1000 Días, 6 Miradas - Fotografías del Chile de la Unidad Popular (1970 - 1973)

ID 97125
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Hablamos con historiadora Anna, una de las curadoras de la exposicion en Berlín.La exposición abrióel día 5 de septiembre en la Bezirkszentralbibliothek „Pablo Neruda“ y va a durar hasta el día 1 de octubre. Fotógrafos chilenos y de varios países del mundo documentaron el camino de Chile hacia el socialismo democrático.
Audio
10:54 min, 10 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 08.09.2019 / 18:36

Dateizugriffe: 78

Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: castellano
Redaktionsbereich:
Serie: MoRa3X
Entstehung

AutorInnen: die meike
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 08.09.2019
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Meike: Laß uns mit dem Rechercheprojekt Allendes Internationale beginnen. Kannst du das Projekt vorstellen?

Anna: Die Ausstellung, die ihr noch bis zum 1. Oktober in Berlin sehen könnt, ist Teil eines viel weitreichenderen Projektes, dessen zentrales Interesse es ist, an die 1.000 Tage der Unidad Popular in Chile zu erinnern. Allendes Regierung hat ja lediglich 1000 Tage gedauert, nämlich von 1970 bis 1973. Dazu liegen Dokumente, Interviews, Biografien, und audiovisuelles Material in Archiven, die wir für das Projekt gesichtet haben.

Meike: Es gibt Workshops, Lesungen, Debatten, Filmvorführungen… Ihr beschreibt den Ansatz des Projekts als “anti-biografisch”. Was heißt das?

Anna: Wir wollen uns nicht auf die Konstruktion der sogenannten “Heldinnen und Helden” stürzen, die als solche sowieso schon bekannt und anerkannt sind. Sondern wir fokussieren uns auf die Protagonist*innen des tagtäglichen Lebens und des tagtäglichen Kampfes. Deshalb Anti-Biografien.

Meike: Am 5. September eröffnete die Ausstellung, die du bereits erwähntest- | 1000 Tage / 6 Blicke | September 2019. Fotografien aus dem Chile der Unidad Popular (1970-1973). dort sehen wir Fotos aus dem sozialen Wandel dieser Zeit, das tagtägliche Leben in dieser Zeit der “Unsicherheit und Hoffnung”, wie es in der Ankündigung heißt…

Anna: Die Recherche war hier natürlich sehr wichtig und auch sehr schön. Wir stellen etwa 30 Fotografien aus, außerdem einige Originalplakate der Unidad Popular, die hier im Zentrum FDCL(Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika) lagerten. Die FDCL, das waren die Solidaritätskommittees mit Chile hier in Berlin in den 70er Jahren. Es gibt drei thematische Achsen, auf drei Etagen der Bibliothek. Eine ist der Arbeit gewidmet, eine zweite der Freude an der kollektiven Teilhabe während der Demonstrationen und der gemeinsamen Arbeit und die dritte widmet sich komplett der Kultur und des Kampfes. Denn während der Zeit der Unidad Popular – nicht nur in Chile sondern in ganz Lateinamerika – standen die poltischen Bewegungen in engem Kontakt mit den neuen wichtigen kulturellen Strömungen, wie z.B. das neue chilenische Kino oder der “nueva canción latinoamericana”, die eine neue Form des poltitischen Lieds darstellt. Dieser Teil erschien uns sehr wichtig, er mußte unbedingt mit in die Ausstellung, denn es geht uns ja darum, das visuelle Gedächtnis der Zeit der Unidad Popular zu rekonstruieren.

Meike: Was besagt denn die “Unsicherheit und Hoffnung in einem neuen Chile” in Eurer Ankündigung? Klar, es war eine Zeit voller Umbrüche, aber wie manifestiert sich Unsicherheit und Hoffnung in den Fotos?

Anna: In dieser Zeit gab es viele Momente der Hoffnungslosigkeit aus Angst vor einem Putsch, der ja letzten Endes dann auch passiert ist. Was wir ganz bewußt nicht in die Ausstellung aufnehmen wollten, war der Militärputsch. Das hätte dem ganzen Kampf um die Erinnerung und dem visuellen Gedächtnis eine Wendung gegeben und das wollten wir nicht. Uns erschien es wichtiger, die Momente des kollektiven Kampfes und der Hoffnung ins Zentrum zu stellen statt der Hoffnungslosigkeit.

