da ein Tatverdacht gemäß § 129 a StGB schon aus Rechtsgründen zu verneinen ist,
war auch der Lauschangriff in Form der Wohnraumüberwachungsmaßnahme der Wohnung
eines Beschuldigten rechtswidrig.
Offenbar sieht sich die Bundesanwaltschaft aufgrund der bevorstehenden für sie
negativen Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu hektischen Aktivitäten
veranlasst, um das bisherige Ermittlungsergebnis nachbessern zu können.
So gab es bis in der Zeit vom 16. bis zum 18.10.2007 sechs ZeugInnenvorladungen
durch das BKA in Hamburg. Keine der ZeugInnen aber kam dieser Vorladung nach.
Zusätzlich setzte das BKA Eltern von Betroffenen unter Druck. Mehrere Beamte
suchten diese ohne Vorankündigung auf und versuchten sie, zu einer Aussage zu
drängen. Die Eltern haben ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Angehörige
wahrgenommen und nicht ausgesagt.

Die derzeit laufenden weiteren § 129 a – Verfahren gegen linke Oppositionelle
sind nicht voneinander zu trennen.
Auch im Berliner Verfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der
„Militanten Gruppe“ (Durchsuchungen vom 31.07.2007) sind ab dem 23.10.2007
insgesamt 25 ZeugInnen zur Vernehmung durch die Bundesanwaltschaft in Berlin
geladen worden.

Einige der Beschuldigten und weitere Betroffene erklären hierzu:
„Wir lassen uns nicht einschüchtern und werden weiter für unsere politischen
Ziele offensiv eintreten. Solidarische Grüße an alle anderen Betroffenen,
insbesondere an Axel H., Florian L. und Oliver R., die in Berlin immer noch in
Untersuchungshaft sitzen. Für die sofortige Einstellung aller gegen linke
Oppositionelle geführten Ermittlungsverfahren!“

Für die Unterstützung der Betroffenen der § 129 a – Razzien vom 09.05.2007 und
13.06.2007 wurde ein gemeinsames Spenden-Konto eingerichtet.

Rote Hilfe e.V., Postbank Dortmund, BLZ 440 100 46, Konto 191 100 462 Stichwort:
„Razzien 2007“.


Hamburg, den 06.11.2007


Für die Verteidigung:



Andreas Beuth, RA
Britta Eder, RAin
Manfred Getzmann, RA