Interview zum rechten Angriff auf das Equality-Festival in Lviv im März 2016

ID 76465
 
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Am Samstag den 19 März sollte in Lviv, Ukraine das Equality-Festival stattfinden.
Es wurde allerdings durch eine große Gruppe Rechter massiv gestört.
Über das Festival sprachen wir mit A. F.
Audio
18:15 min, 17 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 22.04.2016 / 17:58

Dateizugriffe: 1380

Klassifizierung

Beitragsart:
Sprache: english
Redaktionsbereich: Politik/Info, Schwul, Internationales
Entstehung

AutorInnen: re[h]v[v]o[l]lte radio
Radio: FSK, Hamburg im www
Produktionsdatum: 22.04.2016
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Zusammenfassende Übersetzung:

re[h]: Was genau, war das für ein Festival?

A. F.: Bei diesem Festival ging es darum über alle möglichen MInderheiten zu sprechen. sexuelle Minderheiten, ethnische Minderheiten, Migration, Behinderungen und mehr. Es sollten Aufklärungsfilme gezeigt werden und Gesprächsrunden gehalten. Es war also in der Summe ein Anti-Diskriminierungs-Festival.

re[h]: Wer hat an dem Festival teilgenommen und wie muss ich mir den Ablauf vorstellen?

A. F.:Es sollte ein öffentliches Festival sein, dass in der Mitte der Stadt stattfinden sollte. Man konnte das Programm auf der Website lesen. Es sollten mehrere Dokumentarfilme gezeigt werden, Diskussionen stattfinden, Foto- und Posterausstellungen. Aber dadurch, dass die Stadt das Festival nicht unterstützt hat, beziehungsweise dann auch noch versuchte es zu verbieten bekam es einen vollkommen anderen Charakter: Es wurde zu einer privaten Veranstaltung in einem Konferenzraum eines Hotels. Online konnte man das Programm nicht mehr sehen und vor allem keine Uhrzeiten und Orten. Denn es war klar, dass Leute versuchen würden, das Festival anzugreifen. So, bekamen nur noch die Personen, die sich registriert haben, die kompletten Daten.

re[h]: Du sagtest, das schon im Vorfeld der Veranstaltungsort gewechselt wurde. Wie hast du von dem Festival erfahren?


A. F.: Ich habe erst drei Tage vor Beginn des Festivals über Facebook davon erfahren. Da schrieb ein Freund, dass die Stadt versuchen würde, dieses Festival zu verhindern. Also folgte ich dem Link und mir gefiel, was sie machen wollten. Dann habe ich mich angemeldet.

re[h]: Okay, du wusstest also, dass die Stadt dagegen war, aber du bist trotzdem dahin gegangen?

A. F.: Naja, ich wusste, dass sie es nicht unterstützen. Ich dachte, dass wäre schon das Schlimmste, dass der Stadtrat es nicht unterstützt und dass es auch keinen Schutz durch die Polizei geben würde. Aber, dann einen Tag vor dem Festival hat der Stadtrat auch noch gegen das Festival geklagt. Es gab eine Anhörung und das Festival wurde als öffentliche Veranstaltung verboten. Allerdings konnte niemand eine private Veranstaltung verbieten und so wurde es eben dazu.

re[h]: Mit welcher Begründung wurde geklagt?

A. F.: Mit einer sehr seltsamen: Man muss vor einer Veranstaltung muss man den Stadtrat informieren. Damit sie Polizeischutz organisieren können und so was. Das Festival hat das alles rechtzeitig gemacht. Darauf hat die Stadt nicht reagiert, aber am Tag vor dem Festival, also am 18 März klagte die Stadt mit der Begründung, dass es angeblich ein andere Veranstaltung an genau dem gleichen Ort und zu genau der gleichen Zeit stattfinden würde und Identities deswegen nicht stattfinden könnte. Die andere Veranstaltung war dann von einer rechten Gruppe, die in letzter Sekunde angekündigt wurde. Und dann hat der Stadtrat noch vier oder fünf andere Veranstaltungsankündigungen für den gleichen Ort und die gleiche Zeit aus dem Ärmel geschüttelt. Es war sehr klar, dass die Veranstaltungen in letzer Minute erfunden wurden um das Festival zu verhindern. Das war auch dem Gericht klar und sie sagten, dass die Begründung nicht überzeugend sei.

re[h]: Aber, raus kam ja, dass die Veranstaltung nur noch privat stattfinden konnte, in dem Konferenzraum. Was ist dann da passiert?

A. F.: WIr haben uns da versammelt und über das Programm gesprochen. Dann haben wurden zwei sehr interessante Dokumentationen gezeigt. Eine über „Coming Out“ aus unterschiedlichen Gründen, also als Homosexuelle oder als MItglieder einer ethnischen Minoriät oder als Transgender und so weiter und die andere Dokumentation ging über Genderidentitäten. Danach hatten wir eine tolle Diskussion mit Leuten aus Kiew. Dort gibt es eine Gruppe, die mit und für Angehörige von Homosexuellen arbeitet und drei Mütter waren beim Festival und wir haben mit denen geredet. Und das war es dann leider auch schon, was wir von dem Festival durchführen konnten, denn während wir dem Programm folgten, hatte sich vor dem Hotel schone eine Gruppe Rechtsradikaler versammelt. Und dann mussten wir am Ende evakuiert werden, da sonst die Gefahr bestand, dass sie das Hotel angreifen, mit Steinen, oder was weiß ich.

re[h]: Wie habt ihr mitbekommen, dass dort draußen Rechtsradikale waren? Waren sie so laut?