Meike: Deshalb beschreibt ihr den Kampf auch als “revolutionär aber auch als Illusion”, weil er eben mit dem Militärputsch endete?

Anna: Klar, es gab ja danach auch eine ganz systematische Politik der Militärregierungen, die diese Zeit der kollektiven Teilhabe aus der Erinnerung streichen wollte. Deshalb war es uns so wichtig, dies umzudrehen. Das ist ein Kampf um die Erinnerung an die chilenische Geschichte.

Meike: “Die erste marxistische Regierung wurde gewählt”, so hieß es in den internationalen Medien 1970 und Menschen aus der ganzen Welt machten sich auf den Weg nach Chile, darunter auch die Fotografinnen und Fotografen. Mit diesen Biografien wurde in dem Projekt Allendes Internationale auch gearbeitet – daher auch der Name?

Anna: Ja natürlich, das ist ein ganz zentraler Aspekt des Projekts – das Thema der internationalen Solidarität. Unserer “6 Blicke” sind nicht nur von chilenischen Fotografinnen und Fotografen – unter denen, die wir ausstellen, sind lediglich zwei Chilenen, die anderen sind, bewegt von den Umbrüchen in Chile, aus Lateinamerika und der ganzen Welt, dorthin gegangen. Es war ein großes Versprechen: ein demokratischer Sozialismus. Wir hoffen, daß zwei der Protagonisten von damals, die an der Ausstellung teilnehmen, uns noch etwas aus der Zeit erzählen werden. Das sind die Fotografen John Hall und Karl Jagare. Einer ist englischer Herkunft, aber in Frankreich aufgewachsen, der andere ist Schwede. Das sagt auch viel darüber aus, wie wichtig uns die internationale solidarische Bewegung ist.

Meike: Hast Du ein Lieblingsbild in der Ausstellung?

Anna: Oh, das ist schwierig. Ich glaube ich habe mehrere Lieblingsbilder, von jedem Fotografen und jeder Fotografin eines oder mehr. Das Foto, das überall in den Flyern und Plakaten in der Öffentlichkeit erscheint, das Foto der Demo im nationalen Stadion von Chile, ist auf jeden Fall ein wichtiges Bild. Das hat sehr meine Aufmerksamkeit gefordert, denn viele Menschen meinten, in der Frau, die die Protagonistin des Bildes ist und mit der Flagge in der Hand die Faust hebt, eine Freundin oder ihre Mama zu erkennen. Das ist ein sehr signifikantes Foto, denn es ist im chilenischen Nationalstadion aufgenommen worden, das zu Zeiten des Putsches in einem Folterort umgewandelt wurde. Zu diesem Zeitpunkt war es ein Ort der Freude, des kollektiven Tanzes, des Kampfes und der Feierlichkeiten. Das ist ein zentrales Element dieses Fotos, daß die Menschen darauf etwas projizieren können – sich selbst oder jemand anderes. Es gibt aber auch ein Bild mit einigen überlebensgroßen Figuren eines Theaterstücks (den sogenannten Cabezones) auf einem Jahrmarkt von Karl Jagare. Das ist finde ich das poetischste Bild, das wir ausgewählt haben. Das steht weniger im Kontext von Portraits von Protagonist*innen des Kampfes, sondern eher für sich. Deshalb ist es ein Bild der Hoffnung und damit sehr poetisch, würde ich sagen.

Meike: Zum Schluß möchte ich gerne in Richtung Chile heutzutage schauen. Der Monat September, heißt es, sei der Monat des “Vaterlandes” und der nationalen Feierlichkeiten. Was passiert in Chile heute?

Anna: Ich würde gerne eine Anekdote erzählen, die diese Tage, als wir die Ausstellung aufbauten, passierte. Ein junger Mann aus Chile hat uns sehr dabei unterstützt. Der sagte genau das: Wir sind es gewohnt, den 11. September zu gedenken, der ja das Ende der Erfahrung mit Allende darstellte. Warum feiern wir nicht den Tag, an dem er gewählt wurde, also den 4. September? Und wir haben die Ausstellung tatsächlich einen Tag danach eröffnet. Das ist meiner Meinung nach wichtig: jenseits der Konstruktion mit dem sogenannten “Vaterlandfest” sollten wir in diesem Kampf um die Erinnerung das Datum des Wahlsiegs Allendes wieder Bedeutung beimessen und nicht blind das Datum des Putsches, der aposteriori als Festtag festgelegt wurde, feiern.