Rassismus. Subjektiver Gesinnungsmakel? Dauerzustand? Gesellschaftliches Produkt? Vorwurf?

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Die Rede vom Rassismus ist allgegenwärtig. Und so abstrus es wäre, das damit benannte Problem leugnen zu wollen, so erklärungsarm ist doch der Kategorienbegriff der Rasse bzw. des Rassismus.
So selten offener, gar bekennender Rassismus geworden ist, so hartnäckig halten sich doch seine subtilen Ausdrucksformen. Die bemerkenswerte Koexistenz von Ächtung und Allgegenwart des Rassismus deutet schon an, daß die Frage, was es mit ihm auf sich hat, nicht zuletzt ein Fall für die Psychoanalyse ist.
Jeder weiß oder glaubt zu wissen, was "Rassismus" ist. Ein Rassist genannt zu werden, ist dennoch – oder gerade deshalb? – selten Anlaß zur Selbstreflexion, sondern löst Empörung aus, vielleicht auch juristische Abwehr. Denn das (folgenlose) Lippenbekenntnis, kein Rassist zu sein, läßt sich noch jedem entlocken. Wie kann es sein, daß Rassismus seit Jahrhunderten existiert, lange schon als Problem erkannt, aber immer noch nicht zurückgedrängt ist? Oder ist er etwa eine Menschheitskonstante, also unschön aber natürlich? Diese Ansicht, zweifellos die bequemste, hält einer genaueren Betrachtung nicht stand.

Marktwirtschaft und Kapitalismus per se diskriminieren nicht nach Hautfarbe oder Geschlecht, geht es hier doch theoretisch nur um die bloße Arbeitsleistung ohne Ansehen der Person; schwarze Präsidenten und Kanzlerinnen legen davon Zeugnis ab. Und dennoch befördert die Konkurrenzgesellschaft offenbar immer wieder rassistische und sexistische Einstellungen, gerade in gesellschaftlichen Krisen.
Die klassisch rassistische Agitation behauptet ja, arbeitslose Ausländer seien faul. Und arbeitstätige nähmen Deutschen die Beschäftigung weg. Offensichtlich kommt es also gar nicht darauf an, was die Stigmatisierten tun oder lassen. Als nächstes wird der Rassist sagen, er habe halt was gegen "diese Leute" – quasi wie ein Geschmacksurteil –, und hier herrsche doch Meinungsfreiheit. Auf den Einwand, diese Einstellung sei rassistisch, wird er dann entweder empört reagieren oder entgegnen, dann sei das halt so, na und?
Der moderne Rassist aber nennt sich einen Vertreter des Ethnopluralismus, das hört sich doch gleich viel besser an. Seine Ideologie, daß "die" nicht hierher "gehören", ist ganz die alte. Indes weiß der Kampagnen- und Hashtag-Antirassismus (wie auch entsprechende Spielarten des Antisexismus) um seine konjunkturelle Kurzatmigkeit und Bedeutungslosigkeit. Sachzwang FM bohrt wie immer etwas tiefer und versucht, dem Phänomen auf den Grund zu gehen.

Zu hören sind zwei Beiträge:

> "Negrophobie. Rassismus gegen schwarze Menschen"
Ein Vortrag von Dennis Schnittler (2020), in drei Teilen:
historische, psychoanalytische und politische Aspekte

> "Die doppelte Natur des Rassismus"
Ein Essay von Justin Monday (2013)

Dauer: 120 Minuten

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Audio
01:59:59 h, 55 MB, mp3
mp3, 64 kbit/s, Mono (48000 kHz)
Upload vom 23.06.2020 / 14:51

Dateizugriffe: 31

Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Internationales, Arbeitswelt, Religion, Kultur, Politik/Info
Serie: Sachzwang FM
Entstehung

AutorInnen: Dr. Indoctrinator
Radio: Querfunk, Karlsruhe im www
Produktionsdatum: 21.06.2020
CC BY-ND-NC
Creative Commons BY-ND-NC
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 4.0 International - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Quellen:
> D. Schnittler
http://emafrie.de/negrophobie/
> J. Monday
https://jungle.world/artikel/2013/30/die...

Musik:

Advanced Chemistry "Fremd im eigenen Land" instrumental (intro)

Raymond Scott (Hintergrund)

Public Enemy (intermezzi)

No Remorze "B-Boy Beats" (Hintergrund)

Billie Holiday "Strange fruit" (intermezzo)

Mick Harris d'n'b (Hintergrund)

Cpt. Kirk & "Racist friend" (outro)

Kommentare
13.07.2020 / 20:56 Anja, Radio Blau, Leipzig
gesendet aber Triggerwarnung fehlte!
Bin eigentlich Sachzwang-Fan und lief auf meinen Vorschlag hin bei Radio Blau. Fands dann beim Hören aber teilweise schwierig. Die Triggerwarnung, die im Schnittler-Text ursprünglich dabei war, hätte besser genannt werden sollen!