A. F.: Ja, sie waren laut und wir konnten sie aus dem Fenster sehen. Direkt hinter dem Parkplatz des Hotels. Wir sahen sie und hörten ihre Rufe. Dann sind wir in den 9ten Stock des Hotels hoch und haben dort aus den Fenstern geguckt. Die Menge draußen wurde immer größer.

re[h]: Was habt ihr dann getan?

A. F.: Naja, die Stadtpolizei ja im Vorfeld den Organisatoren schon gesagt hatte, dass sie keine Leute dafür bereit stellen könnte, das Festival also nicht schützen würde, hatten sich die Organisatoren schon an private Sicherheitsdienste in Lviv gewandt. Die sagten, dass sie nicht in der Lage wären, sich den Rechtsradikalen, wenn sie denn kämen, entgegenzusetzen. Und so hatte das Hotel private Sicherheitskräfte aus Kiew angeheuert. Aber, das waren nicht viele, ich glaube es waren vier Leute. Also, mit uns im Raum waren auf jeden Fall vier. Nicht genug, um uns vor den Rechten zu schützen. Letztendlich kam dann doch die Polizei. Die haben aber nichts getan, um die Rechte Versammlung aufzulösen. Sie waren halt da, aber sie haben nicht gemacht. Als die Menge immer noch weiter anwuchs und die Spannungen immer größer wurden, kam jemand von der Polizei zur Leiterin des Festivals und sagte zu ihr: „ Was macht ihr? Ihr provoziert. Guckt mal, die Leute werden das Hotel demolieren, wenn ihr nicht aufhört.“
Sie sagte, „ WIr provozieren nicht, wir haben hier eine private Veranstaltung“ .
Und dann, Stunden später, als klar wurde, dass die Polizei wirklich nicht helfen würde, hat die Veranstalterin die Polizeibehörde in Kiew angerufen. Und erst unter diesem Druck, kam die lokale Polizei wieder zu uns und hat uns in Touristenbussen evakuiert.

re[h]: Das klingt ja furchtbar. Ich hoffe, es ist niemand verletzt worden.

A. F.: Nein, es ist glücklicherweise niemand verletzt worden. Es kamen zwei Busse und die Polizei wies uns an uns auf den Boden der Busse zu legen und sie beschützten die Fenster. Das einzige was zerstört wurde, waren die Fenster des Polizeiwagens. Die Rechtsradikalen hatten Steine und ich glaube auch „Explosives“. Aber es wurde glücklicherweise wirklich niemand verletzt.
Was noch seltsam war, war, dass am Nachmittag jemand anonym die Polizei angerufen hatte und gesagt hat, dass es eine Bombe im Hotel gäbe. Solche Sachen passieren manchmal. Es war klar, dass es keine Bombe im Hotel gab, aber die Polizei musste natürlich suchen und alle mussten evakuiert werden. Ich glaube die Idee dahinter war, dass wenn sie sagen, dass es eine Bombe gibt, dann würden sie uns kriegen. Aber natürlich sind wir nicht alleine rausgegangen, sondern wir wurden mit den Bussen unter Polizeibegleitung evakuiert und so konnten sie uns nicht kriegen.

re[h]: Diese ganze Feindlichkeit des Stadtrates, also der offizielen Stadt gegenüber dem Festival: Macht das für dich einen Unterschied in deiner Wahrnehmung von Lviv oder der Ukraine?

A. F.: Nicht wirklich. Ich wohne hier schon zwei Jahre und ich weiß, dass Lviv eine sehr religiöse und konservative Stadt ist. Es war wirklich keine Überraschung für mich. Was eine Überraschung war, war, dass die Städtischen Autoriäten, der Bürgermeister, der Stadtrat, die Polizei nichts getan haben um den Rechtsradikalen etwas entgegenzusetzen. Keine Rede, keine öffentlichen Stellungnahmen. Das war wirklich überraschend, dass ich gesehen habe, dass der Bürgermeister und die Polizei und die öffentlichen Repräsentanten der Kirche und die Rechtsradikalen auf eine Art zusammengearbeitet haben. Aber auf der anderen Seite, was ich vor dem Festival auch nicht wusste, sah ich dass es junge, aufgeschlossene Leute gibt, die sich der städtischen Politik entgegensetzen. Zum Beispiel haben sie am nächsten Tag nach dem Festival einen offenen Brief an den Bürgermeister geschrieben in dem sie ihr Missfallen mit der offiziellen städtischen Politik ausdrücken und den Bürgermeister zu warnen, dass seine Handlung die Diskriminierung unterstützen. Dieser Brief wurde innerhalb von 2 Tagen von über Tausend sehr unterschiedlichen Leuten unterschrieben: Studenten, Professoren, Putzleute, Renter Journalisten, alle möglichen Leute. Einige haben auch anstatt mit ihrem Beruf einfach mit „Ein Christ“ unterschrieben. Ich habe also erlebt, dass nicht ganz Lviv und noch nicht mal alle Religiösen, diese Politik unterstützen. Das war wirklich gut, dass zu erfahren.