"Das Schicksal sabotieren" – Ein Think Tank mit Umwälzungsanspruch

ID 120470
1. Teil (Hauptteil)
Bisher hat uns Kritik immer primär inhaltlich interessiert und nicht, von wem oder wann sie geäußert wurde. Warum kann es trotzdem wichtig und interessant sein, sich mit dem institutionellen oder biografischen Rahmen zu beschäftigen, in dem solche Kritik gedeiht? Vielleicht angesichts der Tatsache, daß es – nicht erst heute – alles andere als selbstverständlich ist, kategoriale oder auch nur substantielle Kritik zu formulieren, die tiefer gräbt, die mehr ist als Meckerei, bloße Ablehnungsbekundung oder akademische Karriereübung. Unter welchen Bedingungen also reift Kritik heran, die sich nicht selbst genügt, sondern ihren Gegenstand wirklich und wirksam zu überwinden trachtet?

Vor hundert Jahren, anno 1923, gründeten dissidente Intellektuelle das Frankfurter Institut für Sozialforschung. In einem neuartigen Zusammenwirken von polit-ökonomischer Gesellschaftstheorie (dem materialistischen "Vorrang des Objekts" geschuldet), psychoanalytischem Herangehen ("Wendung aufs Subjekt") und dialektischer Philosophie sollten die avanciertesten Ansätze zusammengeführt und integriert werden, um dem betriebsblinden Positivismus der bürgerlichen Wissenschaften etwas vernünftigeres entgegenzusetzen und so zunächst die geistige Dominanz der bestehenden Verhältnisse zu brechen. Teilnahmslose Kontemplation war ihre Sache nicht, dazu sah die Welt viel zu schlimm aus.
Höchstselbst mit der sich barbarisierenden Gewalt des Bestehenden konfrontiert, sahen sich die Denker dann in den dreißiger Jahren einer verhängnisvollen Entwicklung der Gesellschaften gegenüber, deren Analyse sie zu einer Ernsthaftigkeit zwang, die gegen akademische Selbstgenügsamkeit ebenso immunisierte wie gegen intellektuellen Konformismus. Letztendlich konnten sie nur im außereuropäischen Exil überleben.

Was ist aus der Denkschule dieser "Kritischen Theorie", die sich im Laufe des 20. Jahrhunderts als "Frankfurter Schule" entwickelte, geworden? Welche Protagonisten gab es noch, außer den einschlägig bekannten großen Namen?
Hören Sie neun Beiträge von sieben Autoren, in drei Blöcken:

> Niklas Lämmel: „Herberge statt Grand Hotel“ (2023; 9 Minuten)
Das Institut für Sozialforschung wird 100 Jahre alt
> Holger Pauler: „In Horkheimers Schatten“ (2020; 19 Minuten)
Philipp Lenhard legt die erste Biographie Friedrich Pollocks vor und erzählt das Leben der grauen Eminenz der Frankfurter Schule
> Ali Tonguç Ertuğrul: „Thomas Mann wohnte nebenan“ (2022; 5 Minuten)
Martin Mittelmeier schildert die Entstehung der »Dialektik der Aufklärung«

> Lukas Betzler: „Wenn der Weltgeist Scherze macht“ (2021; 9 Minuten)
Der Briefwechsel zwischen Leo Löwenthal und Herbert Marcuse
> Holger Pauler: „Zwei im Horkheimer-Kreis“ (2019; 12 Minuten)
Waren Horkheimer und Adorno insgeheim Trotzkisten?
> Holger Pauler: „Marx'sche Theorie und Hegels Beitrag“ (2020; 19 Minuten)
Wiederveröffent­lichung von Herbert Marcuses Studie »Vernunft und Revolution«

> Roger Behrens: „Der negative Anthropologe“ (2012; 17 Minuten)
Der Sozialphilosoph Ulrich Sonnemann
> Peter Kern: „Zufall und Natur“ (2022; 10 Minuten)
Wie kein anderer Theoretiker der Frankfurter Schule ließ sich Karl Heinz Haag auf eine an den Naturgesetzen orientierte Wissenschaft ein
> Alex Struwe: „Fester Knoten“ (2022; 11 Minuten)
Adornos Vorlesung »Fragen der Dialektik« liegt in Buchform vor

Alle Beiträge sind in der Wochenzeitung Jungle World erschienen.


Dauer: 120 Minuten

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Audio
01:59:58 h, 82 MB, mp3
mp3, 96 kbit/s, Mono (48000 kHz)
Upload vom 20.02.2023 / 16:01

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Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Andere, Wirtschaft/Soziales, SeniorInnen, Kultur, Politik/Info
Serie: Sachzwang FM
Entstehung

AutorInnen: Dr. Indoktrinator
Radio: Querfunk, Karlsruhe im www
Produktionsdatum: 18.02.2023
Folgender Teil steht als Podcast nicht zur Verfügung
 
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114 kB,
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Upload vom 20.02.2023 / 16:10
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Creative Commons BY-ND-NC
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 4.0 International - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Musik:

- Intro/Outro: Alan Parsons Project (1978)

- Intermezzo: Guv'ner (1996), Tortoise (1998)

- Hintergrund: John Fahey (1974), Mick Harris & Neil Harvey (1998), Mick Harris & Eraldo Bernocchi (1997)