Kurdistan aktuell - Menschenrechte,Hintergründe und aktuelle Situation

ID 45658
Kurdistan aktuell Teil 1 (Hauptteil)
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In der Nacht zum 29.12.2011 bombardierten türkische F-16 Bomber nach Aufklärung durch eine Heron Drohne eine Gruppe von etwa 50 kurdischen ZivilistInnen in der Nähe der türkisch irakischen Grenze in der Provinz Şirnex (Şırnak) direkt vor dem kurdischen Dorf Roboski (Ortasu) und töteten mindestens 36 Personen, 17 weitere wurden noch vermisst.

Darüber sprach ich mit:
Ekrem Atalan vom Deutsch-kurdischen Freundschaftskreis Senden (bei Münster), mit Metin vom Verband der studierenden aus Kurdistan und per Telefon zugeschaltet Ayten Kaplan von Ceni - kurdisches Frauenbüro für Frieden in Düsseldorf.

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12:45 min, 12 MB, mp3
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Upload vom 13.01.2012 / 13:55

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Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Internationales, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Klaus Blödow (bloedow(att)medienforum-muenster.de
Radio: Stadtradio, Münster
Produktionsdatum: 13.01.2012
Folgende Teile stehen als Podcast nicht zur Verfügung
Kurdistan aktuell Teil 2
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11:03 min, 10 MB, mp3
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Kurdistan aktuell Teil 3
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12:46 min, 12 MB, mp3
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Skript
Hinweise auf ein vorsätzliches Massaker verdichten sich:

Während die türkischen Medien und das Militär von einem möglichen Fehler bei der „Terrorbekämpfung“ sprechen, verdichten sich die Hinweise auf ein gezieltes Massaker durch das türkische Militär.

Der Überlebende 19-jährige Hacı Encü berichtet gegenüber den Menschenrechtsorganisationen IHD und MAZLUMDER:

„Am 28.12.2011 um 16:00 Uhr überquerten wir mit einer etwa 40 bis 50-köpfigen Gruppe die Grenze zum Irak, um Benzin und Lebensmittel zu besorgen. Wir haben dies nicht beim Militärstützpunkt angemeldet, sie wussten sowieso, dass wir gehen und zurückkommen würden. … Als wir gingen haben wir das Geräusch einer Drohne gehört, da wir diesen Weg aber ständig benutzen, setzten wir unseren Marsch fort. Gegen 19:00 Uhr beluden wir unsere Maultiere und brachen wieder auf. Gegen 21:00 Uhr näherten wir uns der Grenze an. Wir kamen auf die Weide unseres Dorfes, die ist direkt an der Grenze. In dem Moment wurde eine Leuchtkugel abgeschossen und in der Folge Artilleriefeuer eröffnet. Wir ließen unser Gepäck auf der anderen Seite der Grenze zurück. Sofort kamen dann die Flugzeuge und begannen zu bombardieren. Wir waren zwei Gruppen, zwischen denen ein Abstand von 300 bis 400 m bestand. Direkt nach den ersten Artillerieschüssen kamen die Flugzeuge. Da die Soldaten Stellung auf der Weide bezogen hatten, war uns der Weg abgeschnitten. Deswegen waren die Gruppen gezwungen, sich zusammenzudrängen. In Folge gab es zwei große Gruppen. Beim ersten Bombardement wurde eine 20-köpfige Gruppe direkt an der Grenze vernichtet. Wir begannen sofort zurückzufliehen. Über die, welche zwischen den Felsen geblieben waren, fiel ein Bombenregen. In meiner Gruppe waren 6 Personen, von dieser Gruppe konnten sich drei retten. Wir hatten zivile Alltagskleidung an, niemand trug eine Waffe. Das Ereignis dauerte etwa eine Stunde an. Wir gingen mit zwei Personen und 3 Maultieren in das Wasser in einer kleinen Schlucht. Nachdem wir eine Stunde gewartet hatten, fanden wir Zuflucht unter einer Klippe. Wir hörten nichts von unseren Freunden. Gegen 23:00 Uhr sahen wir Lichter und hörten Stimmen und begriffen, dass nun die DorfbewohnerInnen gekommen waren. Als die DorfbewohnerInnen anfingen zu klagen, zogen sich die Soldaten von den Orten, die Sie auf der Weide besetzt hatten, zurück. Wir machen diese Arbeit schon sehr lange. Zwei von uns waren verheiratet, die anderen waren Schüler in der Grundschule oder am Gymnasium. Bis jetzt wurde ich von Niemandem angesprochen eine Aussage zu machen. Nach dem Ereignis habe ich keinen Soldaten mehr gesehen.“



Damit wird deutlich, dass die Gruppe ohne jegliche Vorwarnung militärisch Angegriffen worden ist, obwohl bekannt gewesen sein muss, dass es sich hierbei um die Gruppe von Dorfbewohnern handelte. Dies muss den Militärs nicht nur durch die Kleidung, das Nichtvorhandensein von Waffen offensichtlich gewesen sein, auch die Fortbewegung gerade im Winter in einer mehr oder weniger dichten offenen karawanenähnlichen Großgruppe, ist für Guerillas weder möglich noch üblich. Entgegen der offiziellen Verlautbarungen handelt es sich bei dem Weg, den die Gruppe benutzte, um einen mehr oder weniger ausgebauten Weg, an dem auch z.B. Bergbaueinrichtungen liegen. Die Guerillacamps liegen bei weitem nicht, wie behauptet, in direkter Nähe der Bombardierungen.

Aufgrund dieser Fakten klagen unabhängige Menschenrechtsorganisationen diesen Angriff nicht als militärischen „Fehler“, sondern als extralegale Hinrichtung und Massaker an.

Die Leichen der Getöteten, welche die Delegation in Augenschein nehmen konnte, befinden sich in einem Zustand schwerer Zerstörung. Die inneren Organe liegen offen da, die Körper sind verbrannt, die Körper wie die Köpfe zertrümmert. Dies weist auf den Einsatz von starken Explosivkörpern und von Brandmunition hin.

Die Delegation von IHD und MAZLUMDER bewertet das Ereignis wie folgt: „Wir sind mit unseren Recherchen zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei diesem Ereignis um eine extralegale Hinrichtung und in Hinsicht auf die Anzahl der Getöteten um ein Massaker handelt.“

Quelle: ANF, 29.12.2011


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14.01.2012 / 23:29 AL, coloRadio, Dresden
Teil 1 & 2
werden morgen gesendet